Perry Rhodan-Paket 22: Die kosmische Hanse (Teil 2) - Perry Rhodan-Heftromane 1050 bis 1099

von: Perry Rhodan Redaktion

Perry Rhodan digital, 2012

ISBN: 9783845329611 , 3000 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 59,99 EUR

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Perry Rhodan-Paket 22: Die kosmische Hanse (Teil 2) - Perry Rhodan-Heftromane 1050 bis 1099


 

2.


 

Das Wesen war eines von jener seltenen Art, die auf den ersten Blick Widerwillen erweckt. Der Krane stand drei Meter hoch und war dabei von erschreckender, ungesunder Hagerkeit. Der linke Augapfel besaß weder Iris noch Pupille und war von einheitlich milchiggrauer Färbung. Ein Unfall – etwas anderes konnte es nicht gewesen sein – hatte in der Höhe des linken Mundwinkels das Gesicht zerfressen und die Lippe zerstört, so dass die Zähne des kräftigen, gelblichen Gebisses zum Vorschein kamen, als seien sie zu einem teuflischen Grinsen gefletscht. Die Mähne war von düsterem Grau, ihr Haar unordentlich und widerborstig. Das Geschöpf war in ein Gewand von schreiender Buntheit gekleidet, als versuche es, durch ein Übermaß an Farben von der Unvollkommenheit des Körpers abzulenken. Wenn er ging, sah man, dass der Krane hinkte.

Das war Derrill, der Anführer der Bruderschaft, dem man den Beinamen »der Verseuchte« gegeben hatte. Die Verunstaltungen rührten von einem Unfall her, bei dem Derrill mit einer Ladung konzentrierten Giftmülls in zu engen Kontakt geraten war. Er hatte darauf verzichtet, die Schäden durch kosmetische Eingriffe beseitigen zu lassen. Es bereitete ihm ein grimmiges Vergnügen, wenn solche, die ihm zum ersten Mal begegneten, bei seinem Anblick zusammenzuckten. Auch der Beiname »der Verseuchte« trug er mit Stolz. Er hatte, was nur wenige wussten, bei seinem Unfall ein Trauma davongetragen. Der Gedanke an Giftstoffe gleich welcher Art erfüllte ihn mit panischer Furcht.

Derrill ging ans Fenster und blickte hinaus auf das von tropischer Vegetation bedeckte Land. Er befand sich im fünften Stockwerk einer der alten Pyramiden, die dem ersten Kolonisten-Team als Unterkünfte gedient hatten. Verlassen und im Zustand fortgeschrittenen Zerfalls, waren sie vor einigen Jahren von der Bruderschaft übernommen worden. Der Geheimbund hatte die Gebäude wiederhergestellt und sein Hauptquartier darin eingerichtet. Der Gebäudekomplex lag an der engsten Stelle des Katembi-Tals, unmittelbar unter den schroff aufsteigenden Felswänden der östlichen Bergkette. Weit im Norden, von Derrills Fenster aus nicht sichtbar, lag die große Abfallaufbereitungsanlage, mit der der Anführer der Bruderschaft sich gegen seinen Willen während der vergangenen Stunde hatte befassen müssen.

Es summte an der Tür. Derrill wandte sich um und aktivierte den Servomechanismus mit einem akustischen Befehl. Ein Krane trat ein, ein unansehnliches Geschöpf von mittlerer Größe, angetan mit dem herkömmlichen, dunkelbraunen Alltagsgewand. Wer Nilgord sah, dem fiel es schwer, ihn für das zweitmächtigste Mitglied der Bruderschaft zu halten, für Derrills Stellvertreter. Derrill selbst hatte ihn zu diesem Amt bestellt. Nilgord war ein rückgratloser Ja-Sager; seine Hauptaufgabe bestand darin, allem zuzustimmen, was Derrill vortrug. Ohne es zu wissen, verriet der Verseuchte mit der Wahl seines Stellvertreters die grundlegende Schwäche seines Charakters. Starke Persönlichkeiten besetzen das Amt mit dem, der am besten dafür geeignet ist. Nur der Schwächling umgibt sich mit Schwächlingen.

