Redshirts - Roman

von: John Scalzi

Heyne, 2012

ISBN: 9783641095550 , 432 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 11,99 EUR

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Redshirts - Roman


 

Prolog


Fähnrich Tom Davis hockte auf einem großen Felsblock und blickte quer durch die weitläufige Höhle zu Captain Lucius Abernathy, Wissenschaftsoffizier Q’eeng und Chefingenieur Paul West, die auf einem zweiten, noch größeren Felsblock saßen, und dachte: Das ist echt scheiße.

»Borgovianische Landwürmer!«, sagte Captain Abernathy und schlug mit der offenen Handfläche auf den Felsen. »Ich hätte es wissen müssen!«

Du hättest es wissen müssen? Wie zum Henker hättest du es nicht wissen können?, dachte Fähnrich Davis und blickte auf den weitläufigen Erdboden der Höhle. Die pulverartige Oberfläche erzitterte sich hier und da in schemenhaften Wellen, die auf die Bewegungen der riesigen fleischfressenden Würmer hindeuteten.

»Ich finde, wir sollten da nicht einfach hineinspazieren«, hatte Davis zu Chen gesagt, dem zweiten Besatzungsmitglied des Außenteams, als sie auf die Höhle gestoßen waren. Doch Abernathy, Q’eeng und West waren bereits eingetreten, obwohl Davis und Chen ihr Sicherheitskommando waren.

Chen, der noch neu war, hatte nur geschnauft. »Ach, komm schon«, sagte er. »Es ist doch nur eine Höhle. Was soll es da drinnen schon geben?«

»Bären?«, hatte Davis gesagt. »Wölfe? Irgendwelche anderen Raubtiere, die eine Höhle als willkommenen Schutz vor den Elementen betrachten? Warst du noch nie campen?«

»Es gibt keine Bären auf diesem Planeten«, hatte Chen erwidert und hartnäckig Davis’ Argument ignoriert. »Außerdem haben wir Pulswaffen. Nun komm schon. Dies ist meine erste Außenmission. Ich möchte nicht, dass sich der Captain wundert, wo ich abgeblieben bin.« Dann war er den Offizieren hinterhergelaufen.

Von seinem Felsblock blickte Davis auf den blutigen Schmierfleck im Höhlenboden, der von Chen übrig geblieben war. Die Landwürmer waren von den Geräuschen der Menschen in der Höhle angelockt worden und hatten sich zu ihm vorgegraben, um ihn dann hinunterzuziehen, bis nur noch seine hallenden Schreie und der Schmierfleck von seiner Anwesenheit gezeugt hatten.

Obwohl das nicht ganz stimmt, dachte Davis und starrte ein Stück tiefer in die Höhle, wo die Hand lag, die immer noch die Pulswaffe hielt und die Chen rein gar nichts genützt hatte, wie sich herausstellte.

Der Boden bewegte sich, dann war die Hand mit einem Mal verschwunden.

Na gut, jetzt stimmt es, dachte Davis.

»Davis«, rief Captain Abernathy. »Bleiben Sie, wo Sie sind! Jede Bewegung auf dem Boden würde die Würmer anlocken, die Sie im nächsten Moment fressen würden!«

Danke für diese nutzlose und völlig offensichtliche Information, du Volltrottel, dachte Davis, aber er sagte es nicht, weil er ein Fähnrich und Abernathy der Captain war. Stattdessen sagte er: »Aye, Captain.«

»Gut«, sagte Abernathy. »Ich möchte nicht, dass Sie unbedacht losstürmen und diesen Würmern zum Opfer fallen. Ihr Vater würde es mir nie verzeihen.«

Was?, dachte Davis und erinnerte sich plötzlich daran, dass Captain Abernathy an Bord der Benjamin Franklin unter seinem Vater gedient hatte. Der unglückseligen Benjamin Franklin. Davis’ Vater hatte dem damaligen Fähnrich Abernathy tatsächlich das Leben gerettet, als er den Bewusstlosen in die Fluchtkapsel geworfen hatte, bevor er selbst hineingesprungen war und die Kapsel gestartet hatte, als die Franklin genau in diesem Moment auf spektakuläre Weise um sie herum explodierte. Drei Tage lang waren sie im All getrieben und hatten fast den letzten Rest ihrer Atemluft verbraucht, als sie endlich gerettet wurden.

Davis schüttelte den Kopf. Es war sehr merkwürdig, dass jetzt all diese Einzelheiten über Abernathy in seinem Kopf auftauchten, vor allem in Anbetracht der Umstände.

Wie aufs Stichwort sagte Abernathy: »Ihr Vater hat mir einmal das Leben gerettet, müssen Sie wissen.«

»Ich weiß …«, begann Davis und wäre dann fast von seinem Felsblock gestürzt, als die Landwürmer sich unvermittelt dagegenwarfen und ihn wanken ließen.

»Davis!«, rief Abernathy.

Davis kauerte sich nieder und drückte sich an den Felsblock, um einen möglichst guten Halt zu haben. Er blickte zu Abernathy hinüber, der sich nun mit Q’eeng und West beriet. Ohne sie hören zu können, wusste Davis, dass sie sich ins Gedächtnis riefen, was sie über borgovianische Landwürmer wussten, und einen Plan auszuarbeiten versuchten, wie sie die Kreaturen unschädlich machen und ohne Gefahr tiefer in die Höhle vordringen konnten, bis sie die Kammer mit dem uralten Zentralcomputer der Borgovianer erreicht hatten, der ihnen vielleicht einen Hinweis auf das Verschwinden dieses weisen und mysteriösen Volks geben konnte.

