Flammen der Begierde

von: Kresley Cole

LYX, 2012

ISBN: 9783802589218 , 480 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 9,99 EUR

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Flammen der Begierde


 

Prolog

Feste Thrymheim, in den Nordlanden – Heim von Skadi, der Göttin der Jagd

Vor langer, langer Zeit

Als die Jungfer Lucia mühsam die Augen öffnete, fand sie sich auf einem Altar wieder und starrte zu einer wutentbrannten Göttin empor. Irgendwie war es ihrer jüngeren Schwester, Regin der Ränkevollen, gelungen, Skadis Tempel zu finden und Lucia herzuschaffen.

Von einem Altar zum nächsten, dachte sie. Sie lag im Delirium, das Fieber wütete in ihr. In ihrem zerschmetterten Körper tobten unbeschreibliche Schmerzen. Ihre gebrochenen Gliedmaßen nie hätte sie sich solche Pein vorstellen können.

»Du wagst es, sie an meinen heiligen Ort zu bringen«, sagte Skadi, die Jägerin des Großen Nordens, zu Regin, »und meinen Altar zu entweihen? Wisse, dass du damit meinen Zorn herausforderst, junge Walküre.«

Regin ganze zwölf Jahre alt, die strahlende Haut mit Lucias Blut beschmiert sagte: »Was kannst du schon tun? Meine Schwester foltern? Ihr das Leben nehmen? Ersteres hat sie bereits überlebt, und Letzteres wird so oder so geschehen, wenn du ihr nicht hilfst.«

»Ich könnte euch alle beide umbringen.« Statt einer Antwort presste Regin die Lippen aufeinander und musterte Skadi, als ob sie einschätzen wollte, welche Stelle an deren Schienbeinen sich wohl am besten für einen ordentlichen Tritt eignen würde.

Lucia kämpfte darum, bei Bewusstsein zu bleiben und ein paar Worte herauszubringen. »Tu ihr nicht weh, bitte mein Fehler, mein Fehler « Aber ihre Worte wurden von einem rumpelnden Donnern übertönt. Die Feste war hoch oben in den »Berg des Götterzorns« gehauen und wurde unablässig von Donnerschlägen erschüttert.

»Warum hast du sie hierhergebracht?«, fragte Skadi Regin.

»Weil du nicht nur die Nachbarin, sondern auch der Erzfeind desjenigen bist, der dies getan hat.«

War das Interesse, das gerade in den Augen der Göttin aufgeflackert war? »Der Blutige Verdammte?«

»Aye.«

Skadi neigte den Kopf und musterte Regin abschätzend. »Du bist noch nicht einmal alt genug, um eine wahre Unsterbliche zu sein. Für jemanden, der so machtlos und unbedeutend ist, wagst du viel, Walküre.«

»Für Lucia wage ich dies und noch mehr«, entgegnete Regin stolz. »Also sei gewarnt.«

»Regin!«, stieß Lucia keuchend hervor. Das Mädchen hatte den Verstand verloren.

»Was?« Sie stampfte mit dem Fuß auf. »Was hab ich denn gesagt?«

Statt Regin zu zermalmen, winkte die Göttin ungeduldig nach ihren Wachen, den legendären Skadianen. Die berühmten Bogenschützinnen waren ausnahmslos Frauen, die sich zermürbenden Trainingsritualen unterzogen, um der Göttin zu dienen. »Bringt die Strahlende vom Berg herunter. Seht zu, dass sie sich nicht an den Weg zurück erinnert.«

Als Regin auf sie zustürmte, rief Lucia: »Nein, Regin lass mich!«

Die Skadianen packten Regin um die Körpermitte und schleppten sie hinaus, während sie kreischte, um sich schlug und sie biss.

Lucia hörte eine von ihnen sagen: »Au! Du kleine Ratte!« Und dann waren sie fort.

Skadi betrachtete Lucias übel zugerichtetes Gesicht mit unbewegter Miene. »Du sorgst dich um sie? Wo sie doch verschont wurde? Du hingegen wirst die nächste Stunde nicht überleben.«

»Ich weiß«, flüsterte Lucia. »Es sei denn, du hilfst mir.« Sie blickte Skadi in die Augen, als sie diese Bitte aussprach. Es war ein Fehler, die große und schreckliche Göttin direkt anzusehen. Als sie ihr in die unergründlichen Augen sah, überkamen sie die Angst und das Leid all ihrer vergangenen Opfer und senkten sich über Lucia wie ein bitterer Frost. »Bitte « Als Lucia flehentlich ihre blutbefleckte Hand emporhielt, quoll ein Blutstrom aus der Wunde, die sich über ihren Oberkörper zog, und ergoss sich über ihre Flanken und den Altar unter ihr. Eine Flut klebriger Wärme umfloss ihren zerschlagenen Körper, um jedoch sogleich auf dem eisigen Stein abzukühlen.

Jeder vergossene Blutstropfen verstärkte noch ihr Zittern und ihre Verzweiflung. Der Schmerz ihrer Verletzungen brachte sie schier um den Verstand.

»Du hast deine Entscheidung getroffen, Walküre«, erwiderte die Göttin. »Und du hast geerntet, was du gesät hast, als du denen den Gehorsam verweigertest, denen zu gehorchen du geboren wurdest. Warum sollte ich dir helfen?«

Weil ich erst sechzehn Jahre auf der Welt bin, dachte Lucia, aber sie wusste, dass sie Skadi damit nicht würde überzeugen können, ein zeitloses Wesen, das kaum zu erfassen vermochte, was Tod oder Jugend bedeuteten.

