Versprechen der Ewigkeit

von: Kresley Cole

LYX, 2013

ISBN: 9783802591679 , 450 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 9,99 EUR

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Versprechen der Ewigkeit


 

Prolog

Hört alle zu! Lauscht dieser Erzählung, der Legende von Aidan dem Grimmigen und Reginleit der Strahlenden, einem Liebespaar, vom Schicksal verbunden und verflucht.

Auch ihre Geschichte beginnt, wie so viele Sagen, mit einer vorherbestimmten Begegnung – eine Unsterbliche, die den Tod niemals kennenlernen würde, trifft auf einen abgestumpften Sterblichen, der nur aus einem Grund lebt: um zu töten.

Ihre Geschichte handelt von Kummer und Leid und soll euch eine Warnung sein. Gebt acht und hört gut zu …

Die Nordlande

In einem längst vergessenen Zeitalter

»Das hier nennt man wohl eine Orgie«, murmelte Reginleit, als zwei Krieger sie in die Methalle des berühmt-berüchtigten Kriegsherrn Aidan des Grimmigen führten.

In der Tat spielte sich vor Regin, die ganze zwölf Jahre alt war und das Paradies Walhalla erst vor Kurzem verlassen hatte, ein unglaubliches Spektakel ab.

Während ihre Wachen und sie sich durch das Gewühl von Hunderten von Berserkern schlängelten, starrte sie mit offenem Mund auf volltrunkene Krieger, die mit nichts als einem Lendentuch bekleidet gegeneinander kämpften, während halb nackte Huren Bier und Platten voller Fleisch servierten … und noch so manches andere Bedürfnis befriedigten.

Zum Glück verbarg Regins Vermummung ihre Miene – und das Leuchten, das sie umgab. Sie überprüfte ihren Umhang noch einmal mit behandschuhten Händen. Die Kapuze war groß und reichte ihr tief ins Gesicht.

Im Licht der lodernden Feuerstellen, deren Rauch zum strohgedeckten Dach emporstieg, beobachtete sie die Menschen, die einander küssten und begrapschten und sich Tätigkeiten hingaben, für die ihr junger Geist noch keine Bezeichnung kannte.

Doch niemand in diesem Feldlager lachte. Es war keine fröhliche Musik zu hören. Obwohl sie am heutigen Tage einen blutigen Sieg errungen hatten – von den Klippen über dem Schlachtfeld hatte sie ihren Zusammenstoß mit einer Armee von Vampiren beobachtet –, schienen all diese Krieger hier vor Wut zu kochen. Fast knurrten sie – ganz ähnlich wie die Bären, die diese Sterblichen verehrten.

Sämtliche Wände waren mit Bärenköpfen mit grässlichen Fängen verziert, Wikingerzeichnungen von wilden, rasenden Bären schmückten Balken und Türen.

Offensichtlich entsprach alles der Wahrheit, was sie je über die unzivilisierten Berserker gehört hatte. Ihre Lieblingshalbschwester Lucia hatte ihr einmal erzählt: »Berserker sind grimmig, gierig und besitzergreifend. Sie geraten völlig außer sich, wenn sie etwas verlieren, das ihnen gehört. Sie sind von zwei Dingen besessen: Krieg und Sex, und sie denken an nichts anderes. Selbst unsere älteren Schwestern meiden sie.«

Regin hatte gewusst, welches Risiko sie einging, als sie hierherkam, aber sie verspürte keine Angst. Lucia war es auch gewesen, die ihr dazu einmal gesagt hatte: »Manchmal glaube ich, du verfügst einfach nicht über genug Vernunft, um dich zu fürchten, wenn du dich fürchten solltest.« Regin hatte das folgendermaßen interpretiert: »Du verspürst keinerlei Angst, oh du erhabene Reginleit.«

Ganz davon abgesehen hatte sie keine andere Wahl. Sie brauchte die Hilfe dieser Sterblichen. Sie hatte kein Pferd und war vor ein paar Tagen mit knapper Not einem Hinterhalt der Vampire entkommen. Ihr Bauch war leer, und die Schalen voller Eintopf und das Wildbret auf den voll beladenen Tischen ließen ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Außerdem war Lucia in Gefahr.

Sobald sie sich wieder an den eigentlichen Zweck ihres Hierseins erinnerte, straffte sie die Schultern. Da die Berserker die Wachen ihres Vaters waren, war es doch sicherlich auch deren Pflicht, ihr zu dienen. Sollte ihr hier jedoch jemand Ärger machen wollen, würde sie nicht zögern, das lange Schwert einzusetzen, das sie in einer Scheide quer über ihrem Rücken trug, oder auch ihre Klauen, die, verborgen in den langen Ärmeln ihres Gewandes, aus Schlitzen in ihren Handschuhen herausragten.

Zwei beinahe nackte Krieger, die einander in tödlicher Umarmung umklammert hielten, taumelten an ihr vorbei. Überall um sie herum wurde gekämpft – Streitigkeiten wegen Weibern, Wein und Waffen. Schon beim geringsten Anlass verfielen diese Männer in ihre Berserkerwut, mit leuchtenden Augen und schwellenden Muskeln.

Wie passend, dass dieses Feldlager gleich an der Grenze zu einem Kriegsgebiet errichtet worden war. Seit vielen Jahrzehnten verteidigten die Berserker diesen strategisch bedeutsamen Pass gegen eine unsterbliche Bedrohung und beschützten damit die Dörfer, die in dem Tal darunter lagen. Sie begann zu begreifen, dass es ein Segen war, wenn diese Männer hier an vorderster Front blieben – und sich der Zivilisation fernhielten.

