Verliebt in die Schwester der Braut?

Verliebt in die Schwester der Braut?

von: Yvonne Lindsay

CORA Verlag, 2011

ISBN: 9783862953059 , 144 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 2,49 EUR

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Verliebt in die Schwester der Braut?


 

2. KAPITEL

Bevor sie wusste, wie ihr geschah, ging Rina Hand in Hand mit Reynard zu den Fahrstühlen.

„Sara! Die ganze letzte Stunde habe ich versucht, dich zu erreichen! Ich habe es auf deinem Handy und dem Festnetz probiert, weil ich mir nicht sicher war, ob du schon wieder zurück auf der Insel bist. Ich weiß immer noch nicht, warum du mir deine Flugverbindung nicht nennen wolltest, denn ich hätte dich gerne vom Flughafen abgeholt. Warum hast du mich nicht angerufen?“

„Ich …“, begann Sarina und versuchte, ihm gedanklich zu folgen. Sara hatte wohl seine Anrufe ignoriert. Denk nach, ermahnte Saina sich im Stillen, was würde Sara sagen? Sie entschied sich für die nächstbeste Antwort. „Das tut mir leid. Ich habe während der Reise mein Telefon verloren. Du weißt ja, wie ich bin.“

„Ist ja auch egal. Ich bin nur froh, dass du endlich hier bist.“

„Aber ich …“ Der besorgte Ausdruck in Reynards Gesicht ließ Rina abrupt verstummen.

„Ich habe schlechte Nachrichten“, sagte Reynard. „Benedict hatte einen Unfall. Alex hat mich gerade angerufen. Gott sei Dank bist du hierhergekommen, das spart uns Zeit.“

„Benedict?“

„Der Idiot.“ Reynard schüttelte den Kopf. „Du weißt ja, wie leichtsinnig er fährt. Es ist auf der Küstenstraße zum Weingut geschehen.“

„Geht es ihm gut?“

„Nein. Wir wissen nicht, wie lange er in dem Wagen eingeklemmt war. Das Notfallteam hat fast eine Stunde gebraucht, um ihn aus dem Wrack zu befreien. Er wird gerade operiert.“

Reynards Stimme versagte, und Rina drückte mitfühlend seine Hand.

„Es geht ihm bestimmt bald wieder besser“, versuchte sie, ihn zu beruhigen, auch wenn in ihr selbst das Chaos tobte. Wie sollte sie Reynard bloß klarmachen, dass sie nicht die Frau war, für die er sie hielt? Benedict war der jüngste Bruder der del Castillos, das wusste sie aus Saras Mails – und ihr war auch bekannt, dass Benedict für das Weingut der Familie zuständig war.

„Ich bin froh, dass du hier bist“, wiederholte Reynard und drückte ihre Hand noch fester.

„Ja, ich auch“, wisperte sie und meinte das auch so. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war eine durchgebrannte Verlobte. Die Wahrheit könnte Rina ihm immer noch in den kommenden Tagen gestehen, wenn Benedict das Schlimmste überstanden hatte.

Während sie mit dem Fahrstuhl nach unten fuhren, schwieg Reynard. Rina spürte, wie besorgt er war, und sie konnte sich vorstellen, wie sie sich fühlen würde, wenn Sara einen Unfall gehabt hätte. Vermutlich wäre sie, Rina, ziemlich kopflos.

Endlich erreichten sie das untere Parkdeck, in dem Reynards Ferrari geparkt war.

Rina war verwirrt. Bisher schien es so, als wäre Reynard del Castillo in allen Punkten ganz nach dem Geschmack ihrer Schwester. Er war groß, attraktiv, und Geld spielte offensichtlich keine Rolle für ihn. Warum also dachte Sara, dass sie einen Fehler beging? Und weshalb musste sie verreisen, um mit sich ins Reine zu kommen? Eigentlich war es gar nicht Saras Art, vor irgendetwas davonzurennen, denn normalerweise stellte sie sich ihren Problemen.

Reynard hielt ihr die Beifahrertür auf, und Rina fand seine altmodische Höflichkeit seltsamerweise sehr attraktiv. Sein gutes Benehmen war allerdings nicht das Einzige, was anziehend an diesem Mann war. Auch die Wärme seines Körpers, die Rina trotz der Klimaanlage spürte, die souveränen Bewegungen, mit denen er das Lenkrad und den Schaltknüppel umfasste, als er aus dem Parkdeck heraus an das strahlend helle Tageslicht fuhr, und nicht zuletzt der dezent maskuline Duft seines Aftershaves waren äußerst ansprechend.

Mit geschlossenen Augen holte Rina tief Luft und genoss die einzelnen Nuancen dieses sinnlichen Duftes. Nur widerwillig öffnete sie die Augen. Das war einfach lächerlich. Sie hatte noch nie zu dem Typ Frau gehört, der sich so einfach vom attraktiven Äußeren und dem Auftreten eines Mannes beeindrucken ließ. Zumal es sich auch noch um den Verlobten ihrer Schwester handelte. Leidenschaftliche Anziehungskraft widersprach Rinas vernünftiger Art. Selbst als sie bereit gewesen war, Jacob das Jawort zu geben, hatte sie sich zu ihrem Verlobten nicht annähernd so hingezogen gefühlt wie zu dem Fremden, der neben ihr saß.

Sie versuchte, diese verstörenden Gedanken beiseitezuschieben. Vermutlich war sie nach all dem, was passiert war, nur übermüdet und emotional unausgeglichen. In dieser Nacht würde sie etwas Schlaf nachholen und Reynard am folgenden Tag die Wahrheit erzählen. Mit einem Mal erschien ihr der nächste Tag noch sehr weit entfernt.

