Endstation Bologna? - Zehn Jahre europäischer Hochschulraum

von: Sonja Staack, Andreas Keller, Klemens Himpele

wbv Media, 1949

ISBN: 9783763943661 , 216 Seiten

Format: PDF, OL

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Endstation Bologna? - Zehn Jahre europäischer Hochschulraum


 

B1 "Schön, dass wir darüber gesprochen haben …" Was kann und wird der Bund noch tun? (S. 57-58)

Peter Greisler

Als die GEW mir angeboten hat, in diesem Tagungsband einen Beitrag unter obigem Titel zu veröffentlichen, wollte ich das zunächst ablehnen, weil dieser Titel falsche Vorurteile transportiert. In etwa: Debattieren nutzt nichts, zentral regeln kann der Bund nichts, aber darauf käme es eigentlich an. Tatsächlich ist das eine wunderbare Gelegenheit, dieser Sicht zu widersprechen und zwar in allen drei Punkten.

Der Bologna-Prozess, den wir auf der Tagung „Endstation Bologna?“ gründlich erörtert haben, ist selbst der beste Beweis dafür, dass Debatten etwas bewirken. Die Bologna-Erklärungen sind alle völkerrechtlich nicht verbindlich und dennoch halten sich die Staaten weitgehend daran, weil in langen Debatten auf verschiedenen Ebenen Ministerien, Hochschulrektoren, Studierende, Gewerkschaften und Arbeitgeber/-innen einen Konsens gefunden haben, den sie richtig finden und nun auch durchsetzen wollen. Die Debatten vermehren auch das Wissen übereinander und führen zu Lern erfolgen, die die Beteiligten in ihren Ländern umsetzen. Inspiriert durch das niederländische Beispiel haben wir zum Beispiel die Auslandsförderung ab dem ersten Semester für Auszubildende mit ständigem Wohnsitz im Inland eingeführt. Das regelmäßige Gespräch mit den Kolleginnen und Kollegen anderer Staaten bringt neue Erkenntnisse, ebenso wie der Datenvergleich zwischen den nationalen Bildungssystemen: Woran liegt es, dass in Deutschland die an ausländischen Hochschulen erbrachten Leistungen relativ schlecht anerkannt werden? In langen Debatten mit ausländischen Kollegen und Kolleginnen fiel eine unterschiedliche Herangehensweise auf. Die Kollegen und Kolleginnen sagten, man habe die Studienleistung anerkannt, da sie sich von der in der inländischen Universität verlangten Leistung nicht wesentlich unterscheide, während die Deutschen meinten, man könne sie nicht anerkennen, da sie nicht gleichwertig sei. Hier ist die gleiche rechtliche Grundlage, nämlich die Lissabon-Konvention, einmal so und einmal so verstanden worden. Tatsächlich soll die Anerkennung nur verweigert werden, wenn sich die Leistung wesentlich unterscheidet.

Neue Debatten, neue Perspektiven

Neue Begrifflichkeiten, die in der Debatte entstehen, eröffnen neue Perspektiven. Der Begriff „participative equity“ wird verwendet für das Ziel, das wir in London beschlossen haben: „(…) that the student body entering, participating in and completing higher education should reflect the diversity of our populations“ (London Communiqué 2007). Die deutschen Begriffe Gleichheit, Chancengleichheit, Chancengerechtigkeit haben lange den Blick darauf verstellt, dass wir bestimmte Gruppen unserer Gesellschaft ungleich behandeln müssen, damit sie ausreichend an Bildung teilhaben können. Werden alle gleich behandelt, dann kann es immer noch passieren, dass eine große Gruppe einer Religionsgemeinschaft oder von Migranten und Migrantinnen nicht ausreichend an der Hochschulbildung teilhat, was für die Gesellschaft langfristig schädlich ist. Das definierte Ergebnis (Teilhabe aller Gruppen der Gesellschaft) müssen wir mit allen geeigneten Maßnahmen anstreben. In der Dresdner Erklärung der Bundesregierung und der Regierungschefs der Länder vom 22.10.2008 finden sich Beispiele für gezielte Förderung bestimmter unterrepräsentierter Gruppen, um gleiche Teilhabe an Bildung und Arbeit zu erreichen. Zwei Beispiele: „die Länder wollen … mehr Männer als Fachkräfte für die Erziehung … der Kinder gewinnen“, „der Bund will mit dem nationalen Pakt für mehr Frauen in MINT-Berufen … gezielt junge Frauen für diese Berufe“ gewinnen – Felder, in denen pure Gleichberechtigung (jeder Mann hat das gleiche Recht wie Frauen, sich auf die Stelle im Kindergarten zu bewerben, jede Frau hat das gleiche Recht wie Männer, sich im Fach Maschinenbau einzuschreiben) nicht zum gewünschten Ergebnis führte.