Perry Rhodan 2617: Der dunkelste aller Tage - Perry Rhodan-Zyklus 'Neuroversum'

von: Hubert Haensel

Perry Rhodan digital, 2011

ISBN: 9783845326160 , 64 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 1,99 EUR

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Perry Rhodan 2617: Der dunkelste aller Tage - Perry Rhodan-Zyklus 'Neuroversum'


 

2.

AMATERASU

13. September, 21.22 Uhr

 

Schrill gellte der Alarm. Niemand dachte daran, das sinnlos gewordene Heulen und die durchdringenden Vibrationen abzustellen. Dabei war alles schon vorbei. Ein unglaublich schneller Angriff auf die Station und ...

Der Resident schaute zu den Schirmen hoch. Die Holos waren leer; es gab keine optische Erfassung und nicht einmal den Hauch einer Ortung. »Wo bei allen verdammten hochnäsigen Arkonimperatoren sind wir? Haben wir wenigstens Funkempfang?«

»Nicht einmal Störgeräusche werden aufgefangen«, antwortete ARINNA. »Es tut mir leid.«

Ihr ...? Der Zentralpositronik der Kommandozelle tat es leid? Was wusste ARINNA schon davon, wie es tief in Reginald Bull aussah?

Mir tut es leid, dass unsere Schiffe ziellos feuern müssen. Dass sie nicht einem dieser verdammten Sonnennägel die Rechnung präsentieren können.

Der Resident erschrak über sein heftiges Aufbrausen. Die Koordinaten waren gesendet, aber nicht alle. Mit den lückenhaften Daten war es der LEIF ERIKSSON IV und den anderen Schiffen keinesfalls möglich, auch nur einen der »Sargnägel« abzuschießen, die sich in der Sonne herumtrieben.

»Wo sind wir?«

»Nirgendwo!«, antwortete ARINNA.

»In der Hölle – denke ich.« Die Bemerkung kam von Konnie Giverny.

Bull wollte der Zweiten Pilotin antworten, doch in dem Moment verstummte der Alarm. Als würde die Stille manches ungeschehen machen. Aber das konnte sie nicht.

Immerhin reagierte Shanda darauf. Bull sah es am leichten Zucken ihrer Lider. Ihre blutleeren Lippen öffneten sich kaum merklich zu einem unhörbaren Stöhnen.

War die junge Frau schon wieder unterwegs? Der Resident hoffte es – wider besseres Wissen. Ihre Gabe machte Shanda Sarmotte für ihn unentbehrlich. Sie hatte so viele Informationen über die Spenta herausgefunden, über ihren Versuch, den psimateriellen Korpus ARCHETIMS aus der Sonne herauszulösen. Für diese Wesen war der in Sol liegende Leichnam wie ein Sakrileg.

Es ist nicht eure Sonne, schert euch um euren eigenen Kram, verdammt!

Bull kniete neben Sarmotte. Sie war bewusstlos zusammengesackt. Er hatte sie in die Seitenlage gebracht, und nun strich er ihr die letzten Haarsträhnen aus dem Gesicht. Es war ein schmales Gesicht, wie aus kaltem, bleichem Wachs geformt. Dennoch perlte Schweiß auf ihrer Haut.

Er spürte Shandas Atem kaum.

Vergeblich rüttelte er die junge Frau an den Schultern. Sie fand den Weg zurück nicht.

Mit der flachen Hand schlug er ihr ins Gesicht. Er hoffte, sie wenigstens so aus der Bewusstlosigkeit zurückzuholen. Ihre Wangen röteten sich nicht einmal. Aber fester zuschlagen wollte er nicht. Ohnehin musste jeden Moment ein Medoroboter hier sein.

Er tastete nach Shandas Halsschlagader. Der Puls war kaum wahrnehmbar.

Vielleicht war ihr Geist wirklich unterwegs. Die Psi-Forscher nannten Shanda eine Zerebral-Einbrecherin. Möglich, dass sie in diesen Sekunden weitere Informationen über die Spenta sammelte.

