Wissenschaftliche Perspektiven auf Musik und Medien

von: Stefan Weinacht, Helmut Scherer

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2008

ISBN: 9783531908595 , 220 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: DRM

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Preis: 42,25 EUR

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Wissenschaftliche Perspektiven auf Musik und Medien


 

„Musik und Medien auf dem Weg aus dem Niemandsland der Disziplinen (S. 7)

Stefan Weinacht und Helmut Scherer

1 Das lange ungeliebte Thema

„Musik und Medien scheint sich als Thema sowohl für die Kommunikationswissenschaft als auch für die Musikwissenschaft geradezu aufzudrängen. Musik spielt für die Medien ganz offensichtlich eine überragende Rolle. Dies gilt für den Hörfunk, fürs Fernsehen, für die Printmedien, aber auch für das Internet. Im Hörfunk ist Musik der hauptsächliche Medieninhalt. Die Dominanz der Musik im Hörfunk geht vielen Medienkritikern sogar zu weit.

Häufig werden mehr Informationen gefordert, und das böse Wort vom Dudelfunk macht die Runde. Im Fernsehen nimmt Musik vielfältige Funktionen ein. Sie kann der hauptsächliche Programminhalt sein, sie dient als Hintergrund, sie überbrückt Pausen, und sie wird zur Untermalung und Intensivierung der visuellen Inhalte eingesetzt. Musik-Events und Musiker bieten oft den Anlass für Boulevard-Geschichten.

Auf solche Inhalte greifen auch Printmedien gerne zurück. Stars aus der Musikwelt mit ihrem gelegentlich exzessiven Lebensstil bieten reichhaltig Stoff für die bunten Seiten, für Boulevard-Zeitungen und People Magazine. Viele Zeitschriften enthalten überdies CD-Tipps. Auch im Internet spielen musikbezogene Inhalte und Musik eine zentrale Rolle. Auf speziellen Seiten tauschen sich Fans aus, Musiker haben ihre eigenen Homepages. Man kann im Internet Musik tauschen oder erwerben.

Diese Aufzählung sollte auch deutlich machen, welche Rolle umgekehrt die Medien für den Musikbereich spielen. Der weitaus größte Teil der Musikrezeption ist medienvermittelt. Die Medien haben auch deshalb eine überragende ökonomische Bedeutung für den Musikmarkt. Zum einen dienen die Medien als zentrale Marketing-Plattform für Musik, zum anderen stellen sie selbst einen wichtigen Bestandteil der Wertschöpfungskette dar.

Dadurch haben die Medien einen enormen Einfluss auf die Produktionsbedingungen von Musik. Das Radiodiktat der Drei-Minuten-Songs beherrscht bis heute die Single-Produktion. Die technischen Anforderungen der medialen Verbreitung wirken sich auf die Wahl der Aufnahmequalität als Mindeststandard aus.

Das Aufkommen audiovisueller Medien hat nicht nur die Integration des visuellen Kommunikationskanals in Musikaufnahmen erfordert und dadurch eigene Kunstformen wie das Musikvideo gefördert. Es hat auch den Künstler in seiner Selbstdarstellung und Vermarktung vor neue Anforderungen hinsichtlich Attraktivität und Spektakel seiner Darbietungen gestellt.

Häufig sind die Reaktionen von Medienvertretern ein wichtiger Früh-Indikator für den Künstler zur Frage: Was kommt an, was nicht? Die Medien sind nicht in der Lage, die ganze Breite des Musikangebots abzubilden. Deshalb wird ausgewählt, welche Künstler mit welchen Stücken im Programm stattfinden.

Die Medien wählen aber auch aus, welche Passagen der Stücke eines Künstlers den Weg zum Massenpublikum finden, sei es nun in der Übertragung klassischer Werke, deren Gesamtdauer in der Regel jedes mediale Format überschreitet, oder noch verschärft in der Verwendung als Hintergrundmusik für redaktionelle Beiträge oder Werbespots, die in der Regel lediglich Verwendung für ein paar Takte finden.

Die jüngste Form medialer Vermittlung von Musik, der Klingelton, hat diese Entwicklung vorerst auf die Spitze getrieben. Sie wäre nicht erwähnenswert, würde sich nicht jede dieser medialtechnischen Entwicklungen wie bereits erwähnt auf die Produktion von Musik in Form von spezialisierten Anfertigungen, den damit einhergehenden Unternehmensgründungen und den dadurch veränderten Akteurskonstellationen am Musikmarkt insgesamt auswirken.