Honor Harrington: Das Mesa-Komplott - Bd. 29

von: David Weber

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2013

ISBN: 9783838726649 , 416 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 9,99 EUR

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Honor Harrington: Das Mesa-Komplott - Bd. 29


 

Kapitel 1


Flottenadmiral Massimo Filareta stand an Deck von SLNS Philip Oppenheimer. Er hatte seine bevorzugte Denkerpose eingenommen: Breitbeinig stand er da, die Hände tief in den Taschen vergraben, die Stirn in Falten gelegt. Er studierte die Details in der schematischen Darstellung des vor ihm liegenden Sonnensystems. Im Augenblick zeigte diese die beiden Komponenten des Doppelsternsystems von Manticore. Die zweite Komponente allerdings interessierte den Admiral nicht sonderlich. Noch nicht.

John dürfte wohl recht haben, sinnierte er. Vor allem seit den Ereignissen von Februar müssen die Mantys doch damit rechnen, dass ein plötzlich auftauchender Gegner Sphinx oder Manticore angreift! Also werden die dort ihre Flotte massieren. Auch der Großteil dessen, was ihnen an Systemverteidigungsraketen geblieben ist, wird zu deren Schutz aufgestellt sein. Die Mantys können es sich nicht leisten, auch nur einen Planeten ihres Heimatsystems zu verlieren. Aber notfalls ließe sich auf Gryphon sicher eher verzichten als auf Manticore oder Sphinx. Die Mantys wissen auch, welche Folgen es hätte, sich zu weit aufzuteilen …

Filareta verzog das Gesicht. Die Vorstellung, zuerst Gryphon anzugreifen – und damit den schwächsten Punkt in der Manty-Verteidigung –, war reizvoll. Man könnte auf diese Weise sozusagen mit einem Zeh prüfen, wie kalt das Wasser wirklich war: Denn für einen Angriff auf Gryphon müsste sich Filareta nicht übermäßig tief hinein in manticoranisches Territorium wagen. Militärisch kühn war das nicht. Andererseits galt Kühnheit, vor allem aber Tollkühnheit bei Flottenoffizieren als verzichtbar. Meist verhielt sich nämlich nur der so, der nach Strich und Faden Mist gebaut hatte und mit allen Mitteln versuchen musste, doch noch seinen Hals zu retten. Zudem musste sich Filareta eingestehen, dass er sich am falschen Ende des technischen Ungleichgewichts befand. Kalte Logik sprach daher für folgende Vorgehensweise: ein Zielobjekt einzunehmen, das die Mantys unbedingt würden zurückerobern müssen. Damit wären sie gezwungen, mit Filareta zu seinen Bedingungen zu kämpfen. So hätte er den Gegner im Sack, vor allem, wenn die Systemverteidigungsraketen der Mantys tatsächlich von Gondeln aus zum Einsatz gebracht wurden. Gondeln nämlich waren nichts anderes als ortsfeste Abwehranlagen, und nur mit ihrem Verteidigungssystem hätten die Mantys der mit einer gewaltigen Übermacht angerückten Liga etwas entgegenzusetzen.

Bedauerlicherweise lauteten Filaretas Befehle jedoch, sich umgehend der Hauptwelt des Sternenimperiums zu widmen. Also musste er Manticore-A angreifen.

Soweit meine Befehle. Nur sind die, die mir diese Befehle erteilt haben, jetzt nicht hier – ich aber schon. Wozu sich vormachen, ich würde meine Befehle nicht augenblicklich, nun … modifizieren, wenn ich der Ansicht wäre, das würde einen Unterschied machen!

Er verkniff sich ein abschätziges Schnauben. Ihm ging der Gedanke nicht aus dem Kopf, ob seine Vorgesetzten – seine offiziellen Vorgesetzten, nicht Manpower – ihn gerade deswegen für diese Mission ausgewählt hatten: weil er ihre Befehle lediglich als Vorschläge erachten würde, wenn es hart auf hart käme. Filareta hoffte darauf. Denn er hatte bereits beschlossen, so und nicht anders zu verfahren.

Sicher hatte auch Manpower gute Gründe, ausgerechnet mich hierherzuschicken. Nur werde ich den Teufel tun, für die noch so einen fantastischen Crandall-Triumph einzufahren! Sollte Rajampets genialer Einfall wirklich eine gute Idee sein – bitte, auch schön! Aber wenn nicht … Tja, tut mir furchtbar leid, Manpower, aber dann machen wir uns sofort vom Acker!

Filareta verspürte keine große Lust, darüber nachzudenken, wie seine ›Sponsoren‹ es wohl aufnähmen, wenn er sie enttäuschte. Aber er hatte noch viel weniger Lust, darüber nachzudenken, ob es eine bessere Idee war, ein paar Millionen Solarier in den Tod zu schicken – darunter auch einen gewissen Massimo Filareta.

»Also gut«, sagte er und wandte schließlich den Blick vom Display ab. »Noch jemand mit einer Eingebung in letzter Sekunde? Einem Katalog von Dingen, über die wir nachdenken sollten, bevor wir uns alle ein wenig aufs Ohr hauen?« Er lächelte dünn, zog eine Hand aus der Tasche und deutete auf das Chronometer, das stetig rückwärts zählte, um anzuzeigen, wann die Elfte Flotte wieder die Alpha-Transition zurück in den Normalraum durchführen sollte. »Immerhin haben wir noch ganze zehn Stunden Zeit, uns die Köpfe zu zerbrechen!«

