Medienkultur und soziales Handeln

von: Tanja Thomas

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2008

ISBN: 9783531908984 , 315 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: DRM

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Preis: 26,96 EUR

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Medienkultur und soziales Handeln


 

Medienkultur und Soziales Handeln: Begriffsarbeiten zur Theorieentwicklung (S. 17)

Tanja Thomas &, Friedrich Krotz

„Wen sollte das eigentlich mehr fordern als die Kommunikationswissenschaft selbst?", fragen Imhof et al. (2004: 11) angesichts eines „Imperialismus" der Medien- und Informationsbegrifflichkeiten in allen Makrotheorien. Ist der Begriff „Medienkultur" dann lediglich ein paradigmatischer Ausdruck jener hier diagnostizierten Vorherrschaft, deren Legitimität oder Illegitimität zu prüfen wäre?

Ist die häufig konstatierte „Mediengesellschaft" als konkurrierende oder vielleicht doch auch einander wechselseitig konturierende Begriffsalternative ein produktiver Referenzpunkt einer Auseinandersetzung mit „Medienkultur"? Welche Dimensionen erfassen vorliegende Konzepte des Begriffs „Medienkultur"? Und schließlich: Welche wissenschaftstheoretischen und gesellschaftsdiagnostischen Erwartungen können wir formulieren, welche Potenziale birgt „Medienkultur" als Reflexionsbegriff?

Der vorliegende Text kann keine abschließenden Antworten auf all diese vielschichtigen Fragen liefern, zur begrifflichen Schärfung jedoch wird er einen Beitrag leisten. Derzeit lässt sich den Begriffen „Medienkultur" und „Mediengesellschaft" eher der Wert von Zeitdiagnosen zuschreiben als der grundlegender theoretisch fundierter Konzepte, auf die wissenschaftliche Diskurse aufbauen können. Unseren Ausgangspunkt bildet deshalb die Reflexion der beiden Begriffe, die aus ganz unterschiedlichen wissenschaftlichen Traditionen stammen.

Erhellend ist in diesem Zusammenhang auch die prinzipielle Betrachtung der Konjunkturen gesellschaftlicher Makroperspektiven. Vor diesem Hintergrund rekonstruieren wir Verwendungsweisen dieser beiden Begriffe, die damit übrigens auch selbst als (Kampf-)Feld wissenschaftlicher Auseinandersetzung und Positionierung erkennbar werden.

Dies erlaubt es, den Begriff der „Medienkultur" neben „Mediengesellschaft" zu konturieren und zu begründen, weshalb wir dieses bisher in der Kommunikationswissenschaft kaum ausreichend reflektierte Konzept in den Vordergrund unserer weiterführenden Überlegungen stellen. In diesem Zusammenhang entstehen dann zwei weiterführende Fragen:

Erstens ist zu diskutieren, wie man den statischen Begriff der Medienkultur prozessual fassen kann, um den im Kontext des Wandels der Medien gerade heute nicht ignorierbaren Prozesscharakter kenntlich, fruchtbar und zugänglich zu machen.

In diesem Sinne führen wir den Begriff der Mediatisierung ein. Mediatisierung thematisiert insbesondere den Wandel gesamtgesellschaftlicher, zugleich aber auch individueller medialer Potenziale und darauf bezogener Kommunikationspraktiken auf unterschiedlichen Ebenen.

Die damit zusammenhängenden Folgen für Alltag und Lebensbereiche, Wissensbestände, Identität und Beziehungen der Menschen sowie für Kultur und Gesellschaft werden auch in dem vorliegenden Band sichtbar gemacht: Einige Texte beleuchten exemplarisch Bereiche des Alltagslebens, in denen Medien- und Alltagserfahrungen zu jenen Weisen verknüpft sind, in denen Konsum, Körper und Schönheit, Paar- und Geschlechterbeziehungen, Freundschaften, Spiel, politische Partizipation oder Religion/Glaube erlebt und gestaltet werden.

Zweitens wirft der Versuch eines Zusammendenkens von Mediengesellschaft und Medienkultur die Frage nach ihren gemeinsamen Grundlagen auf – dies verlangt eine Auseinandersetzung mit dem Begriff des sozialen bzw. kommunikativen Handelns, weil alle soziale und kulturelle Wirklichkeit letztlich durch die Menschen produziert wird.

Das Verhältnis von Medienkultur und sozialem Handeln ist schon deshalb komplex, weil auch diese beiden Begriffe vor unterschiedlichen Hintergründen entstanden sind und auch unterschiedlich genau kodifiziert sind: Während „Medienkultur" als vergleichsweise neuer Begriff kulturwissenschaftlich fundiert ist, ist „soziales Handeln" in der Soziologie beheimatet.

Da Mediengebrauch u.E. zutreffend als „kulturelles Handeln im Alltag und für den Alltag" (Weiß 2003: 25) beschrieben werden kann, präzisieren wir schließlich unser Verständnis von „Alltag" im Zusammenhang mit dem entwickelten Verständnis von Medienkultur. Als Modus sozialen Handelns kann „Alltag" als Bezugsrahmen beschrieben werden, in dem die Menschen unter ihren Lebensbedingungen Wandlungsprozesse bewältigen.