Morbus Menière - Schwindel - Hörverlust - Tinnitus Eine psychosomatisch orientierte Darstellung

von: Helmut Schaaf

Springer-Verlag, 2006

ISBN: 9783540687672 , 212 Seiten

5. Auflage

Format: PDF, OL

Kopierschutz: DRM

Windows PC,Mac OSX für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen für: Windows PC,Mac OSX,Linux

Preis: 22,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Morbus Menière - Schwindel - Hörverlust - Tinnitus Eine psychosomatisch orientierte Darstellung


 

4 Sonderformen (S. 47-49)

4.1 Lermoyez-Syndrom

Beim Lermoyez-Syndrom bessert sich anfangs das Hörvermögen nach einer Schwindelattacke, hierfür gibt es bisher keine Erklärung. Auch soll der Nystagmus beim Lermoyez-Syndrom nur in die Richtung der kranken Seite gehen, ohne den Wechsel von Reiz- und Ausfallnystagmus zu zeigen. Patienten mit Lermoyez-Syndrom geben oft Migränebeschwerden an (Paparella in: Huang 1991, S. 108–114). Ansonsten unterscheidet sich diese Form klinisch nicht von dem klassischen Menière-Bild und wird auch therapeutisch genauso behandelt.

4.2 Tumarkin-Anfall

Das plötzliche Hinstürzen (»drop attack«) aus völligem Wohlbefinden ohne jedes Vorwarnzeichen wurde 1936 von Tumarkin als »otolithische Katastrophe« beschrieben. Hinzukommen kann ein Gefühl, als würde es einem den Kopf zerreißen. Erklärt wird dieses Phänomen, das nach dem Erstbeschreiber benannt wurde, durch ein Zerreißen des Gleichgewichtsbläschen, des Sacculus. Dies führt zu einer Spontanbewegung der Otolithen mit »abruptem Verlust des Tonus in den von der ‚vestibulospinalen‘ Bahn versorgten Muskeln« (Scherer 1997), d. h. im Kopf kreist es blitzschnell, und die Beine sacken weg. Typischerweise und zum Glück ist der Anfall mit 10–20 s kurz.

Das Bewusstsein bleibt – ein wichtiges Unterscheidungskriterium gegenüber anderen Erkrankungen – erhalten. Auch ist es wahrscheinlich, dass sich diese Krankheitsform, wenn überhaupt, erst in Spätstadien der Menière- Erkrankung einzustellen scheint (Kentala et al. 2001). Vielleicht ist das damit zu erklären, dass dieser Gleichgewichtsanteil der entwicklungsgeschichtlich älteste ist, Scherer (1997) spricht von über 600 Mio. Jahren. Damit ist er auch am widerstandsfähigsten, sowohl gegen die Menière-Erkrankung, aber auch gegen eine »therapeutische« Ausschaltung. Wichtig bei diesem Krankheitsbild sind die Abgrenzung und der Ausschluss von kurzfristigen Durchblutungsstörungen (»kleine Schlaganfälle«) des Hirnstamms.

Ebenso müssen Migräneanfälle ausgeschlossen werden. Medikamentös sind die Tumarkin-Krisen nämlich nicht zu beeinfl ussen – so schnell kann man nicht zum Zäpfchen oder zur Tablette greifen. Hier hilft möglicherweise nur eine komplette Labyrinthausschaltung, auch mit Gentamycin (Kap. 7). Allerdings sind diese Attacken viel schwerer auszuschalten als der durch die Bogengänge vermittelte Drehschwindel, und sie benötigen wohl höhere Gentamycinmengen.

4.3 Kochleäre Form des Morbus Menière

Von den Menière-Diagnosen werden 2–3% als eine kochleäre Sonderform angesehen (Morgenstern 1994a), wenn vornehmlich ein meist wannenförmiger, fl uktuierender Tieft onverlust ohne Schwindelbegleitung beobachtet wird. Wahrscheinlich handelt es sich hier um das in Kap. 5 ausführlich besprochene Krankheitsbild des endolymphatischen Geschehens.

4.4 Vestibuläre Form des Morbus Menière

Eine rein vestibuläre Form des Morbus Menière zeige »nur« den Schwindel ohne Hörverluste und Ohrgeräusche, beschrieb Morgenstern (1994a). Sie komme außerordentlich selten vor und ist – so muss man über 10 Jahre später sagen vielleicht das Resultat von noch nicht wirklich immer sicheren Diagnosemöglichkeiten.

So lassen sich heute aufgrund einer zunehmend besseren Diagnostik immer mehr »rein vestibuläre« Formen des Morbus Menière etwa als Migräne mit Schwindel (vestibuläre Migräne), Otolithenstörungen oder psychogene Schwindelerscheinungen einordnen (Kap. 5).