Perry Rhodan 2682: Schlacht an der Anomalie - Perry Rhodan-Zyklus 'Neuroversum'

von: Michael Marcus Thurner

Perry Rhodan digital, 2013

ISBN: 9783845326818 , 64 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 1,99 EUR

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Perry Rhodan 2682: Schlacht an der Anomalie - Perry Rhodan-Zyklus 'Neuroversum'


 

1.


 

Wie so oft in seinem Leben war Perry Rhodan mit einem Phänomen konfrontiert, für das es keine Erklärung gab. Das sich jeglicher – ihm bekannten – wissenschaftlichen Betrachtung entzog und einfach nur da war.

Die Anomalie. Für die Rechner und für das menschliche Auffassungsvermögen stellte sich dieses ... dieses Bauwerk als Schlauch dar, rot und glühend, der sich in die Unendlichkeit erstreckte. Der kein Ende hatte und erst recht keinen Anfang.

Und doch steckten zig Millionen Wesen in der Anomalie. Waren Gefangene – oder Touristen –, die durch ein räumliches Medium kreuzten und dabei Phänomene zu sehen bekamen, die unerklärlich blieben und ihre Sinne bis zum Äußersten belasteten.

»Zeit und Raum«, hörte er Mondra Diamond andächtig sagen, »was haben diese Worte für eine Bedeutung angesichts dieses Chaos? Müssten wir sie nicht vollkommen neu definieren? Oder übereinanderlegen, um nach dem Trennenden und nach dem Gemeinsamen zu suchen?«

»Das hier ist tatsächlich ein klein wenig ... seltsam«, meldete sich Nemo Partijan zu Wort, in seinen Worten wesentlich nüchterner als Mondra. »Aber die Existenz der Anomalie bedeutet nicht, dass wir gleich alles über Bord werfen sollten, was wir über Höherdimensionalität wissen. Auch sie folgt gewissen Regeln.«

»Leider wissen wir nicht, um welche es sich handelt.« Perry Rhodan ließ sich in seinen Pilotenstuhl fallen. »Und ich zweifle, dass wir diese Rätsel in der wenigen zur Verfügung stehenden Zeit lösen können.«

»Spielt Zeit denn eine Rolle?« Mondra deutete auf ein analoges Laufwerk, ein archaisch wirkendes Relikt, das Teil einer Wandverkleidung in der Kommandozentrale von MIKRU-JON war.

Die Zeiger bewegten sich vor und zurück, vor und zurück. Datumsanzeigen schwankten zwischen dem 2. und dem 12. Januar 1470 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, und für einen Augenblick wusste Rhodan nicht, ob wirklich der 6. Januar war.

Er atmete dicke, nach Rauch schmeckende Luft. Sie erschwerte das Sprechen und machte ihn glauben, kurz vor dem Ertrinken zu stehen. Er meinte, von winzigen Sonnensystemen umschwirrt zu werden. Sie einzuatmen, durch die Lungen treiben zu fühlen und sie letztlich wieder auszuspucken als tote und erkaltete Massen.

Nemo Partijan wurde zum konturlosen Schatten. Alles war in Umkehrung, was Rhodan stets als allgemeingültig angesehen hatte. Mondra Diamond hingegen stellte sich spiegelbildlich dar. Rechts wurde zu links, und die Worte, die sie sagte, ergaben keinen Sinn. Guckys Nagezahn war zu einem meterlangen Ding geworden, das im Boden MIKRU-JONS steckte und Energien daraus hervorzog. Ennerhahl – nun, Ennerhahl sah aus wie immer. Er wirkte unbeteiligt, fast gelangweilt.

Rhodan schloss die Augen. Dies alles war zu viel für menschliche Sinne, war nicht mehr zu ertragen! Die Anomalie griff nach ihnen, trotz der Schutzschirme, die sie umgaben, und aller anderen Vorkehrungen, die sie getroffen hatten.

