Goliath - Roman

von: Steve Alten

Heyne, 2012

ISBN: 9783641079666 , 576 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 9,99 EUR

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Goliath - Roman


 

Kapitel 1

25. Januar 2010

Atlantischer Ozean

Seine-Tiefsee-Ebene

112 Seemeilen südwestlich der Straße von Gibraltar

Eine Fontäne aus Luft und Wasser ausstoßend, durchbricht der majestätische Koloss die Wasseroberfläche. Die sichelförmige Rückenflosse gleitet durch die Wellen, der große Schwanz schlägt herausfordernd ins Wasser, bevor das Tier wieder in der Gischt versinkt.

Mit einem Gewicht von bis zu hundertdreißig Tonnen ist der Blauwal das bei Weitem größte Tier, das je auf der Erde gelebt hat. Oft erreicht er eine Länge von über hundertfünfunddreißig Metern. Ein Herz von der Größe eines Kleinwagens lässt zehn Tonnen Blut durch seinen Körper zirkulieren. Mit seiner gewaltigen Masse ernährt sich der Meeressäuger nicht räuberisch, sondern lebt von Plankton, kleinen Meeresorganismen, die er mit seinen Barten aus dem Wasser filtert. Seine Hauptnahrung ist Krill, kleine, garnelenähnliche Krebstiere.

Noch einmal steigt die Walkuh auf und führt ihr zwei Monate altes Kalb an die Oberfläche, damit es zwischen den aufgewühlten Wogen mühsam Atem holen kann.

Dreihundert Meter tiefer zieht ein bedrohlicher Schatten leise durch die Tiefe. Dämonische pupillenlose Augen, starr und scharlachrot, leuchten im schwarzen Wasser. Alle Lebewesen, die den gigantischen, von Dunkelheit umhüllten Leib wahrnehmen, stieben auseinander.

Der Schatten registriert die Bewegung hoch über sich, entfernt sich mit einer scharfen Wendung vom Meeresboden und steuert die beiden Blauwale an.

Als das Ungetüm die wogenden grauen Schleier der höheren Wasserschichten erreicht hat, enthüllen die gebrochenen Sonnenstrahlen die geflügelte Silhouette eines riesigen Stachelrochens. So lautlos schwimmt er dahin, dass die Walkuh sein Nahen erst bemerkt, als er sie schon fast erreicht hat. Mit einer panischen Bewegung schlägt das erschrockene Muttertier mit der Schwanzflosse und drängt sich über sein Kalb, um es vor den Kiefern des Jägers zu beschützen.

Der unheimliche Gigant setzt seine Verfolgung fort. Immer näher kommt sein flaches, dreieckiges Maul den wirbelnden Schwanzflossen der flüchtenden Meeressäuger, die einen Strudel aus Luftbläschen hinter sich herziehen.

Zu einem Angriff kommt es jedoch nicht. Der Rochen hält eine Flossenlänge Abstand von der wild schlagenden Fluke der Walkuh, als wolle er seine Beute mit einem furchtbaren Katz-und-Maus-Spiel verhöhnen. Jäger und Gejagte hetzen durch die Thermokline, die dünne Wasserschicht, die die von der Sonne erwärmte Oberfläche von der kälteren Tiefe trennt.

Nach einer Weile ist der dunkle Koloss der Jagd müde. Unvermittelt beschleunigt er, gleitet unter den verängstigten Walen hindurch und lässt sie in den Turbulenzen seiner Schwingen taumeln, während er in die schweigende Tiefe zurückkehrt.

Dunkelheit und Kühle umgeben den Stachelrochen, der bis auf das teuflische Glühen seiner unheimlichen Augen vollkommen schwarz ist. In zweihundertsiebzig Metern Tiefe gleitet der stromlinienförmige Leib mühelos in die Waagrechte. Hoch über dem öden Grund des Tiefseebeckens setzt die Kreatur ihre Reise nach Westen fort, wo ihre wahre Beute wartet.

Atlantischer Ozean

35 Seemeilen westlich der Straße von Gibraltar

15.12 Uhr

Unter dem mausgrauen Winterhimmel durchpflügt der amerikanische Flugzeugträger Ronald Reagan (CVN 76) den Ozean. Sein stählerner Bug bahnt sich mit einer konstanten Geschwindigkeit von zwanzig Knoten einen Weg durch die knapp vier Meter hohen Wellen.

Unter Deck übersieht Captain James Robert Hatcher, der zweiundfünfzigjährige Kommandant der Ronald Reagan, geflissentlich das Grinsen seiner Untergebenen, als er den Fitnessraum verlässt und im Laufschritt einen der beiden Zentralkorridore des Schiffs entlangeilt. Nachdem er geschickt ein Dutzend wasserdichte Türen geöffnet und hinter sich geschlossen hat, erreicht er den zentralen Kommando- und Kontrollbereich für den Flugzeugträger und sein Geschwader.

Die Ronald Reagan ist eine wahre Festung der modernen Kriegführung. Gut dreihundert Meter lang und mit einer Infrastruktur aus Aufbauten, die bis zu zwanzig Stockwerke hoch über der Wasserlinie aufragen, ist der Flugzeugträger der Nimitz-Klasse das bei Weitem größte und mit siebenundneunzigtausend Tonnen auch schwerste Wasserfahrzeug der Welt. Trotz seiner gewaltigen Größe ist das Schiff alles andere als langsam – seine vier von zwei Kernreaktoren angetriebenen Schrauben, jede mit einem Durchmesser von über sechs Metern, verleihen ihm eine Geschwindigkeit von über dreißig Knoten, mit der es täglich bis zu siebenhundert Seemeilen zurücklegen kann.

