Das Gold der Maori - Roman

von: Sarah Lark

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2010

ISBN: 9783838701745 , 752 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 9,99 EUR

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Das Gold der Maori - Roman


 

KAPITEL 6 (S. 82-83)

Die Tage im Kerker waren die Hölle, und es wurde nicht dadurch besser, dass man Billy Rafferty zwei Tage nach Michaels Verhaftung in das Verlies neben ihn sperrte. Im Gegenteil, jetzt hörte Michael auch noch Billys Schreien und Weinen während der Verhöre. Immer wieder versuchten die Ankläger, irgendwelche Informationen aus den Delinquenten herauszuprügeln, aber Michael blieb standhaft, und Billy hatte längst alles gesagt, was er wusste. Michael ertrug es kaum, die Peitschenhiebe zu hören, die trotzdem auf den Rücken seines Freundes einprasselten; sie schmerzten ihn fast mehr als die Schläge, die er selbst bezog.

Billys Verrat hatte er längst vergeben. Es war seine eigene Schuld gewesen. Billy konnte weder mit Geld umgehen, noch wäre er fähig gewesen, das Geschäft mit dem Whiskey weiterzubetreiben. Ihn in den Diebstahl hineinzuziehen war fahrlässig gewesen. Michael hätte sich besser einen Helfer aus den Bergen geholt oder mit seinen jüngeren Brüdern gearbeitet. Jonny und Brian konnten schweigen. Aber letztlich war er doch davor zurückgeschreckt, die Kinder zum Diebstahl zu verleiten.

Bei Billy dagegen war nicht viel Überredungskunst nötig gewesen. Der hatte sich begeistert beteiligt – und das hatten sie nun davon. Michael selbst galt im Gefängnis bald als hoffnungslos verstockt. Man strich ihm selbst die kargen Portionen Porridge zusammen, von denen die Gefangenen in Wicklow Gaol lebten. Weihnachten 1846 verbrachte er bei Wasser und verschimmeltem Brot im stockdunklen Kerker, dachte an Kathleen und hörte auf Billys Schluchzen in der Zelle nebenan. Verzweifelt klammerte er sich an die schönen Bilder der Vergangenheit.

Er beschwor Kathleens weißen Körper im Gras in den Feldern am Fluss, rief sich jeden Kuss in Erinnerung, jede Zärtlichkeit, und dachte an das Kind in ihrem Leib. Es durfte nicht so enden! Michael war entschlossen, zu Kathleen zurückzukehren, auch wenn man ihn ans Ende der Welt verschiffen würde. Zum Jahresende ließ der Eifer der Rotröcke nach, weitere Geständnisse von Michael und Billy zu erzwingen. Stattdessen erschien ein geschniegelter Mann, dessen Anzug allerdings schon bessere Tage gesehen hatte, und stellte sich als ihr Anwalt vor. Michael hörte, wie Billy ihm noch einmal unter Tränen die gesamte Geschichte erzählte.

Er selbst blieb auch dieses Mal stumm. Er glaubte nicht daran, dass der windige Advokat irgendetwas für ihn tun konnte. Auf Diebstahl stand Verbannung. Man würde sie verurteilen. Und das Strafmaß war mehr oder weniger gleichgültig. Wer einmal in Australien landete, kam nie wieder zurück. Bis jetzt, dachte Michael starrsinnig. Er würde es schaffen. Es gab kein Gefängnis, dem man nicht entfliehen konnte. Um ein ganzes Land vermochte niemand Mauern zu ziehen, und wenn dieses Australien eine Insel war, so würde er eben schwimmen! Michael sehnte sich danach, Kathleen wenigstens schreiben zu können.

Wie die meisten Kinder im Dorf beherrschte er diese Fähigkeit zumindest in Ansätzen, Father O’Brien pflegte die Jungen und Mädchen zu unterrichten. Aber solange er im Kerker saß, war nichts zu machen. Selbst wenn Michael noch einen Penny gehabt hätte, um die Wachen zu bestechen, so hätte er zuerst um eine Lampe bitten müssen. In seinem Verlies konnte er kaum die Hand vor Augen sehen. Und sosehr er Kathleen liebte – er wusste nicht, ob er Feder und Papier wirklich ein paar Scheiten Holz vorgezogen hätte, mit denen man die eisig kalten Zellen hätte heizen können.