Als sie auf das Krankenhausgelände gefahren waren, stieg Rina schnell aus dem Wagen, bevor Reynard ihr abermals die Tür aufhalten konnte. Dennoch legte er sich ihre Hand auf den Arm, als sie zum Eingangsbereich des Krankenhauses gingen. Es war offensichtlich, warum ihre Schwester sich so schnell in diesen Mann verliebt hatte. Er war genau das, was Rina und Sara stets als den Hauptgewinn bezeichnet hatten. Rina selbst war mit ihren knapp ein Meter siebenundsiebzig nicht gerade klein, doch Reynard überragte sie um beinahe fünfzehn Zentimeter. Außerdem war er von einer Aura sexueller Anziehungskraft umgeben, die eine Frau um den Verstand bringen konnte.

Konzentrier dich, ermahnte Rina sich stumm, als sie den makellos weißen Empfangsbereich der Klinik betraten. Zielstrebig steuerte Reynard auf die Aufzüge zu. Alle Hinweisschilder waren dreisprachig – Spanisch, Französisch und Englisch –, sodass Rina erkannte, dass sie sich auf die chirurgische Station begaben.

Plötzlich wurde sie nervös. Was, wenn ein anderes Familienmitglied ihren Schwindel aufdeckte und sie als Betrügerin entlarvte? Sie bemühte sich, ruhig zu atmen. Warum sollte irgendwer Verdacht schöpfen? Wenn selbst Reynard den Unterschied nicht bemerkte, würde es vermutlich auch kein anderer tun.

Auf der chirurgischen Station führte man sie zu einem privaten Warteraum, in dem sich bereits ein weiterer attraktiver Mann befand, bei dem es sich vermutlich um Reynards älteren Bruder Alexander handelte. Mit einem überaus besorgten Gesichtsausdruck stand er am Fenster und hatte den Arm um eine zierliche Frau gelegt. Obwohl sein Haar dunkler war als das von Reynard, war die Familienähnlichkeit unverkennbar. Sobald Alexander seinen jüngeren Bruder sah, kam er auf ihn zu. Die Zuneigung, welche die del Castillos füreinander empfanden, kam in der langen Umarmung zum Ausdruck.

„Gibt es Neuigkeiten?“, fragte Reynard schließlich und ließ seinen Bruder los.

„Nichts“, erwiderte Alex heiser.

„Der Arzt hat gesagt, dass es ein paar Stunden dauern kann“, warf die Frau leise ein. Jetzt erst schien sie Rina neben der Tür zu bemerken und kam auf sie zu. „Sie müssen Sara sein. Es tut mir so leid, dass wir uns unter diesen Umständen kennenlernen.“

Kennenlernen? Hatte Sara Reynards Familie denn noch nie vorher gesehen?

„Sie ist gerade erst aus Frankreich zurückgekehrt, wo sie Freunde besucht hat. Ich habe ihr noch nicht mal eine kleine Verschnaufpause gegönnt“, erklärte Reynard und zog Rina an seine Seite. „Alex, Loren, das ist Sara Woodville, meine Verlobte.“

„Willkommen in der Familie“, sagte Alex, während er Rinas Hand nahm und sie gleichzeitig auf die Wangen küsste, wie es in Europa üblich war. „Wie Loren schon bemerkt hat: Es ist schade, dass wir uns unter solchen Umständen treffen. Aber ich freue mich für Reynard, dass Sie da sind.“

„Danke schön“, erwiderte Rina, doch bevor sie noch etwas hinzufügen konnte, war draußen im Gang einen Tumult zu vernehmen.

Ein Wortschwall auf Spanisch begleitete den älteren Herrn, der, auf einen hölzernen Gehstock gestützt, in den Raum stürmte. Zweifellos handelte es sich bei ihm um einen weiteren del Castillo. Ihm folgte ein Mann mittleren Alters, der die Anwesenden entschuldigend ansah. „Ich habe ihn im Pflegeheim besucht, um ihm die Neuigkeiten persönlich mitzuteilen, aber dann hat er mir meine Schlüssel weggenommen und versucht, mein Auto zu kapern. Ich habe wirklich versucht, ihn aufzuhalten, Señores, aber er hat einfach nicht auf mich hören wollen“, erklärte er. „Er hat gesagt, dass er selbst fährt, wenn ich ihn nicht bringe.“

„Jetzt reicht es aber!“, rief der weißhaarige Mann aus. „Denkt ihr etwa, ich wäre zu alt, um meine Enkel zu unterstützen, wenn sie meine Hilfe brauchen?“

„Kein Grund zur Sorge, Javier, wir passen auf Abuelo auf. Vielleicht könnten Sie mal nach einem anständigen Kaffee für uns alle Ausschau halten?“, schlug Reynard vor, während er seinen Großvater vorsichtig am Arm fasste.

„Wie Sie alle ihn trinken, weiß ich ja“, erwiderte Javier. „Aber wie mögen Sie Ihren Kaffee, Señorita?“

„Kräftig und mit Milch, danke schön“, entgegnete Rina lächelnd.

„Wo sind eigentlich deine Manieren?“, schalt der alte Mann seinen Enkel. „Wer ist diese junge Dame?“

Der durchdringende Blick, mit dem der alte del Castillo Rina musterte, strafte seine zittrige Stimme Lügen. Für einen Augenblick befürchtete Rina, dass er sie durchschaute.

„Das ist Sara Woodville, meine Verlobte“, entgegnete Reynard sanft.

„Das wurde ja auch Zeit, dass sie...