Die Verwirrung legte sich abrupt und machte wieder der ihnen bekannten Realität Platz. Es war, als wollte ein durch die Anomalie treibender Gott mit ihnen spielen. Als wüsste er ganz genau, wie viel er der Besatzung des kleinen Schiffs zutrauen konnte.

War die Wirklichkeit denn besser, so, wie sie sich darstellte? Rhodan sah Energiewolken, die die Schutzschirme MIKRU-JONS zu perforieren drohten; Aufrisszonen, weit voraus und doch ganz nahe, die an Viibad-Klüfte erinnerten, an gewaltige Trichtererscheinungen, die zum Teil auf sechsdimensionaler Basis wirkten. Überall tobten energetische Gewitter, deren Gewalten selbst der Lichtzelle Ennerhahls gefährlich werden konnten.

Rhodan galt als Sofortumschalter. Als Mensch, der trotz widrigster Umstände rascher als andere Wesen handelte und meist das Richtige tat. Und was war richtiger in diesen Sekunden, als das Leben zu umarmen? Er zog Mondra Diamond an sich und küsste sie. Oh ja, das fühlte sich gut an! Er tat es mit einer Leidenschaft, die er meist hintanhielt, die ihm aber nun passend erschien. Sie sollte ihn spüren. Wissen, dass sie im Hier und Jetzt verankert waren – und dass es sie beide noch gab.

Rhodan fühlte ein Kribbeln auf seinen Lippen wie von einer geringen elektrischen Entladung, und er meinte, für einige Sekunden in die Vergangenheit gerissen zu werden. Um den Kuss nochmals anzusetzen und ein weiteres Mal einen elektrischen Schlag versetzt zu bekommen.

»Das schmeckt gut«, murmelte Mondra und erwiderte seine Zärtlichkeiten, bevor sie sich der Situation bewusst wurde und ihn sacht, aber bestimmt von sich schob. Unmittelbar neben ihnen war Mikru aufgetaucht, der weibliche Avatar des Schiffs.

»Ich habe die Lage im Griff«, sagte die virtuelle Frau und bedachte Rhodan mit rätselhaften Blicken. »Ich denke, dass wir nun durch eine Zone der Stabilität treiben, sowohl räumlich als auch zeitlich.«

Rhodan nickte dem Avatar zu. Er unterdrückte seinen Ärger über die Unterbrechung und kümmerte sich wieder um jene Dinge, die von ihm erwartet wurden. Wie immer trug er Lasten auf seinen Schultern, die derart gewichtig waren, dass nur wenige Menschen sie zu stemmen vermochten.

»Ich möchte mehr von dem sehen, was da draußen vor sich geht!«, verlangte er und wandte sich dem zentralen Bildschirm zu.

Mikru reagierte ohne erkennbare Verzögerung. Sie ließ die unmittelbare Umgebung darstellen; jenen Bereich, der das Schiff dank Ortungsschutz vor den Einheiten des Feindes verbarg. Rhodan sah eine durchaus beachtliche Streitmacht – die dennoch nichts war im Vergleich zu den Truppen, die QIN SHI in die Anomalie eingeschleust hatte.

Da war MIKRU-JON, die in Ennerhahls Lichtzelle »parkte«. Das auf etwa tausend Meter aufgeblähte Schiff aus Kosmokraten-Fertigung wiederum war wie einige terranische Kampfeinheiten an die Riesenkugel des sechs Kilometer durchmessenden BASIS-Versorgungselements angedockt.

Ennerhahl selbst hielt sich in der Zentrale MIKRU-JONS auf. Er saß nach wie vor unbeteiligt da und stierte vor sich hin, als gingen ihn die Geschehnisse rings um sie nichts an.

Dann war da noch das aus der BASIS hervorgegangene Multiversum-Okular, ein Raumriese mit 12,6 Kilometern Durchmesser. Es hielt sich ebenfalls in unmittelbarer Nähe auf und zeigte keinerlei messbare Aktivitäten.

