Feuer - Tödliches Verlangen - Feuer 1

von: Coreene Callahan

Heyne, 2013

ISBN: 9783641104115 , 512 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 9,99 EUR

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Feuer - Tödliches Verlangen - Feuer 1


 

1

Die Blitzlichter des Stroboskops hämmerten mit voller Kraft. Bastian kniff die Augen zusammen, ließ den Blick über die Tanzfläche schweifen und musterte die halb nackten Körper, die sich in knappen Röcken im Rhythmus des Hardcore-Technos wanden. Sein geübtes Auge schnappte die verschiedensten Spuren auf, das sanfte Leuchten weiblicher Energie, das in den dunklen Ecken pulsierte. Er kippte noch ein Glas Blue Label runter.

Der Whiskey rann ihm durch die Kehle wie Samt. Seine Laune war anderer Natur.

»Irgendwas entdeckt?« Rikar glitt ihm gegenüber in die Nische.

»Hast du denn was erwartet?« Er sah seinen Freund an und bemerkte den Glanz in Rikars hellen Augen. Das irisierende Leuchten konnte nur eines bedeuten. Sein Freund hatte seinen Hunger gestillt, sich mit einer willigen menschlichen Frau in einer dunklen Ecke des Clubs Erleichterung verschafft. Bastian war nicht überrascht. Die Frauen standen auf Drachenblut, und sein oberster Befehlshaber blieb nie lange allein.

Rikar griff nach seinem Bier und nahm einen langen Zug aus der Flasche. »Such dir eine aus und bring’s hinter dich, verdammte Scheiße.«

Wenn es nur so einfach wäre. In der Abgeschiedenheit ihres Hauptquartiers war er von seiner Entscheidung – und der Richtigkeit der Überlegung, die dahintersteckte – vollkommen überzeugt gewesen. Jetzt, eingehüllt vom Dröhnen der Bässe und dem Duft parfümierter Frauenkörper, fragte Bastian sich, was ihn da eigentlich geritten hatte. Es war nicht so, dass er keine Frau wollte. Verdammt, er genoss die Zweisamkeit mindestens genauso wie seine Waffenbrüder, aber der Gedanke, sich mit einer von ihnen zu paaren, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. »Ich habe noch Zeit.«

Sein Freund sah ihn belustigt an. »Du hast nicht mal mehr eine Woche.«

»Hör auf, Rikar.«

»Hey, dieser Wahnsinnsplan stammt von dir, nicht von mir.«

Wahnsinn. Das brachte es ziemlich genau auf den Punkt. Aber das spielte keine Rolle. Ihm waren die Hände gebunden. Der Krieg dauerte jetzt schon so lange an, dass Bastian aufgehört hatte, die Opfer zu zählen. Jahrhunderte gefallener Kameraden, Jahrhunderte der Jagd. Und des Gejagtwerdens. Es würde niemals aufhören. Ein sauberer Sieg für eine Seite war nicht mehr möglich. Jetzt, da nur noch eine Handvoll Kriegerdrachen am Leben war, blieb ihnen keine andere Möglichkeit, als ihre Reihen wieder aufzustocken … und das bedeutete, die nächste Generation zu zeugen.

Die Vorstellung lag ihm wie ein Stein im Magen. Seine Sehnsucht nach einer Partnerin war ungefähr so groß wie die nach einem Kopfschuss, aber er musste mit gutem Beispiel vorangehen: sich als Erster binden, einen Sohn zeugen, seine Frau im Kindbett verlieren.

Bastian ließ das Eis in seinem Glas kreisen. Großer Gott. Er wusste noch nicht einmal, wie sie aussah, und doch trauerte er bereits um sie. Bedauerte schon jetzt, dass er dieses Leben nehmen würde. Es war kein Mord. Nicht im eigentlichen Sinne. Niemals würde er einer Frau etwas antun wollen, doch das änderte nichts an seiner Pflicht. Um seine Art zu retten, musste er sich fortpflanzen, und keine Frau überlebte die Geburt eines Drachenblütigen.