Eine Hand legte sich auf die Schulter des Residenten. Ein Medoroboter schob ihn mit sanftem Nachdruck zur Seite.

»Ich brauche Shanda schnellstmöglich wieder einsatzfähig«, sagte Bull. »Sind weitere Besatzungsmitglieder ausgefallen?«

»Keine«, antwortete der Roboter und führte einen Vitalscanner über Sarmottes Körper. »Zwei Fälle vorübergehender Benommenheit, die einem kurzen Orientierungsverlust zuzuschreiben waren, aber keine anhaltende Bewusstlosigkeit oder Schlimmeres.«

Mit zwei soeben ausgebildeten Tentakeln tastete der Medo über Shandas Nacken. Das kaum wahrnehmbare Zischen einer Hochdruckinjektion erklang.

»Ein Kombipräparat«, erläuterte die Maschine. »Vitalstoffe und ein Mittel zur Kreislaufstabilisierung. Ihre Werte sind schlecht.«

»Das heißt ...?«

»Erwarte nicht, dass sie bald aus ihrer Bewusstlosigkeit aufwacht. Schockeinwirkung ist nicht auszuschließen. Sie muss in der Medoabteilung überwacht werden.«

»Wie lange?«, fragte Bull heftig. »Ich kann Shanda nicht einmal für kurze Zeit entbehren.«

»Während der nächsten vierundzwanzig Stunden wird sie auf jeden Fall unter Kontrolle bleiben.«

Das war etwas, das Reginald Bull gar nicht gefiel. Er brauchte die junge Frau, war jetzt mehr als zuvor auf ihre Unterstützung angewiesen. Womöglich konnte sie herausfinden, wohin die Sonnenstation verschlagen worden war.

Der Roboter bettete Shanda auf eine Antigravtrage und transportierte die Bewusstlose ab. Reginald Bull machte gar nicht erst den Versuch, den beiden in die Medoabteilung zu folgen. Er konnte nur hoffen, dass die Mutantin schnellstmöglich wieder auf die Beine kam. Und bis dahin ...

Er richtete sich auf, ließ den Blick durch die Zentrale gleiten.

»Also, Leute, wir leben noch, und das ist eine ganz beachtliche Leistung. – Abgesehen davon, dass die Station blind und taub zu sein scheint, will ich wissen, was geschehen ist. Wenn wir schon nichts Handfestes vorzuweisen haben, lasst mich wenigstens eure Spekulationen hören!«

 

*

 

Mehrere Nagelraumer standen plötzlich nahe der Station. Verborgen in der Glut der Sonne, trieben sie der Station entgegen.

Die Mosaikintelligenz wurde größer und kompakter.

Genug wir, verstand Shanda Sarmotte die Überlegungen der Fremden, ohne dass ihr Eindringen in die Gedankenwelt der Spenta bemerkt wurde. Nicht mehr Scham und Zorn. Erfolg und Freude.

Sie versuchte, mehr zu erfahren, denn sie spürte, dass der letzte Schritt unmittelbar bevorstand. Aber sie schaffte es nicht.

Urplötzlich entstand Unruhe.

Dann brach der Schmerz über sie herein, eine sengende, alles verbrennende Hitze. Irgendwie begriff die junge Frau noch, dass die Sonne explodiert sein musste. Oder die starken Schutzschirme der Forschungsstation waren zusammengebrochen.

Wahrscheinlich beides.

Sie verlor die Spenta, spürte nur noch die Nähe der Menschen in der AMATERASU, ihr Erschrecken, das sich gedankenschnell zur Panik auswuchs. Selbst die Luft brannte plötzlich in flüssigem Feuer.

Shanda schrie dagegen an.

Die Sonnenglut erstickte sie, fraß sich durch ihren Körper und ihre Gedanken. Shanda Sarmotte erfasste noch, dass höchstens Sekundenbruchteile verstrichen ...