Rhodan nahm rasch Kontakt mit einigen Flottenoffizieren auf, die an Bord des BASIS-Tenders CHISHOLM und auf den sieben Schweren Trägerkreuzern, namentlich der AMAZONAS, der HUANGHE, MEKONG, ASHAWAR, TUBLIR, CHYLAMASSA und BARKENNT, Dienst taten. Von überall her erhielt er Klarmeldungen.

Er wandte sich in Gedanken der anderen Seite zu. QIN SHI. Dem Feind.

Er kannte nun dessen Entstehungsgeschichte, zumindest weitgehend. Sie besaßen Informationen, die zweifelsohne wichtig waren, um ihren Gegner zu verstehen, die aber keinerlei Anhaltspunkt für eine Strategie im Kampf gegen die Superintelligenz boten. Immer wieder überlagerten Erinnerungen an eine über 300.000 Jahre zurückliegende Zeit die Realität. Sie stellten eine weitere Belastung seiner Psyche dar. Eine von vielen in diesen Stunden und Minuten, da er eigentlich hoch konzentriert denken und arbeiten sollte.

Die Lichtzelle Ennerhahls meldete sich, ihr Besitzer – oder Untermieter? – blieb stumm. Der zwei Meter große Humanoide vermittelte in diesen Minuten den Eindruck, als wäre er nicht Bestandteil dieses Universums. Als wäre er ein höheres Wesen, das sich mit Lappalien wie der Anomalie nicht auseinandersetzen wollte.

Die Lichtzelle hingegen zeigte sich kooperativ. Sie lieferte neue Informationen, die mit MIKRU-JONS alleinigen Mitteln nicht hatten gesammelt werden können.

Die Streitmacht QIN SHIS umfasste insgesamt 50.000 Kampfeinheiten, meist Zapfenraumer, deren Kampfkraft Rhodan bereits zur Genüge kennengelernt hatte. Dazu kamen 38 Kristallkugeln; riesige Schiffe oder Sphären mit einem Durchmesser von 18 Kilometern. Eine war sogar größer und maß 23 Kilometer. In ihrem Zentrum befand sich eine der von Badakk umgebauten bernsteinfarbenen Scheibenstationen, die einem Polyport-Hof so ähnlich waren.

»Einzelne Teile der Flotte QIN SHIS haben die Anomalie bereits verlassen«, meldete die Lichtzelle. »Der Feind hat keinerlei Probleme mit den hiesigen Verhältnissen.«

»Wo sind wir?«, stellte Rhodan eine der wichtigsten Fragen. »Ist außerhalb mit der Galaxis Escalian gleichzusetzen?«

Die Lichtzelle sagte: »Das lässt sich von hier aus nicht feststellen. Wir müssten den feindlichen Flotten hinterher, um sicher zu sein.«

Mikru presste die Lippen fest aufeinander und schwieg. War sie etwa eifersüchtig, weil der Rechner der Lichtzelle mehr sah und wusste als sie?

Gucky, der seit mehr als einer halben Stunde kein Wort gesagt hatte, hustete unterdrückt. Wurde der Metabolismus des Mausbibers durch die besonderen Bedingungen im Inneren der Anomalie gestört?

Nein. Er zeigte Rhodan seinen Nagezahn und zwinkerte ihm zu. Der Kleine wirkte müde; doch er gab durch nichts zu verstehen, dass er Probleme hatte.

Rhodan begutachtete neues Bildmaterial. Es zeigte Zapfenraumer; winzige Pünktchen in einem roten Universum, die verschwanden. Die auf einmal nicht mehr da waren. Sie ... tröpfelten aus der Anomalie und kehrten in den Normalraum zurück.

Eine Aufrisszone näherte sich dem terranischen Konvoi. Rhodan hielt den Atem an. Sie raste vorbei, ein schmaler Riss in der Wirklichkeit, der ihnen Einblick in ein anderes, nicht definierbares Universum gewährte. Alles geschah so rasend schnell, dass kaum etwas in seinem Gedächtnis haften blieb, und als er sich Aufnahmen des Aufrisses zeigen ließ, war nichts zu sehen.

Doch in seinem Kopf waren neue...