Das rief die Erheiterung hervor, auf die Filareta gehofft hatte. Natürlich schwang darin unverkennbar Nervosität mit. Doch das ließ sich ja kaum vermeiden. Viel wichtiger aber: Etwas wie … nun, ja doch: Zuversicht schwang mit. Oder zumindest spürte Filareta bei seinen Untergebenen deutlich mehr Zuversicht als Angst oder Panik. Das war natürlich nicht zuletzt den Simulationen zu verdanken, in denen während der langen Überfahrt der Umgang mit den neuen Raketen trainiert worden war. Die Frage, woher diese Raketen eigentlich stammten, beschäftigte Filareta immer noch, oder besser: warum man sie ihm zur Verfügung gestellt hatte. Aber auf die Kampfkraft der Elften Flotte wirkte sich dieses unverhoffte Geschenk positiv aus – keine Frage! Filaretas vorsichtigen Schätzungen nach hatten allein schon die Gondeln die Schlagkraft seines Schlachtwalls in etwa verdreifacht. Unter der Voraussetzung, zwischen der Aktivierung der Antriebe eine hinreichend lange ballistische Phase einzulegen, erreichten selbst die aus den Werfern abgefeuerten Raketen nun eine Reichweite, die weit über das hinausging, womit Filaretas Feuerleitsysteme noch zurechtkamen. Das musste, es ging gar nicht anders, den Reichweitenunterschied doch ausgleichen!

»Ernsthaft jetzt«, fuhr Filareta fort und ließ das Lächeln auf seinem Gesicht wieder verschwinden, »die Initiative haben jetzt wir! Falls wirklich noch jemand eine Eingebung in letzter Sekunde hat, können wir den Einsatz lange genug aufschieben, um diese Eingebung zu durchdenken!«

Der Reihe nach blickte er seinen Stab und deren Adjutanten an, ernste Gesichter überall. Doch überall wurde sein Blick fest erwidert, desgleichen bei den Kommandeuren seiner Kampfverbände und Geschwader, deren Gesichter auf der Displaywand zu sehen waren. Einige wenige wirkten angespannt, doch niemand beunruhigt. Der Flottenadmiral nickte.

»Gut! Dann, John«, er wandte sich an Admiral Burrows, »gehen wir noch einmal die wichtigsten Punkte durch!«

»Selbstverständlich, Sir.«

Der untersetzte Stabschef erhob sich und trat an das Pult am Kopfende des Stabsbesprechungsraums heran. Normalerweise wäre Burrows für derartige Erklärungen auf seinem üblichen Platz sitzen geblieben. Doch heute war kein normaler Tag – und das wusste jeder hier, ob nun persönlich oder über Display zugeschaltet.

»Die Astrographie des Systems ist der Schlüssel zu unserem Plan«, begann er förmlich und gab währenddessen einige Befehle ein. Sofort zoomte das Holo-Display auf Manticore-A und die zugehörigen Planeten. »Genauer gesagt die aktuelle Position des Planeten Sphinx.« Ein weiterer Befehl, und um den G0-Stern herum erschien eine bernsteinfarbene Sphäre mit einem Radius von zweiundzwanzig Lichtminuten. »Wie Sie sehen können, bedeutet die Position von Sphinx für uns vor allem, dass …«

»Na, besser spät als nie, wie man so schön sagt!« Commodore Mercedes Brigham verzog das Gesicht. »Nicht, dass ich mich nicht über dieses Mehr an Vorbereitungszeit gefreut hätte! Aber man sollte doch annehmen, selbst Sollys wären in der Lage, ihren eigenen Einsatzplan mehr oder minder genau einzuhalten – wenigstens plus/minus ein paar Tage.«

»Na, na!«, schalt Honor ihre Stabschefin milde und betrachtete dabei die vorläufige Lageanalyse der OPZ. »Auch uns, Mercedes, ist es hin und wieder schon passiert, dass wir Einsatzpläne über den Haufen werfen mussten!«

»Wohl wahr, Hoheit«, stimmte Rafael Cardones zu. Honors Flaggkommandant hatte hinter ihr gestanden und den Flaggbrückenplot studiert. Jetzt aber hob er den Blick und sah die Stabschefin an. »Nun, es mag unverfroren von mir sein, Commodore, es in Worte zu fassen, aber momentan heißt es: Bühne frei für die Laienspieltruppe! Wir haben es hier mit der Schlachtflotte der Sollys zu tun, schon vergessen? Die von der Grenzflotte mögen ja fähig sein, ihren eignen Hintern zu finden, wenn sie für die Suche beide Hände benutzen dürfen – aber diese Gestalten da draußen?« Cardones schüttelte den Kopf. »Die sitzen doch nur auf der Bank, während die Grenzflotte die ganze Arbeit macht! Denken Sie doch nur an die Kinderkram-Simulationen, die Lady Gold Peak in deren Computern gefunden hat, Commodore! Dass jemand, der bislang keinerlei Einsatzerfahrung hat, aber eine schlichtweg miserable Doktrin fährt, seinen Zeitplan beinahe einhält, grenzt an ein Wunder!« Cardones lächelte säuerlich. »Um ehrlich zu sein, komme ich gar nicht darüber hinweg, dass die Solly-Superdreadnoughts es überhaupt bis nach hier draußen geschafft haben! Das hätte ich deren Maschinenraumhamstern gar nicht zugetraut!«

Unwillkürlich zuckten Honors Mundwinkel. Trotzdem warf sie Cardones einen strafenden Blick zu.

»Das mag ja wirklich eine Laienspieltruppe sein, Rafe, trotzdem: Vielleicht stehen die Sollys doch schon kurz davor, bei den Großen mitspielen zu können. Schließlich hatten sie deutlich Anreize dafür, ihre Ausbildungsstandards zu … überdenken. Andererseits, Mercedes«, Honor blickte die ältere Frau an, »muss ich Rafe recht geben: Für jemanden ohne echte...