»Weil ich alles tun werde was auch immer du von mir verlangst«, sagte Lucia schließlich. Ihr Zittern wurde immer heftiger. Der Altar unter ihr war so kalt. »… weil ich jeden Preis bezahle.«

»Wenn ich dich rettete, würde ich meine Essenz auf dich übertragen. Ein Wesen wie du würde das Zeichen meiner Gunst tragen und für alle Zeit an den Bogen gebunden sein«, sagte Skadi.

Sie schlenderte auf ein Fenster zu, von dem aus sie ihren Berg überblicken konnte. Darunter erstreckten sich meilenweit dichte, tödliche Wälder, die die Feste schützten und unachtsame Reisende verschluckten. Lucia konnte sich kaum noch daran erinnern, diesen mystischen Wald durchquert zu haben, obwohl Regin sie tagelang durch Portale und Täler hindurchgeschleppt hatte.

»Lucia, ich bringe dich zu Skadi!«

»Sie wird nicht helfen.«

»Doch, das wird sie! Die Skadianen kämpfen alle fünfhundert Jahre gegen ihn «

Erneut war krachender Donner zu hören; er schien die Göttin zu beruhigen. »Meine Anhängerinnen müssen große Opfer bringen, um ausgezeichnete Schützinnen zu werden, und dir würden meine Fähigkeiten einfach geschenkt werden. Du wärst eine Bogenschützin ohnegleichen, besser als alle anderen. Wieso glaubst du, dessen würdig zu sein? Wo sie so hart dafür trainieren? Wo sie über ein reines Herz und einen reinen Körper verfügen?«

Die Skadianen unterwarfen sich einer asketischen Lebensweise und verachteten Männer. Jetzt verstehe ich auch, warum.

»Im Gegensatz zu dir sind sie makellos rein«, fuhr Skadi fort. »Wohingegen du dich aus freien Stücken hast beschmutzen lassen.«

In Lucia stieg eine schwache Erinnerung an die neun Tage auf, die sie als Gefangene von Crom Cruach, dem Blutigen Verdammten, zugebracht hatte. Er war ein Ungeheuer mit dem Gesicht eines Engels. Hatte diese Bestie sie gebissen? Sie weigerte sich, an ihrem Körper herabzusehen, vermutete jedoch, dass er an ihrer Haut genagt hatte, nachdem sie das Bewusstsein verloren hatte. Sie musste sich gegen ihn gewehrt haben, ehe sie blindlings aus seiner Höhle geflohen war unter ihren Klauen steckten immer noch Fetzen schuppiger Haut.

Unbarmherzig unterdrückte Lucia diese Visionen ihrer Gefangenschaft. Sie würde sich niemals erlauben, sie noch einmal in Gedanken zu durchleben, vor allem nicht jene letzte Nacht.

Was in der Dunkelheit geschah. Blut, das meine Schenkel hinabströmte.

»Ich wusste es nicht ich hab es nie gewusst.« Eine Welle des Bedauerns überspülte sie. »Ich würde alles dafür geben, Skadi.«

»Gaben der Götter haben immer ihren Preis. Bist du bereit, meinen zu bezahlen?«

Lucia nickte schwach. »Ich kann ein reines Herz erlangen. Und ich werde die Männer meiden.« Sie muss wissen, dass ich mich nie wieder zum Narren halten lasse.

»Eine Jungfrau von diesem Tage an?« Nach einer längeren Pause fuhr Skadi fort: »Diesmal bist du dem Blutigen Verdammten entkommen Mut oder Feigheit halfen dir. Aber während der nächsten Akzession wird Cruach dich suchen, sollte er seinem Gefängnis entkommen.«

Ja, aber bis dahin werde ich wahrhaftig unsterblich sein. Ich werde weiter rennen, schneller rennen.

»Er wird einfach noch einmal dasselbe mit dir anstellen. Es sei denn du kämpfst gegen ihn.«

»Ich will gegen ihn kämpfen.« Sie wollte seine widerwärtige Visage nie wiedersehen.

»Alle fünfhundert Jahre würde er dein Fluch sein, und du seine Kerkermeisterin.«

»Schenk mir das Leben, damit ich ihm entgegentreten kann.« Eine Göttin anlügen? Aber Lucia war verzweifelt.

Skadis Miene wirkte nachdenklich. »Ja, ich habe mich entschieden, dich zu heilen und zur Bogenschützin zu machen solange du keusch bleibst. Doch jedes Mal, wenn du dein Ziel verfehlst, wirst du den Schmerz spüren, den du gleich erleben wirst. Du sollst nie vergessen, was dich so tief fallen ließ, damit sich diese Schmach niemals wiederholen möge. Das wird dich zur Skadiane machen.«

Lucia war schwindlig, sie fühlte sich benommen und war völlig verwirrt. »Ich werde gleich Schmerz fühlen?« Ihre Qualen konnten doch unmöglich noch schlimmer werden?

»Ja, Schmerz, um deinen Verstand zu schleifen. Todesqualen, um deine Entschlossenheit zu schärfen.« Skadi hielt ihre milchweißen Hände über Lucias Oberkörper. »Junge Lucia«, murmelte sie. »Ich...