Feuer des Schicksals: Fantasy-Roman

von: Serena S. Murray

Hallenberger Media Verlag, 2017

ISBN: 9783957642219 , 450 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 3,99 EUR

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Feuer des Schicksals: Fantasy-Roman


 

 

1.


Savannah dachte, dass heute ein ganz normaler Tag sei. Doch wie sehr sie sich irrte, zeigte sich bereits am späten Vormittag.

Es war Montagmorgen, der Wecker klingelte und riss sie aus einem Traum, in dem sie am Strand von Hawaii mit nackten Füßen entlang lief. Fast konnte sie den heißen weißen Sand noch auf den Fußsohlen spüren. Als sie die Decke zur Seite zog und sich langsam und noch ein wenig schlaftrunken aufsetzte, fiel ihr Blick auf das Buch, das auf ihrem Schreibtisch direkt neben dem Bett lag.

„Mist.“ Ärgerlich schloss sie die Augen und strich sich die unordentlichen Haarsträhnen ihres rot-blonden Haares hinter die Ohren. Vielleicht sollte sie ihre Mähne wirklich abschneiden. Doch so flüchtig dieser Gedanke gekommen war, so schnell verschwand er auch wieder. Heute stand in der 4. Stunde eine Matheklausur an. Auch wenn die Schulfächer nicht schwer für sie waren, sie langweilte sich im Unterricht und träumte immerzu vor sich hin. Sie waren vor etwa einem halben Jahr nach Chicago gezogen, um ein neues Leben anzufangen. So nannte ihre Mutter ihre ständigen Umzüge, ein neues Leben begann auch immer mit einer neuen Stadt oder einem neuen Land. Dadurch hatte sie im Laufe ihres Lebens mehrere Klassen wiederholen müssen. In einigen Tagen würde sie ihren 20. Geburtstag feiern. Die Schule würde sie bald beenden und endlich könnte sie ein wenig Geld verdienen, um ihre Mutter zu unterstützen.

Als sie aufstand, knarrte eine der Dielen unter ihren nackten Füßen. Das Haus, in das sie gezogen waren, wurde dem Aussehen nach nur an Leute vermietet, die gut mit ihrem Geld haushalten mussten. Nach mehrmaligem Drehen am Wasserhahn kam erst ein dunkler, sandiger Strahl aus dem Wasserhahn, der bestimmt schon über ein Jahrhundert alt war. Savannah hatte gelernt, geduldig auf das saubere Wasser zu warten, auch wenn es nie wirklich heiß aus der Leitung kam. Schnell erledigte sie ihre Morgentoilette und lief dann die Treppe hinunter in die Küche. Ihre Mutter würde erst in ein bis zwei Stunden aufstehen, um dann wieder die Zeitung nach eventuellen Stellenangeboten zu durchforsten.

Sophie O’Sullivan hatte mal wieder ihren Job verloren, da sie zu oft zu spät gekommen war und den Getränkeladen gleich um die Ecke nicht rechtzeitig geöffnet hatte. Savannah stellte ein Glas Milch, das Brot, die heiß geliebte Erdnussbutter ihrer Mutter und die aktuelle Zeitung auf ihren Platz am Tisch. Noch während sie die Tür hinter sich zuzog, steckte sie sich ihre Kopfhörer ins Ohr und ließ sich von der Musik ablenken, um nicht an die Prüfung denken zu müssen. Es war jetzt Anfang Mai und die Temperaturen waren für diese Jahreszeit immer noch zu niedrig. Dazu kamen die ständigen Regengüsse und der eiskalte Wind, der einem die Tränen in die Augen trieb. Kein Wunder, dass sie von Hawaii träumte.

 

Gerade, als Savannah das Schulgebäude betrat, öffnete der Himmel seine Schleusen vollends. Das ungute Gefühl, das sie beim Anblick der schwarzen Wolken am Himmel befiel, hielt die ganzen nächsten Stunden an. Irgendetwas würde bald passieren. Kurz dachte sie an ihren Großvater. Er war ein waschechter Potawatomi-Indianer gewesen und hätte das Wetter und ihr ungutes Gefühl bestimmt als ein schlechtes Omen angesehen. Ihre Großmutter, eine Irin, war als junge Frau nach Amerika ausgewandert. Doch als ihr Mann vor einigen Jahren verstarb, zog es sie zurück in ihre Heimat. Da sich Sophie im Laufe der Jahre immer mehr von ihrer Mutter distanziert hatte, war auch der Kontakt nach deren Umzug nach Irland völlig zum Erliegen gekommen. Die Frauen in dieser Familie waren einfach nur starrköpfig.

In den ersten Stunden schaute Savannah immer wieder gedankenverloren aus dem Fenster. Der Regen hielt den ganzen Vormittag an und verwandelte die Wege in eine Landschaft aus Matsch und tiefen Wasserlöchern. Als sie nach vorn zu ihrer Lehrerin sah, bemerkte sie einen Schatten, der sich an der Gestalt der älteren Frau nach oben schlängelte. Dunkel, leicht durchsichtig schmiegte sich der Schatten an den Körper der Frau. Ihren Namen hatte sie wieder vergessen, da sie bereits die fünfte Lehrerin im Fach Geschichte war, die Savannah allein im letzten halben Jahr gehabt hatte. Wie immer in so einer Situation schaute sie sich vorsichtig um, ob einer der anderen das Gleiche sah wie sie. Und wie immer war sie anscheinend die Einzige. Schon als Kind hatte sie seltsame Schatten gesehen. In der Regel war der Mensch, bei dem sie dieses merkwürdige Etwas entdeckt hatte, kurze Zeit später gestorben. Das erste Mal war es ihr richtig bewusst geworden, als sie als fünfjährige mit ihrer Mutter einen Rummel besucht hatte. Eine hagere Frau war an ihnen vorbeigegangen und Savannah zeigte ihrer Mutter, dass sie Schatten an der Frau sehen konnte. Sophie nahm sie zur Seite und kniete sich vor sie hin. Sie erinnerte sich noch, wie ihre Mutter ihr sanft über das Gesicht gefahren war. Instinktiv spürte sie, dass Sophie ihr jetzt etwas Wichtiges sagen würde.

