Nachtragsmanagement in der Baupraxis - Grundlagen - Beispiele - Anwendung

von: Ulrich Elwert, Alexander Flassak

Vieweg+Teubner (GWV), 2007

ISBN: 9783834894274 , 205 Seiten

2. Auflage

Format: PDF, OL

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Preis: 19,99 EUR

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Nachtragsmanagement in der Baupraxis - Grundlagen - Beispiele - Anwendung


 

8 Nachtragsprophylaxe – alternative Streitbeilegung (S. 159-160)

Die Abwicklung von Bauvorhaben ist mittlerweile fast regelmäßig mit erheblichen Meinungsverschiedenheiten und kontroversen Auseinandersetzungen der Bauvertragsparteien verbunden, die oftmals in langwierige und kostenintensive Gerichtsverfahren münden. In kaum einem anderen Rechtsgebiet wird so viel prozessiert wie im privaten Baurecht. Ein Drittel aller Zivilprozesse sind Bauprozesse, in den neuen Bundesländern sogar die Hälfte. Andererseits ist das Prozessieren in keinem anderen Rechtsgebiet so ineffizient und unökonomisch wie im Baurecht. Gerade bei Bauvorhaben, insbesondere bei laufenden Baustellen, ist Zeit und Schnelligkeit ein besonders wichtiger geldwerter Faktor. Allerdings dauern selbst erstinstanzliche Entscheidungen oft Jahre, manchmal Jahrzehnte.

Daran schließt sich bei entsprechender wirtschaftlicher Bedeutung vielfach ein langwieriger Instanzenzug an. Die Klärung technisch komplizierter Sachverhalte erfordert zudem häufig die Einschaltung von mehreren Gutachtern und Sachverständigen. Bauprozesse sind dementsprechend kostenintensiv und beanspruchen hohe Transaktionskosten zur Information von Anwälten, Sachverständigen und Gerichten. Der Gang vor staatliche Gerichte mündet nach mehreren Jahren oftmals in einem Vergleich, der die Parteien in Anbetracht der Dauer und der bis dahin aufgewendeten Ressourcen nicht mehr zufrieden stellen kann.

Der Kläger ist hierbei gezwungen, ein erhebliches finanzielles Risiko bei ungewissem Ausgang des Verfahrens und damit einhergehender Rechtsunsicherheit einzugehen. Eine außergerichtliche Streitbeilegung mit Hilfe alternativer Konfliktlösungsverfahren ist für die Vertragspartner aus ökonomischer Sicht, allein schon aus Gründen der Senkung des eigenen wirtschaftlichen Risikos und einer zügigen Beilegung der Streitigkeiten, vorteilhaft. Bereits bei Vertragsabschluss sollten sich die Vertragspartner Gedanken darüber machen, wie aufkommende Streitfälle gelöst werden können. Dazu gehört, die Möglichkeiten der Streitvermeidung weitestgehend auszuschöpfen, Regelungen für eine sinnvolle Streitschlichtung zu vereinbaren sowie Vorsorge für eine eventuell erforderliche Streitentscheidung bei unüberwindbaren Meinungsverschiedenheiten zu treffen und entsprechende Reglungen in den Vertrag aufzunehmen.

Dies ist zweckmäßig zu einem möglichst frühen Zeitpunkt, bei dem die Kooperation noch das Handeln der Vertragspartner bestimmt. Der besonderen Bedeutung von vertraglichen Vereinbarungen zur Streitbeilegung wurde im Rahmen der Neufassung der VOB 2006 mit Einfügung des § 18 Nr. 3 VOB/B Rechnung getragen. Es handelt sich dabei um eine Empfehlung des DVA als Herausgeber der VOB/B ohne rechtliche Bindungswirkung. Mit Einfügung der Regelung wird die Möglichkeit eines außergerichtlichen Verfahrens zur Streitbeilegung anerkannte Regel der Technik.

Dass im Baubereich besonders viel prozessiert wird, liegt nicht unbedingt daran, dass die „Leute am Bau" in besonderem Maße streitsüchtig wären, sondern vielmehr in der Eigenart des Bauens selbst. Das Baugeschehen ist in technischer, baubetrieblicher und rechtlicher Hinsicht vielschichtig und komplex. Kaum ein Bauprojekt wird letztlich so ausgeführt wie es ursprünglich geplant wurde. Zusätzliche Leistungen, Leistungsänderungen und Bauablaufstörungen führen zu Nachtragsforderungen des Auftragnehmers. Der Auftraggeber, dessen Finanzierung auf die ursprüngliche Planung abgestellt war, muss ggf. nachfinanzieren und wird versuchen, Nachtragsforderungen weitestgehend abzuwehren.

Die Forderungen des Auftragnehmers sind teilweise stark überhöht, um ein unter harten Wettbewerbsbedingungen nahezu unauskömmlich kalkuliertes Angebot nachträglich aufzubessern und erwarteten Kürzungen der Forderungssumme durch den Auftraggeber vorzubeugen. Hinzu kommen bei Bauvorhaben regelmäßig unvorhergesehene technische Schwierigkeiten, wie z. B. Baugrundprobleme, Schnittstellenprobleme zwischen den Gewerken und Behinderungen, die das Konfliktpotenzial bei Bauprojekten erhöhen. Neben den Kosten für Anwälte und Sachverständige wird eigenes Personal zur Prozessbegleitung gebunden, das für die eigentliche Baustellentätigkeit nicht mehr zur Verfügung steht. Da auch langwierige Gerichtsverfahren häufig für beide Vertragsparteien zu unbefriedigenden Resultaten führen, werden nachfolgend Möglichkeiten der Nachtragsprophylaxe sowie alternative Formen und Verfahren zur Konfliktvermeidung und Streitbeilegung vorgestellt.