Als sie sich nun mit ihren Wachen immer tiefer in die Halle hineinbegab, blieb Regin mit einem Mal abrupt stehen. Nur wenige Meter vor ihr auf dem Podest saß der Mann auf dem Thron, den sie vorhin im ungestümen Kampfgetümmel entdeckt und hingebungsvoll beobachtet hatte.

Angesichts der unübertroffenen Geschwindigkeit und Kraft, mit der er seine Streitaxt geschwungen hatte, war sie davon ausgegangen, dass er ihr Anführer war: Aidan.

Auf der Lehne seines Throns saß eine dralle Brünette, die ihm einen gefüllten Krug darbot und etwas ins Ohr flüsterte. Die Magd blickte ihn voller Erregung an, ihre Atmung war flach. Hält sie den Kriegsherrn für gut aussehend? Regin musterte ihn. Da sind wir beide uns einig.

Er hatte breite Schultern und muskulöse Arme und war insgesamt so kräftig gebaut wie ein Bär. Sein blondes Haar war dicht, und einige Strähnen waren zu wirren Zöpfen geflochten, sodass sie ihm nicht ständig ins Gesicht fielen. Er besaß noch all seine Zähne, und sie waren weiß und ebenmäßig. Seine von der Sonne gebräunte Haut ließ die wintergrauen Augen besonders hervorstechen.

Als er sich während des Kampfes seiner Berserkerwut hingegeben hatte, hatten diese Augen wie vom Blitz zerrissene Gewitterwolken geleuchtet.

Jetzt zog er die Frau auf seinen Schoß, zweifellos in der Absicht, sich dem liederlichen Treiben um ihn herum anzuschließen. Und siehe da, schon legt er los … Er löste die Schnüre ihres stramm sitzenden Mieders.

»Mein Herr, haltet kurz ein«, beeilte sich eine der Wachen zu sagen. Um den Kriegsherren aufzuhalten, ehe es zu spät war?

»Was ist?« Aidan sah nicht einmal auf und ließ sich nicht davon abhalten, weiter die ausladenden Brüste der Frau freizulegen. Sobald er ihr Mieder gelockert hatte, schob er seine große Hand hinein, um eine davon zu umfassen.

»Dieser Junge verlangte danach, Euch zu sehen.«

Junge. Männer nahmen stets an, sie wäre einer von ihnen, nur weil sie Hosen trug und ein Schwert mit sich führte.

Aidan wandte sich um, bis sein Blick auf Regin fiel. »Wer bist du?«, fragte er mit tiefer, donnernder Stimme. Augenblicklich verlangsamten sich die ungestümen Raufereien in der ganzen Halle, und die Männer ließen sich von den Huren ablenken.

»Ich bin ein müder Reisender und brauche Hilfe«, antwortete sie aufrichtig.

Bei ihren Worten zogen sich seine Brauen zusammen. »Deine Stimme klingt … vertraut.« Er zog die Hand aus dem Mieder der Frau und setzte sich aufrecht hin. Seine Haltung drückte eine gewisse Anspannung aus, als ob allein schon ihre Stimme ihn nervös gemacht hätte. »Auch wenn dein Akzent fremd ist.«

»Eure Sprache ist nicht meine Muttersprache.« Das war die uralte Sprache der Unsterblichen. Seine Sprache, das Altnordische, war ihre erste Fremdsprache.

»Tritt näher.«

Auch wenn es ihr widerstrebte, Befehle von einem Sterblichen zu befolgen, trat Regin vor.

Sein Blick war wachsam, prüfend. Sie war sich dessen bewusst, dass er sie von Kopf bis Fuß eingehend musterte: ihren Gang, den ungewöhnlich kostbaren Stoff ihres Umhangs, die goldene Brosche, die ihre Kapuze fixierte.

Die Magd versuchte, seine Aufmerksamkeit erneut auf sich zu lenken, indem sie ihm die Hand ans Gesicht legte, aber Aidan wischte sie einfach fort. Als sie sich daraufhin aufreizend auf seinem Schoß bewegte, sah er sie finster an und zischte ihr etwas ins Ohr, woraufhin sie ein beleidigtes Schnauben ausstieß und davonstolzierte. Dennoch warf sie einen sehnsüchtigen Blick über die Schulter hinweg zurück.

Aus irgendeinem Grund war Regin froh, dass Aidan die vollbusige Brünette fortgeschickt hatte. Vermutlich war sie einfach nur erleichtert, da er ihr jetzt mit Sicherheit seine volle Aufmerksamkeit schenkte. »Ich sah Euch heute auf dem Schlachtfeld, Kriegsherr. Ihr habt gut gekämpft.« Wie immer sprach sie einfach jeden Gedanken aus, der ihr gerade in den Sinn kam. Gleich darauf schossen ihr wieder einmal Lucias Worte durch den Kopf: Du musst wirklich lernen, den Mund zu halten. Du würdest sogar die Geduld eines Gletschers auf die Probe stellen.

Er beugte sich vor. »Wir sind Berserker, Junge – wir kämpfen alle gut.«

Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Sie zeigte mit dem Daumen auf einen jungen, schwarzhaarigen Mann, der an Aidans rechter Seite saß. »Er nicht. Er vernachlässigt seine Deckung.« Halt die Klappe, Regin!

Auf einen Moment verblüfften Schweigens folgte leises Lachen hier und da. Sogar Aidan grinste, auch wenn ihn seine Reaktion selbst zu erstaunen schien.

Der Mann, den sie beleidigt hatte, sprang auf die Füße und kam mit zusammengekniffenen Augen auf sie...