„Schätzchen, auch wenn du diese Schatten siehst, musst du darauf achten, dass niemand etwas davon mitbekommt.“ Sie hatte verständnislos ihren Kopf geschüttelt.

„Was bedeuten die Schatten?“, fragte sie leise. Auch wenn sie Angst vor der Antwort hatte, so wollte sie es doch wissen. Ihre Mutter schaute sie traurig an. Erst dachte Savannah, sie würde ihr nicht antworten, doch dann hatte Sophie ihr die Wahrheit gesagt.

„Kannst du dich noch an unseren Nachbarn Mr. Eldridge erinnern?“ Savannah nickte. Der Mann hatte sie immer so böse angesehen. Sie hatte ihn nie gemocht. Andere lächelten sie zumindest an.

„Du hast Schatten bei ihm gesehen und einige Tage später ist er gestorben.“ Savannah wusste, was verstorben bedeutete. Die Menschen waren dann einfach weg und sie kamen nicht wieder. Schweigend sah sie noch einmal zu der hageren Frau, an deren Gestalt ein ziemlich dunkler Schatten klebte. Es kam darauf an, wie dunkel die Schatten waren. Je dunkler, desto schneller verstarben sie.

Wieder zurück in der Gegenwart, schaute Savannah sich die Frau vor der Klasse etwas genauer an. In ihren Haaren waren nur vereinzelt graue Strähnen zu sehen. Eine große Brille saß auf einer Hakennase. Immer wieder wurde sie durch einen Finger nach oben geschoben, da sie anscheinend zu schwer war und immer wieder nach unten rutschte. Draußen blitzte und donnerte es, und das Schattenwesen zog sich bei der plötzlichen Helligkeit ein wenig zurück.

Fast hätte sie das Vibrieren ihres Handys nicht gehört. In ihrem Magen bildete sich ein schwerer Klumpen, als sie es schnell und geräuschlos aus ihrer Tasche holte. Als sie auf das Display schaute, sah sie, dass ihre Mutter ihr eine Nachricht geschrieben hatte. Und das war schon sehr merkwürdig. Auf dem Display erschien die Nachricht: Schatz komm bitte schnell nach Hause. Liebe dich, Mom.

Savannah schnappte sich ihre Tasche und verließ eilends den Raum, ehe die Lehrerin sie aufhalten konnte. Sie hatte noch nie im Leben den Unterricht geschwänzt. Sie war immer zuverlässig, immer pünktlich und pflichtbewusst gewesen. Und doch war sie schon immer anders gewesen als andere. Sie schien nirgendwo richtig hinzugehören und hatte das Talent, sich in großen Menschenmengen fast unsichtbar machen zu können. Anders als ihre Mutter Sophie. Wo auch immer sie hinging, fingen die Leute ein Gespräch mit ihr an. Manchmal fand Savannah sie in einer Menschentraube vor, aus der sie sie erst einmal retten musste. Doch ihre Mutter würde sie niemals bitten, früher nach Hause zu kommen, wenn nicht etwas passiert wäre.

Den Heimweg schaffte sie in der Hälfte der Zeit als sonst. Als sie die Hintertür zur Küche öffnete, fiel ihr Blick auf den Küchentisch. Das Glas Milch, das sie heute Morgen dort hingestellt hatte, war bis jetzt noch nicht angerührt worden. In der Mitte des Tisches lag ein Umschlag. Was jetzt kam, das kannte Savannah schon. Langsam öffnete sie den Umschlag und heraus kamen zwei Flugtickets. Um 18:45 Uhr ging der Flug von Chicago nach Dublin in Irland.

„Mom, wo bist du?“ Ihre Stimme zitterte ein wenig. Oben hörte sie ein Poltern, dann waren auch schon die Schritte ihrer Mutter auf der Treppe zu hören. Als Sophie vor ihrer Tochter stehenblieb, spielte sie nervös mit ihren Fingern und nestelte an ihrem Rock. Ihre Mutter konnte ihr noch nicht einmal in die Augen schauen. Zu müde, um etwas zu sagen, schüttelte Savannah nur den Kopf, legte den Umschlag wieder auf den Tisch und ging nach oben.

Sie fühlte sich, als würde sie eine zentnerschwere Last auf ihren Schultern tragen. Geübt wie sie war, packte sie ihre Sachen innerhalb einer Stunde zusammen. Das einzige Gute an diesem Tag war, dass sie die Klausur nicht schreiben musste. Savannah liebte ihre Mutter. Auch wenn ihr schon ein paar Mal durch den Kopf gegangen war, dass niemand sie zwingen konnte, wieder einmal umziehen zu müssen, so war sie ihrer flatterhaften Mutter immer gefolgt. Sie hätte die Schule abbrechen und einen Ganztagsjob annehmen können, doch ihrer Mutter war es wichtig, dass sie einen Schulabschluss in der Tasche hatte. Sophie musste den letzten Rest ihres Ersparten zusammengekratzt haben, um die Tickets bezahlen zu können....