... dann war nichts mehr.

 

*

 

Zweieinhalb Stunden inzwischen ...

»Was ist das da draußen? Liegen noch keine brauchbaren Informationen vor?«

Reginald Bull hatte einen Rundgang durch die Forschungsstation hinter sich und betrat soeben in Begleitung von Shaveena Deb die Zentrale. Sein erster Blick galt der Hologalerie. Mit dem Handrücken wischte er sich über die Lippen.

»Nichts hat sich verändert«, bemerkte der Erste Pilot mit vollem Mund.

»Mahlzeit!«, kommentierte Bull.

Ataur Singh kniff kurz die Brauen zusammen, dann widmete er sich wieder seinem Essen. Er hatte es vor sich auf dem Boden der Zentrale ausgebreitet. Der Erste Pilot nahm seine Mahlzeiten nur auf dem Boden sitzend ein – ungeachtet der Tatsache, dass die Kommandozelle der Station über eine perfekt ausgestattete Schiffsmesse verfügte.

Ein halbes Dutzend Gefährdungspunkte hätte Bull auf Anhieb nennen können. Singh verstieß gegen etliche Vorschriften, aber er hatte die Erlaubnis der Stationsleiterin. Ohnehin: Was spielte das noch für eine Rolle? Und wäre der Anblick eines Blues, dessen Mahlzeit permanent über den Tellerrand hinauskrabbelte und eingefangen werden musste, vertrauter gewesen?

»Normal ist es nicht«, sagte Singh, während er Zutaten aus mehreren kleinen Schüsseln vermischte. Das Aroma vieler Gewürze durchzog die Zentrale. Das Summen der Luftumwälzung, glaubte Bull, wurde eine Nuance intensiver. Er mochte sich täuschen, aber die Technik der Forschungsstation funktionierte perfekt, als sei nicht das Geringste vorgefallen.

Schreckliche Normalität in einem anormalen Umfeld.

Singh hatte mit seiner Bemerkung zweifellos das gemeint, was außerhalb der AMATERASU war. »Was ist eigentlich normal, seit das Sonnensystem aus seiner angestammten Umgebung herausgerissen wurde?«, erwiderte der Resident auf Singhs Feststellung.

Eine Woche lag das erst zurück ...

Daberi erschien ihm seitdem wie eine bedrohliche Ewigkeit. Aber ja, der 5. September war jener schreckliche Tag gewesen, an dem die unbekannte Kraft zugeschlagen hatte.

Singh griff nach einer der Schüsseln, die auf dem großen Metalltablett vor ihm standen. Er hob sie hoch und hielt sie dem Residenten und Shaveena Deb entgegen.

»Greift zu, noch ist genügend vorhanden. Gutes Essen stärkt den Körper und die Seele – und wir werden beides nötig haben.«

Erst wollte Bull ablehnen. Einigermaßen heftig sogar. Eine entsprechende Bemerkung lag ihm schon auf der Zunge. Doch er schluckte sie unausgesprochen hinunter; der Duft, der ihm entgegenwehte, war zu verführerisch.

Zögernd streckte er die Hand aus.

»Das eine ist Masala Dosa«, erklärte der Erste Pilot lächelnd. »Hauchdünne Pfannkuchen aus Linsenmehl, mit Kartoffelcurry gefüllt. Das andere sind Stücke von Bratfisch im Teigmantel.«

Haben wir nichts Besseres zu tun, als über Essen zu reden, während ringsum die Welt untergeht?, ging es Bull durch den Sinn.

Tat sie das wirklich?

Seit ein paar Tagen, seit er mit Shanda Sarmotte an Bord der Forschungsstation gekommen war, wartete Reginald Bull darauf, dass er aus diesem Albtraum aufwachte. Aber er tat es nicht.

Trotzdem blieb das alles unwirklich. In Gedanken sah Bull sich auf die...