Du solltest dich wirklich auf deine aktuelle Situation konzentrieren, dachte ein Teil von Davis’ Gehirn, und er schüttelte erneut den Kopf. Davis konnte dieser Empfehlung nicht widersprechen. Sein Gehirn hatte sich einen komischen Moment ausgesucht, um einen ganzen Schwung irrelevanter Informationen vom Stapel zu lassen, die ihm in seiner derzeitigen Lage nicht weiterhalfen.

Die Würmer rüttelten wieder an seinem Felsblock. Davis hielt sich fest, so gut er konnte, und sah, wie Abernathy, Q’eeng und West sich noch aufgeregter um eine Lösung des Problems bemühten.

Davis kam plötzlich ein Gedanke. Du gehörst zum Sicherheitskommando. Du hast eine Pulswaffe. Du könntest diese Dinger einfach verdampfen lassen.

Davis hätte sich gegen den Kopf geschlagen, wenn die Würmer nicht bereits dasselbe mit dem Felsblock getan hätten. Natürlich! Die Pulswaffe! Er griff an seinen Gürtel, um das Waffenholster zu öffnen. Gleichzeitig fragte sich ein anderer Teil seines Gehirns, warum Captain Abernathy oder einer der anderen es ihm nicht längst befohlen hatte, wenn die Lösung ganz einfach darin bestand, auf die Würmer zu schießen.

Ich scheine heute eine Menge Stimmen im Kopf zu haben, sagte ein dritter Teil von Davis’ Gehirn. Er beachtete diese Stimme nicht weiter und zielte auf eine Welle, die sich durch den Sand auf seinen Felsblock zubewegte.

Abernathys Ruf »Davis! Nein!« erklang in genau dem Moment, als Davis feuerte und einen gepulsten Strahl aus kohärenten, disruptiven Partikeln in den Sand jagte. Aus der Bodenwelle kam ein schrilles Kreischen, gefolgt von peitschenden Bewegungen, gefolgt von einem bedrohlichen Rumpeln. Schließlich brach der Boden der Höhle auf, als Dutzende Würmer gleichzeitig an die Oberfläche kamen.

»Die Pulswaffe ist unwirksam gegen borgovianische Landwürmer!«, hörte Davis die Worte des Wissenschaftsoffiziers Q’eeng inmitten des unbeschreiblichen Lärms der um sich schlagenden Würmer. »Die Frequenz des Pulses treibt sie in den Wahnsinn. Fähnrich Davis hat soeben sämtliche Würmer der Umgebung herbeigerufen!«

Hättest du mir das nicht sagen können, bevor ich geschossen habe?, hätte Davis gern zurückgeschrien. Du hättest schon vorher sagen können: Ach, übrigens sollte man niemals mit einer Pulswaffe auf borgovianische Landwürmer feuern. Schon bei der Einsatzbesprechung im Schiff. Als wir die Landung auf Borgovia geplant haben. Wo es verdammte borgovianische Landwürmer gibt.

Davis schrie es nicht, weil ihm klar war, dass Q’eeng ihn auf gar keinen Fall hören würde. Außerdem war es bereits zu spät. Er hatte gefeuert. Die Würmer waren bereits durchgedreht. Wahrscheinlich würde jetzt jemand sterben.

Höchstwahrscheinlich würde es Fähnrich Davis sein.

Durch das Rumpeln und den aufgewühlten Staub blickte Davis zu Abernathy hinüber, der zu ihm herüberblickte, die Stirn in tiefe Sorgenfalten gelegt. Dann fragte sich Davis, wann Abernathy jemals vor dieser Mission mit ihm gesprochen hatte.

Aber Abernathy musste mit ihm gesprochen haben – schließlich waren er und Davis’ Vater seit der Vernichtung der Franklin enge Freunde geworden. Gute Freunde. Es war sogar wahrscheinlich, dass Abernathy Davis bereits als kleinen Jungen kennengelernt hatte, und vielleicht hatte er sogar seine Verbindungen spielen lassen, um dem Sohn seines Freundes einen begehrten Posten in der Intrepid zu verschaffen, dem Flaggschiff der Universalen Union. Der Captain konnte nicht allzu viel Zeit mit Davis verbracht haben – ein Captain durfte sich keine Günstlingswirtschaft mit den unteren Rängen erlauben –, aber sie hatten sich bestimmt schon einmal unterhalten. Ein paar Worte hier oder da, wenn sich Abernathy vielleicht nach Davis’ Vater erkundigte. Oder auf anderen Außeneinsätzen.

Doch Davis konnte sich an nichts dergleichen erinnern.

Plötzlich hörte das Rumpeln auf. So schnell, wie die Würmer in Raserei verfallen waren, schienen sie sich wieder in den Boden zurückzuziehen. Der Staub legte sich.

»Sie sind fort!«, hörte Davis sich rufen.

»Nein«, erwiderte Abernathy. »Sie sind intelligenter, als Sie glauben.«

»Ich könnte es zum Höhleneingang schaffen!«, hörte Davis sich sagen.

»Bleiben Sie, wo Sie sind, Fähnrich!«, sagte Abernathy. »Das ist ein Befehl!«

Aber Davis war bereits von seinem Felsblock gesprungen und lief auf den Höhleneingang zu. Ein Teil seines Gehirns empörte sich über diese irrationale Handlung, aber dem Rest von Davis war es egal. Ihm war nur klar, dass er sich bewegen musste. Es war wie ein zwanghafter Trieb. Als hätte er keine andere Wahl.

Abernathy schrie »Nein!«, fast in Zeitlupe, und Davis legte die Hälfte der...