»Was ist?«, fragte Derrill ungeduldig.

»Der Alarm ist abgeblasen«, antwortete Nilgord.

Er trat zu dem mächtigen Arbeitstisch und schaltete das Datengerät ein.

»Es ging um dieses Objekt«, sagte er. Auf der Sichtfläche erschien ein unregelmäßig geformtes Gebilde, das aus vier wahllos aneinander geklebten Teilen zu bestehen schien. »Die Kontrollstationen sind sich nicht darüber einig, ob es fest, flüssig oder gasförmig ist. Es wurde analysiert und für ungiftig befunden.«

Derrill starrte ihn aus dem gesunden Auge zornig an.

»Wie kann man einen Gegenstand analysieren und für ungiftig befinden, ohne dabei zu erfahren, ob er fest, flüssig oder gasförmig ist?«

Nilgord machte eine vage Geste. »Das ist die Auskunft, die ich von dem Informationsverteiler bekam«, sagte er.

»Wie groß ist der zeitliche Abstand zwischen der Landung des letzten Müllcontainers und dem Beginn des Alarms?«

»Vier Minuten«, sagte Nilgord.

Der verseuchte Derrill explodierte mit einer Wucht, die den furchtsamen Stellvertreter entsetzt zusammenfahren ließ. »Siehst du den Zusammenhang nicht, zu Zwerghirn?«, brüllte er. »Es landet ein Container, und im nächsten Augenblick taucht ein unbekanntes Objekt auf, mit dem die Kontrollstationen nichts anzufangen wissen! Wo ist das Objekt jetzt?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete Nilgord mit zitternder Stimme.

»Du weißt es nicht?«

»Der Informationsverteiler behandelt uns als öffentliche Anfrager ohne Priorität«, verteidigte sich der Stellvertreter. »Er gibt uns nicht mehr Daten, als irgendein Bewohner von Ursuf verlangen kann. Du selbst hast es so einrichten lassen! Du wolltest nicht, dass man auf uns aufmerksam würde, wenn wir einen Antrag auf den Empfang von Vorzugsinformationen stellten.«

Derrill beruhigte sich ebenso schnell, wie er aufgebraust war. Sein Stellvertreter hatte recht. Derrill hatte geglaubt, er werde mit dem auskommen können, was der allgemeinen Öffentlichkeit an Informationen zur Verfügung stand. Wer hätte damals mit einer solchen Entwicklung gerechnet?

»Ich will, dass die Patrouillen entlang der Grenze der Anlage verstärkt werden«, sagte er zu Nilgord. »Wir müssen in jedem Augenblick damit rechnen, dass jemand versucht, sich an Bord eines Containers hier einzuschmuggeln.«

»Es wird geschehen«, antwortete Nilgord demütig.

»Wie weit sind die Vorbereitungen an der intergalaktischen Abschussvorrichtung?«

»Wir haben eine Gruppe von vier Spezialisten an den Robotwachen vorbeigeschleust. Sie sind dabei, das Steuersystem umzuprogrammieren, ohne dass die zentrale Kontrolle etwas davon bemerkt. Mit dem Abschluss der Arbeiten ist in zwei bis drei Tagen zu rechnen.«

»Dann können wir Müll nach Kran schießen?«, bellte Derrill.

»Dann sind wir bereit, die Abschussvorrichtung zu besetzen«, korrigierte ihn der Stellvertreter. »Es lässt sich dann vor der zentralen Kontrolle nicht mehr verheimlichen, dass die Abschussrichtung verändert wurde. Wir werden es mit Scharen von Robotern zu tun haben, die uns vertreiben wollen.«

Derrill ballte ungeduldig die Faust. »Das will ich nicht wissen«, knurrte er. »Wann geht die erste Fracht Giftstoffe in Richtung Kran ab?«

»In frühestens vier Tagen«, sagte Nilgord. »Die Experten rechnen damit, dass wir pro Tag fünfhundert Ladungen abschießen können. Die meisten wird die Erste Flotte vernichten, bevor sie Schaden anrichten können. Ein halbes Prozent, nehmen wir an, kommt durch.«

»Ein halbes Prozent? Zweieinhalb Behälter pro Tag?«, grollte Derrill.