»Du denkst zu viel nach, Bas. Dem Drachenblut geht es gut.« Sein eisiger Blick glitt über die Szenerie, bevor er wieder zu ihm zurückkehrte. In seinen Augen erkannte Bastian beides; Tadel und Wahrheit. Genau wie er selbst wusste Rikar, dass es keinen anderen Weg gab. »Du solltest dich nähren. Das vertreibt die schlechte Laune.«

Zweifellos, doch der Vorschlag hinterließ einen schalen Geschmack in Bastians Mund. Er gab Hunger und Verlangen nur nach, wenn sie unerträglich wurden. Vielleicht war es töricht, aber trotz seiner Art gefiel es ihm nicht, sich zu nehmen, was ihm nicht gehörte. Keine Frau hatte es verdient, dass man sie benutzte und ihr Gedächtnis löschte. Zudem reichte ihm das niedrige Energielevel im Club ohnehin nicht. Als einer der Ältesten seiner Art brauchte er eine Frau, die in der Lage war, reine Kraft aus dem Meridian zu ziehen, um ihn zu nähren.

Elektrostatischer Strom hielt die Angehörigen des Drachenblutes am Leben – ein rein männliches Volk, geboren von menschlichen Frauen. Ohne den Energieaustausch würde sein Volk verhungern. Und der einzige Weg zur Quelle war die Nähe einer Frau. Eine Nähe, bei der sich Körper aneinanderrieben und Haut auf Haut traf. Nicht, dass sich jemals eine beschwert hätte. Nach mehr gebettelt? Immer. Nicht ein einziges Mal in all den Jahren hatte ihn eine zurückgewiesen. Selbst jetzt sahen die Frauen in der Nähe zu ihm herüber, warteten auf das leiseste Zeichen der Ermutigung.

Normalerweise nahm er die Angebote an. Doch nicht heute Nacht.

Heute Nacht ging es um seine Rolle als Anführer. Darum, seinen Kriegern zu zeigen, dass man für das Wohl des Clans Opfer bringen musste.

Noch einmal scannte Bastian den Club. Die Tänzer gaben sich der Musik hin, bildeten Zweier- und Dreiergruppen, die Röcke der Frauen rutschten immer höher, und Männerhände machten so viel Boden gut, wie sie nur konnten. Er warf den Kopf in den Nacken, kippte den Rest seines Whiskeys hinunter und suchte in der Menge nach der Bedienung. Ein Rotschopf, ganz hübsch, aber zu sehr Goth für seinen Geschmack. Er mochte seine Frauen ungeschminkt, ohne diese Make-up-Schichten, die sie so gerne auflegten, wenn sie ausgingen.

Er sandte trotzdem einen mentalen Befehl aus.

Ihre schwarz umrandeten Augen blinzelten einmal, bevor sie auf den hohen Absätzen kehrtmachte und in Richtung Bar ging. Er bahnte ihr einen Weg, bediente sich des kollektiven Bewusstseins, um die Menge dazu zu bringen, ihr Platz zu machen. Die Menge teilte sich wie das Rote Meer, und vor ihr öffnete sich eine breite Schneise, während sie auf die Bar aus Edelstahl und die hochbeinigen Hocker zusteuerte. Nach weniger als einer Minute kam sie wieder zurück, die Finger um den Hals einer Flasche geschlungen, die wiegenden Hüften kaum bedeckt von ihrem schmalen, tief sitzenden Minirock.

Kristall klirrte, als sie zwei VIP-Gläser vor ihnen abstellte. »Soll ich einschenken?«

Ihre Stimme war kaum mehr als ein sinnliches Schnurren, der geflüsterte Hauch einer Einladung, die ein menschlicher Mann über dem Wummern der Bässe, die den Club erbeben ließen, niemals wahrgenommen hätte. Aber Bastian war nur zur Hälfte menschlich. Wie bei allen Angehörigen seines Volkes waren seine Sinne geschärft, für die Jagd gemacht. Er musterte sie einen Moment lang. Sie besaß genug Energie, mehr als die meisten. Es würde nicht reichen, um seinen Hunger ganz zu stillen, doch es wäre genug, um seinem Verlangen die Spitze zu nehmen. Der aufkommende Hunger brannte tief in seiner Bauchhöhle.

