Psychologie des Wissensmanagements

von: Gabi Reinmann-Rothmeier, Heinz Mandl

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2004

ISBN: 9783840918155 , 390 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: DRM

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Preis: 35,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Psychologie des Wissensmanagements


 

Der Wissensbegriff im Wissensmanagement: Eine strukturgenetische Sicht (S. 11-12)

Thomas Bernhard Seiler und Gabi Reinmann

1 Die Ausgangssituation

Seít den Anfängen des Wissensmanagements zu Beginn der 90er Jahre hat sich viel geändert – sowohl in Bezug auf Methoden und Techniken in der Praxis als auch in Bezug auf theoretische Rahmenkonzepte und Auffassungen vom Wissensbegriff. In den ersten Wissensmanagement-Jahren, die stark von der ingenieurswissenschaftlichen Richtung geprägt waren (Wissensmanagement als logische Folge des Informationsmanagements), dominierten Vorstellungen von Wissen, die wir heute als naiv bezeichnen würden: Wissen wurde weitgehend mit Information gleichgesetzt, es herrschte die „Paketmetapher" des Wissens und damit die Auffassung, Wissen sei etwas, das man – wie jedes andere Ding auch – „besitzen" könne („Haben-Perspektive", vgl. Schneider, 1996). Als betriebswirtschaftliche und vor allem soziologische Wissensmanagement-Ansätze aufkamen und bekannt wurden, wuchs die Kritik an der Paketmetapher des Wissens und das Bestreben, Information und Wissen zu unterscheiden. Ein populäres Beispiel dafür ist die nach wie vor verbreitete „Wissenstreppe": Diese visualisiert Zeichen, Daten, Information und Wissen als Treppe, deren weitere Stufen das Können, das Handeln und die Kompetenz umfassen (vgl. North, 2002). Wissen erlangte damit den Charakter eines „veredelten Stoffs", dem Daten und Information als Rohlinge zugrunde liegen. Heute trifft man kaum mehr auf Wissensmanagement- Bücher, die Wissen nicht als personen- und kontextabhängig sowie als gebunden an den „Wissensträger" und als Fähigkeit zum Handeln umschreiben. Wissen hat den Weg vom Ding zum Prozess offenbar geschafft („Sein-Perspektive", vgl. Schneider, 1996). Parallel dazu hat vor allem Nonaka (Nonaka & Takeuchi, 1995) die Unterscheidung zwischen implizitem und explizitem Wissen in die Wissensmanagement- Diskussion gebracht.

Von besonderem Interesse ist dabei die Frage, wie man implizites Wissen erfassen und weitergeben kann, das sich per definitionem nicht oder nur schwer artikulieren lässt. Seitdem streitet man sich, ob explizit vorliegendes Wissen überhaupt noch als Wissen bezeichnet werden darf (weil es doch eigentlich nur Information ist), und ob man den Wissensbegriff nicht besser auf das schwer oder gar nicht artikulierbare implizite Wissen eingrenzen sollte. Aus psychologischer Sicht ist diese hier nur sehr knapp skizzierte Entwicklung des Wissensbegriffs im Wissensmanagement einerseits zu begrüßen, löst sie doch – zumindest theoretisch – naive Vorstellungen vom Wissen als einem leicht manipulierba- ren „Ding" allmählich ab. Ärgerlich aber ist andererseits, dass diese theoretischen Überlegungen mit mehreren Schönheitsfehlern versehen sind: Erstens bleibt man mit der Unterscheidung zwischen Information und Wissen ebenso wie mit der Differenzierung in implizites und explizites Wissen sehr häufig auf halbem Wege bzw. an der Oberfläche stehen. So wird vor allem konstruktivistisches Gedankengut in der Wissensmanagement- Praxis zwar aufgenommen, aber selten tief durchdrungen und verstanden. Zweitens folgen selbst den bestehenden theoretischen Überlegungen zum Wissensbegriff in der Wissensmanagement-Praxis keine oder kaum geeignete Taten: Während der Wissensbegriff mehr oder weniger tief und ernsthaft differenziert wird, bleiben die meisten Wissensmanagement-Instrumente auf der technischen Ebene stehen und damit der alten Paketmetapher – wenn auch verdeckt – verpflichtet. Und drittens verstecken sich anspruchsvolle Auseinandersetzungen mit dem Wissensbegriff in theoretischen und praxisfernen Abhandlungen, die kein Wissensmanager versteht und von daher natürlich auch nicht zur Kenntnis nimmt oder aber – wie erwähnt – fragmentarisch heranzieht und für die Praxis in einer Weise fruchtbar macht, die nicht immer im Sinne ihrer „Erfinder" ist. Basierend auf dieser Ausgangssituation gehen wir davon aus, dass es auch heute noch eine Reihe von Missverständnissen und Versäumnissen, zum Teil auch unterschwelligen Vorurteilen und fest verwurzelten Überzeugungen gibt, wenn es um den Wissensbegriff im Wissensmanagement geht. Diesen Missverständnissen und Versäumnissen sowie den theoretischen Lösungsmöglichkeiten aus dieser unbefriedigenden Situation wollen wir uns in diesem Beitrag widmen. Um den Rahmen nicht zu sprengen, konzentrieren wir uns auf die Beobachtung, dass Wissen auch in fortgeschritteneren Ansätzen nach wie vor eine Reduktion in zweifacher Weise erfährt: nämlich eine Reduktion auf Sprache und eine Reduktion auf Rationalität.

Die Ursachen für diese Reduktionen sind vielfältig; die wichtigsten aber dürften zum einen in philosophischen Rückzugstendenzen (nämlich in der Konzentration auf sprachanalytische Ansätze) und in kognitionswissenschaftlichen Positionen (nämlich im Modell der Informationsverarbeitung) liegen. Beiden Tendenzen setzen wir eine strukturgenetische Auffassung von Wissen gegenüber, die zum einen unmittelbare und verstehbare Folgen für die Wissensmanagement-Praxis hat und zum anderen in ein humanes Wissensmanagement mündet, das den psychologischen Gegebenheiten des Menschen unserer Ansicht nach besser gerecht werden kann als andere Ansätze.