Der Flugzeugträger und sein Geschwader sind ein eindrucksvolles Beispiel für die Vorwärtsverteidigungsstrategie der Vereinigten Staaten. Sein achtzehntausend Quadratmeter großes Flugdeck ist das Kernstück eines schwimmenden Flughafens, der von sechstausend Männern und Frauen in Betrieb gehalten wird. Am Rand des Flugdecks und in dem darunter gelegenen Hangardeck stehen über siebzig Flugzeuge; unter anderem zwei Staffeln F/A 18E und 18F Super Hornet; acht für Kommunikationsaufgaben, Aufklärung, das Auftanken in der Luft und die U-Boot-Jagd ausgerüstete CSA-Jets; vier AEW-Maschinen für die Luftaufklärung und eine Staffel aus vierzehn brandneuen, durch ihr Stealth-Design geschützten Joint Strike Fighters (JSFs). Mit seinem umfangreichen Arsenal an Offensivwaffen kann dieser Schwarm hochmoderner Jets den Luftraum über der Armada nahezu nahtlos versiegeln.

Zu den Verteidigungswaffen des Flugzeugträgers gehören die neueste Version der Kurzstreckenrakete Sea Sparrow mit drei Abschussvorrichtungen, die jeweils acht Raketen tragen; das elektronische Selbstschutzsystem SLQ 32 und das Raketenabwehrsystem Vulcan Phalanx, ein auf geringe Distanz wirksames Schnellfeuergeschütz, das pro Sekunde neunhundert Zwanzig-Millimeter-Geschosse abfeuern kann.

Auf offener See nahezu unverwundbar ist der Flugzeugträger nicht nur durch seine eigenen Abwehrsysteme, sondern auch durch seine Einbindung in eine sogenannte Trägerkampfgruppe mit einem breiten Spektrum verschiedener Fahrzeuge. Die Ronald Reagan wird begleitet von sechzehn Kampfschiffen, zehn Versorgungsschiffen und zwei Angriffs-U-Booten der Los-Angeles-Klasse, der USS Jacksonville (SSN 699) und der USS Hampton (SSN 767).

Direkt an den Seiten der Ronald Reagan sind zwei Geleitschiffe der Ticonderoga-Klasse positioniert, die USS Leyte Gulf und die USS Yorktown. Die beiden Raketenkreuzer haben den Auftrag, den Flugzeugträger um jeden Preis zu schützen. Beide sind mit dem THAAD-System ausgerüstet, einem hoch entwickelten taktischen Raketenabwehrsystem. Mittels einer Reihe von Sensor-Fusions-Computern verbindet das Programm die Radar-, Sonar- und Lasersysteme der Schiffe mit ihren Waffensystemen. Dabei werden auch neueste Satellitendaten eingespeist, um die Bedrohung durch feindliche Angriffe korrekt einschätzen zu können. Auch das koordinierte multi-statische Radar macht es feindlichen Stealth-Jets und Marschflugkörpern unmöglich, den Schutzschild unbemerkt zu durchdringen. Die parallel laufenden Multitask-Computer brauchen nur wenige Sekunden, um Prioritäten zu setzen und die Abwehr herannahender Flugkörper einzuleiten. Zusätzlich zu ihren Geschützen, Torpedos und Anlagen zum Abschuss von Scheinzielen, mit denen feindliche Raketen getäuscht werden sollen, sind die zwei Kreuzer mit Tomahawk-Raketen bestückt, Marschflugkörpern, die bis zu sechzehnhundert Kilometer entfernte Ziele zerstören können.

Die Vereinigten Staaten unterhalten zwölf solche Trägerkampfgruppen, von denen sich jeweils immer nur zwei oder drei im Einsatz befinden. Dabei ist die Ronald Reagan der erste Flugzeugträger seit mehr als zehn Jahren, der neben seinen konventionellen Waffen auch eine kleine Anzahl nuklearer Sprengköpfe mit sich führt. Notwendig wurde diese taktische Neuorientierung durch den verschärften nuklearen Rüstungswettlauf mit Russland und China, den die Vereinigten Staaten durch ihre Weigerung ausgelöst haben, auf den unter der Regierung Reagan initiierten Raketenabwehrschild zu verzichten.

Als Captain Hatcher ins Halbdunkel der unterkühlten Befehlszentrale tritt, trocknet der Schweiß auf seinen nackten Armen und Beinen augenblicklich. Eine Reihe von Technikern blickt von ihren Bildschirmen auf, als ihr Kommandant vorbeigeht. Hatcher schaut sich rasch um, dann entdeckt er seinen Ersten Offizier, Commander Shane Strejcek.

»I. O., haben Sie Bob Lawson irgendwo gesehen?«

»Den Abgeordneten? Ja, Sir, der hat sich erst vor zehn Minuten mit Commander Jackson unterhalten.«

Hatcher geht weiter zu der zentralen Bucht aus Steuerpulten, die rund um eine große, hoch auflösende Digitalkarte angeordnet sind. Das Plexiglas-Display zeigt den Nordatlantik und das Mittelmeer. Die Position der Kampfgruppe und die umgebenden Verteidigungszonen sind in fluoreszierendem Blau dargestellt, die dazugehörigen Flugzeuge in pulsierendem Grün, die Topografie von Europa und Westafrika in ebenmäßigem Rot. Der mehrschichtige Bildschirm kann zudem die Höhe des Wellengangs und die Wetterbedingungen darstellen.

Commander Rochelle »Rocky« Jackson schaut von ihrem Sonarbildschirm auf, als sie den Skipper auf sich zukommen sieht. Unter ihrer marineblauen Baseballmütze lugen einzelne strohblonde Haarsträhnen hervor. »Tolle Waden, Hatch«, sagt sie anerkennend.

Es ist so kühl im Raum, dass sich Rockys aufgerichtete Brustwarzen an die Innenseite ihres...