Aufbau eines körperlich-aktiven Lebensstils (Reihe: Sportpsychologie, Bd. 4)

von: Reinhard Fuchs, Wiebke Göhner, Harald Seelig (Hrsg.)

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2007

ISBN: 9783840921087 , 370 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: DRM

Windows PC,Mac OSX für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen für: Windows PC,Mac OSX,Linux

Preis: 30,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Aufbau eines körperlich-aktiven Lebensstils (Reihe: Sportpsychologie, Bd. 4)


 

14 Bewegungsberatung im medizinischen Setting (S. 274-275)

Gorden Sudeck
Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels mit einem steigenden Anteil älterer Personen in der Bevölkerung und der Veränderung des Krankheitspanoramas in Richtung chronischer Erkrankungen werden präventive und gesundheitsförderliche Maßnahmen zunehmend als selbstverständlicher Bestandteil der medizinischen Versorgung sowie speziell auch der ärztlichen Arbeit gefordert (Klotz, Haisch & Hurrelmann, 2006). Neben den klassischen ärztlichen Präventionsleistungen der diagnostischen Früherkennung von Krankheiten (z.B. Screenings im Kindes- und Jugendalter oder Krebs-Vorsorgeuntersuchungen in späteren Lebensabschnitten) sowie Impfungen zur Verhinderung von Infektionskrankheiten wächst der Stellenwert von Maßnahmen, die auf eine gesunde Lebensführung der Patienten abzielen. So prognostizieren Klotz et al. (2006), dass die individuumsbezogene Prävention und Gesundheitsberatung sich zu einer Hauptaufgabe der ärztlichen Tätigkeit entwickeln und gegenüber den traditionell kurativen Tätigkeitsbereichen an Relevanz gewinnen wird. Eine solche Entwicklung steht dabei im Einklang mit dem Selbstverständnis der Allgemeinmedizin, in dem die Gesundheitsbildung und die Gesundheitsberatung im Zusammenhang mit gesundheitlichen Risikofaktoren als Domänen der ärztlichen Tätigkeit aufgefasst werden (Haisch, 2004).

14.1 Bewegungsberatung als gesundheitsförderliche und präventive Maßnahme in der Arztpraxis
Durch die mittlerweile fundierten Erkenntnisse über die gesundheitsschädigenden Konsequenzen des Risikofaktors Bewegungsmangel und der zugleich wachsenden Evidenz der umfangreichen Gesundheitswirkungen körperlicher Aktivitäten wird es mitunter als Aufgabe der Ärzteschaft angesehen, Patienten im Hinblick auf einen körperlich-aktiven Lebensstil zu beraten. So können von dem Besuch einer Arztpraxis wichtige Impulse zur Prävention gesundheitlicher Beeinträchtigungen ausgehen, indem verstärkt auf die Minderung inaktivitätsbedingter Risikofaktoren hingewirkt wird oder – im Sinne der Gesundheitsförderung – auf die Stärkung insbesondere physischer Ressourcen abgezielt wird, die den Erhalt der Gesundheit sichern und die Lebensqualität steigern können.

In der englischsprachigen Literatur werden diese individuumsbezogenen Beratungsansätze als physical activity counseling bezeichnet und im Folgenden im Sammelbegriff der Bewegungsberatung gefasst. Die hier fokussierten Maßnahmen der Bewegungsberatung im medizinischen Setting haben gemeinsam, dass sie in räumlich zeitlicher Verbindung mit einem Arztbesuch realisiert werden und eine individuumsbezogene Beratung zur Förderung des körperlichen Aktivitätsniveaus darstellen. Als beratende Akteure treten Ärzte selbst auf und/oder es werden andere Praxismitarbeiter wie Pflegekräfte, Arzthelferinnen oder (kooperierende) Gesundheitsberater und spezifisch geschulte Bewegungsberater aktiv.

In Deutschland bietet es sich angesichts der besonderen Bedeutung von Hausärzten für die Umsetzung der Bewegungsberatung an, insbesondere diese Anlaufstellen der primärärztlichen Versorgung zu nutzen, um mit breiter Wirkung auf das Aktivitätsniveau der Bevölkerung Einfluss zu nehmen. So gaben im Bundes-Gesundheitssurvey 2004 über 90% der erwachsenen Bevölkerung an, bei gesundheitlichen Problemen zuerst ihren Hausarzt aufzusuchen (Ellert, Wirz & Ziese, 2006). Der Hausarzt wird in deutlicher Überzahl durch einen Allgemeinmediziner bzw. praktischen Arzt (77% bis 82%) repräsentiert, oder aber ein niedergelassener Internist übernimmt diese Funktion (16% bis 21%).

Da Allgemeinmediziner zudem von gesetzlich Krankenversicherten durchschnittlich mehr als zweimal pro Jahr kontaktiert werden (Statistisches Bundesamt, 1998), ergibt sich eine hohe Erreichbarkeitsquote der Bevölkerung. Dieses Argument für die Bewegungsberatung in hausärztlichen Praxen wird dadurch unterstützt, dass Hausärzte in Gesundheitsfragen die häufigste Quelle der Informationsgewinnung darstellen (Ellert et al., 2006) und oft als fachkompetente Vertrauenspersonen wahrgenommen werden, deren Empfehlungen zur Lebensstiländerung ein besonderes Gewicht haben (z.B. Pinto, Goldstein & Marcus, 1998, Titze & Marti, 2002).