»Erinnere dich«, bat Nilgord unterwürfig, »es ist nicht die chemische, sondern die psychologische Wirkung, die uns zum Erfolg verhilft.«

Der verseuchte Derrill sah zum Fenster hinaus. Der riesige, rotglühende Ball der Sonne Krandhor schickte sich an, hinter den Bergen im Osten zu versinken. Der Himmel begann sich zu verfärben. Tiefes, rötliches Violett überzog das Firmament und wurde am östlichen Horizont zu sattem Grün. Derrill nahm nichts von alledem wahr.

»Bring mir den Herzog«, brummte er mürrisch.

 

*

 

Herzog Carnuum war eine hochgewachsene, ehrfurchtgebietende Gestalt. Große, intelligente Augen blickten aus einem offenen Gesicht. Die silberweiße Mähne zeugte von einem fürchterlichen Erlebnis, das dem Herzog in ferner Vergangenheit widerfahren war und über das er sich selbst seinen vertrautesten Freunden gegenüber nicht äußerte. Er trug ein uniformähnliches, mit silbrigem Metall beschichtetes Gewand, das ihn vor gefährlichen Strahlen schützen sollte. Die unterbewusste Furcht vor der allgegenwärtigen Gefahr kosmischer und sonstiger Strahlung war die einzige Marotte des sonst nüchternen und sachlichen Kranen.

Wie es der Bruderschaft gelungen war, unbemerkt in den Tärtras einzudringen, war ihm noch immer ein Geheimnis. Wahrscheinlich hatten sich die Entführer in den unterirdischen Gewölben versteckt, die auch vom leeren Mittelteil des Palasts her zugänglich waren. Er führte eine Unterredung mit Syskal, der Leiterin der Schutzgarde, als die Bruderschaftler sich auf ihn stürzten. Es war alles sehr schnell gegangen. Ein Schocktreffer hatte ihm das Bewusstsein genommen. Als er wieder zu sich kam, befand er sich an Bord eines Raumschiffes – der GAMRAAL, wie er später erfuhr. Die GAMRAAL gehörte zur Ersten Flotte. Der Kommandant und ein Großteil seiner Offiziere waren Parteigänger der Bruderschaft. An Bord des Schiffes war ein Transmitter installiert, mit dem die Verräter zuerst ihre Gefangenen, dann sich selbst nach Ursuf transportierten. Bei dieser Gelegenheit hatte Carnuum Syskal zum letzten Mal gesehen.

Seit drei Tagen befand er sich in dieser zwar behaglich ausgestatteten, aber ganz und gar fensterlosen Zimmerflucht. Zweimal hatte man ihn bisher zum Anführer der Bruderschaft gebracht, dem verseuchten Derrill, einem Wesen, dem die Bosheit im Gesicht geschrieben stand. Er war korrekt, wenn auch unfreundlich behandelt worden. Dem Verseuchten ging es darum, Carnuum für seinen Plan zur Umgestaltung der kranischen Regierung und der Abschaffung des Orakels zu gewinnen. Der Herzog hatte sich unbeeindruckt gezeigt und keinen Hehl daraus gemacht, dass ihn der Plan nicht interessiere. Man hatte ihn daraufhin in seine Unterkunft zurückgeführt. Überraschenderweise hatte Derrill ihm nicht gedroht. Das gab Carnuum zu denken. Wie oft würde der Verseuchte sich seine Weigerung anhören, ohne ihn unter Druck zu setzen? Und welche Druckmittel standen ihm zur Verfügung?

Carnuum unternahm keinen Fluchtversuch. Die einzige Tür, die...