»Ich habe in fünf Minuten Pause.« Sie beugte sich zu ihm herüber und entblößte ihr Dekolleté, als sie die Whiskeyflasche auf den Tisch stellte.

»Wartest du am Hinterausgang auf mich?«

In ihrem Geruch lagen ungezügelte Lust und sexuelle Unerfahrenheit. Es war ein jugendlicher Duft, auf seine eigene Art und Weise anziehend, aber die Kleine reizte ihn nicht. Er lebte schon zu lange, um noch Interesse an Anfängerinnen zu haben. »Vielleicht nächstes Mal.«

Rot geschminkte Lippen verzogen sich zu einem Schmollmund. »Bist du sicher?«

»Bin ich«, sagte er und wob einen beruhigenden Zauber, um seine Zurückweisung abzumildern. »Lass die Flasche hier und geh.«

Mit einem Seufzen zog sie sich zurück und wandte ihre Aufmerksamkeit den Gästen am Nebentisch zu.

»Du kannst es nicht, stimmt’s?«

Bastians Blick kehrte zu seinem Freund zurück. »Der Meridian wird sich erst …«

»In fünf Tagen wieder neu ausrichten. Ich weiß Bescheid. Aber eine Frau mit der Art von Energie, die du brauchst, wird kein leichtes Opfer sein. Die fällt nicht einfach mit dir ins Bett … so wie die hier.« Rikar deutete mit der Flasche in Richtung der Frauen auf der Tanzfläche. »Du wirst Zeit brauchen, um sie rumzubekommen.«

Verdammte Scheiße. Als müsste man ihn daran erinnern.

Bastian packte seinen Freund Johnnie Walker am Hals und wünschte sich, es sei Rikar. Er brauchte frische Luft, musste der Hitze, dem Lärm und dem Geruch des Clubs entkommen, bevor er explodierte. »Ich gehe hoch aufs Dach.«

»Tu, was du nicht lassen kannst.«

Das machte er immer.

Die Whiskeyflasche in der Hand und ohne einen Blick zurück, ging Bastian in Richtung des rot leuchtenden Ausgangsschildes rechts neben der Bar. Sein langer Ledermantel schwang auf und verstärkte den Eindruck seiner ohnehin schon ungewöhnlichen Größe. Die menschlichen Männer erkannten den Jäger in ihm und wichen zurück. Eine breite Gasse bildete sich. Gut so. Eine Schlägerei käme ihm gerade recht, und in Anbetracht seiner Laune hätte ihm schon die kleinste Ermunterung genügt, um seine Fäuste zum Einsatz zu bringen.

Auf halber Strecke strich ihm ein leiser Schauer über den Nacken. Er blieb stehen und sah über die Schulter nach hinten. Rikar war bereits aufgestanden und kam auf ihn zu, auf dem verlassenen Tisch schwankte noch das Bier in der Flasche.

»Bastian.« Durch die mentale Bindung, die er mit allen Kriegern eingegangen war, die an seiner Seite kämpften, drang eine flüsternde Stimme an seinen Geist.

Mit Blick auf Rikar öffnete er sich der Verbindung. »Sloan, was ist los?«

»Eine ganze Menge.« Sogar durch die mentale Verbindung konnte er das schnelle Klacken der Computertastatur hören. Sloan, ihr Cyber-Cop aus dem Hauptquartier, entfernte sich nie weit vom Netz. In manchen Nächten, so vermutete Bastian, schlief er vor den aufgereihten Monitoren. »Schwing deinen Arsch aus dem Club. Die Kleine ist nicht zu erreichen...