John Sinclair 1719 - Totenmarsch

von: Jason Dark

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2011

ISBN: 9783838709321 , 64 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

Windows PC,Mac OSX für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 1,99 EUR

Mehr zum Inhalt

John Sinclair 1719 - Totenmarsch


 

"Totenmarsch (1. Teil)

Sehr ernst schaute mich mein Chef, Sir James, an, bevor er seine Frage stellte. »Wissen Sie, wie man Father Gregor als Toten gefunden hat?« »Nein, Sir.« »Sein Kopf war auf den Rücken gedreht!« Ich wurde schlagartig leichenblass und flüsterte: »Himmel, das war Matthias.« »Leider«, bestätigte Sir James und nickte …

Einige Tage zuvor Father Gregor hockte in seinem Zimmer nahe des Fensters und wartete darauf, dass es passierte. Er war sich sicher, dass es geschehen würde. Es gab für ihn keine Alternative. Das Grauen kehrte zurück. Dann waren die Toten nicht mehr tot und begraben. Noch war es still. Das würde sich bald ändern, wenn die Zeit dafür reif war. Der Geistliche wusste das, doch man glaubte ihm nicht oder wollte ihm nicht glauben. Er aber war davon überzeugt, wollte zudem ein Zeichen setzen und ging davon aus, dass es ihn das Leben kosten konnte. Auch das war ihm egal. Seine Jahre lagen hinter ihm. Er war alt geworden, das Feuer der Jugend war erloschen, jedoch nicht der Wille, sich gegen das Grauen zu stemmen, da sah er sich mehr als Märtyrer, der nun für die Fehler in seinem Leben büßte. Das Haus, in dem er lebte, war klein. Es duckte sich gegen einen mit Felsbrocken bestückten Hang. Das Dach war an beiden Seiten weit vorgezogen und ragte dabei noch weit über den Eingang wie ein Regenschutz.

Entsprechend klein waren die Fenster. Quadratisch und niedrig. Father Gregor hatte dem Rechnung getragen und den Stuhl mit der etwas erhöhten Sitzfläche so hingestellt, dass er ohne Probleme durch die Scheibe nach draußen schauen konnte und dabei einen Teil der Landschaft überblickte, die darauf wartete, dass der Frühling endlich explodierte.

Der Tag war fast gelaufen. Noch zögerte die Dunkelheit damit, sich über das Land zu legen. Zu lange hatte in den letzten Stunden die Sonne geschienen und einen ersten Hauch von Frühling mitgebracht. Aber die Dunkelheit würde kommen. Sie war wie ein breiter, finsterer Fluss, der erst dann aufhörte zu fließen, wenn das Morgengrauen anbrach und die Sonne ihren Kampf wieder aufnahm. Der alte Geistliche, der mal als Mönch und auch als Pfarrer gedient hatte, wollte in dieser Nacht den Beweis bekommen.

Auch andere Menschen waren eingeweiht, aber die ignorierten das Andere, weil sie es nicht begriffen und auch nicht wahrhaben wollten, denn es ging gegen alle Naturgesetze. Gregor aber hatte es gelernt, hinter die Normalität zu schauen, denn in ihr verbarg sich vieles, was die meisten Menschen nicht akzeptieren wollten. Gregor schon. Er war mit seinem Wissen alt geworden. Sein Haar hatte eine schlohweiße Farbe angenommen, aber er hatte es kurz geschnitten, denn er wollte nicht herumlaufen wie andere Männer in seinem Alter, die auf ihr Äußeres keinen Wert mehr legten. Sie würden kommen.

Er würde sie sehen, aber er wusste nicht, wann sie erschienen. Es war unmöglich, sich auf eine Uhrzeit festzulegen, und deshalb musste er warten. Natürlich würden sie in der Dunkelheit erscheinen. Bis dahin verging noch ein wenig Zeit, und die wollte sich Father Gregor verkürzen. Er hatte neben seinem Stuhl den Tisch mit der runden Platte gestellt. Darauf standen die Flasche Whisky, ein Glas und eine Karaffe mit Wasser, für das ein zweites Glas bereit stand. Hin und wieder musste Gregor einen Schluck nehmen. Er wechselte zwischen Wasser und Whisky ab. Wenn er dann wieder aus dem Fenster schaute, zogen sich die Augen in seinem zerfurchten Gesicht zusammen, aber die Landschaft vor dem Fenster hatte sich nicht verändert. Nichts bewegte sich dort."