Mehr Lust für ihn - Was Männer beim Sex verrückt macht

von: Ian Kerner

Goldmann, 2009

ISBN: 9783641029029 , 320 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

Windows PC,Mac OSX für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 7,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Mehr Lust für ihn - Was Männer beim Sex verrückt macht


 

Einleitung

Die Idee zu dem Buch Mehr Lust für ihn kam mir, als ich gerade unterwegs war, um Mehr Lust für sie zu promoten. Auf jeder Station meiner Lesereise wandten sich Frauen mit ihren Fragen und Kommentaren an mich.

Vielen ging es um die Philosophie hinter Mehr Lust für sie. Gleichzeitig wollten sie wissen, wie sie ihre Männer dazu bringen könnten, das Buch zu lesen, ohne sie zu verletzen oder zu verärgern – ein Thema, auf das ich später noch zurückkommen werde: Wie geht man mit sexuellen Besserwissern um, die eigentlich nicht sehr viel Ahnung haben? Andere dankten mir für zahlreiche fantastische Orgasmen und wollten wissen, wann sie mit einem Ratgeber rechnen konnten, der es ihnen ermöglichen würde, sich zu revanchieren.

Ehrlich gesagt war ich von diesem Interesse etwas überrascht. Schließlich herrscht auf dem Buchmarkt nicht gerade ein Mangel an Literatur zu diesem Thema. Wenn überhaupt waren die vielen Ständer – man verzeihe mir dieses Wortspiel – mit Büchern, wie man Männer befriedigt, überhaupt erst der Grund, warum ich beschloss, Mehr Lust für sie zu schreiben und auf diese Weise für einen gewissen Ausgleich auf der Spielwiese der Sexualität zu sorgen. Aber anscheinend herrscht da immer noch Nachholbedarf. Als ich wissen wollte, was sich die Frauen von einem Sex-Ratgeber zum Thema, wie man Männer befriedigt, eigentlich erwarteten, sagten sie alle mehr oder weniger dasselbe: »Einen Sex-Guide für intelligente Frauen – ein Buch, das weder uns noch unsere Partner wie Idioten behandelt.«

Immer wieder hörte ich, dass Sex-Ratgeber die männliche Sexualität meist recht primitiv darstellen. Sie reduzieren die Kunst, einen Mann zu verführen, auf ein paar wenige simple Tricks: Strapse, Sex-Spielzeug, eine ausgefeilte Blow-Job-Technik oder eine pikante neue Stellung sind anscheinend alles, was man braucht, um einen Kerl bei Laune zu halten und ihn sexuell zu befriedigen. Doch in Wahrheit sind Männer, genauso wie Frauen, äußerst komplexe, undurchschaubare und unbegreifliche Wesen. In der Realität ist unser Liebesleben alles andere als einfach und von unterschwelligen Botschaften, Missverständnissen, Doppeldeutigkeiten, aber auch von unausgesprochenen Bedürfnissen und heimlichen Sehnsüchten geprägt.

Eine Frau Anfang dreißig hat das wunderbar zusammengefasst: »Das Klischee, dass Männer mit dem Schwanz denken bzw. zwei Köpfe haben, könnte gar nicht weiter von der Wirklichkeit entfernt sein. Letztendlich gibt es nur einen Kopf, und wer seinen Penis wirklich verstehen möchte, muss erst einmal einen Blick hineinwerfen.«

Ich kann ihr da nur beipflichten.

Zum Glück lieben es die Männer, (mit mir) über Sex zu reden. Und zwar nicht nur in meiner Praxis, sondern wirklich überall. Ich kann kaum auf die Straße gehen, ohne dass ich auf dieses Thema angesprochen werde – vom UPS-Boten, vom Fitnesstrainer, von meinem Nachbarn über mir. So gesehen weiß ich besser Bescheid, was den Mann hinter der Feinkosttheke antörnt, als seine eigene Frau (was logischerweise ein Teil des Problems ist).

Vor allem ein Mann namens Charlie bringt mich immer wieder zum Lachen. Er ist Pharmareferent, und da wir uns ein Büro teilen, begegne ich ihm immer wieder am Kaffeeautomaten. Da er vom Aussehen her locker mit George Clooney mithalten kann, hat Charlie ein Liebesleben, um das ihn die meisten Männer beneiden werden. Jedes Mal, wenn ich ihn sehe, beugt er sich vor und flüstert mir begeistert ins Ohr: »Meine Güte, Doc, letzte Nacht hatte ich den besten Sex meines Lebens. Sie war einfach unglaublich. Wenn Sie kurz Zeit haben, würde ich Ihnen gern erzählen …«

Dann muss ich ihn jedes Mal abwürgen und unter irgendeinem Vorwand das Weite suchen. Ich habe schließlich noch anderes zu tun! Ich habe Patienten, Termine, eine Frau und einen Sohn – wenn ich mich auf jeden einlasse, der mit mir über Sex reden will, würde ich gar nichts mehr geregelt bekommen.

Aber als ich beschloss, Mehr Lust für ihn zu schreiben, tat ich genau das: Ich blieb stehen und hörte jedem Mann zu, der mit mir über Sex reden wollte. Ich riss mich regelrecht darum: In jeder Stadt, in die mich meine Lesereise führte, sprach ich mit allen möglichen Männern. Und jedes Mal stellte ich dieselbe Einführungsfrage: »Erzählen Sie mir vom besten Sex, den Sie je hatten.«

Daraufhin bekam ich tatsächlich so allerhand zu hören. Ich erfuhr nicht nur alles über den besten Sex, den sie jemals gehabt, sondern auch über den besten Sex, den sie niemals gehabt hatten – über jene unerfüllten Wünsche und Sehnsüchte, die sie ihren Partnerinnen, aus lauter Angst, sie zu verstören, niemals anvertraut hatten. Ich habe die Frage »Bin ich normal?« so oft gehört, dass ich zur Überzeugung gelangt bin, das einzig Normale in Sachen Sex besteht darin, dass jeder anders ist.

Um einen Mann wirklich kennen zu lernen, muss man im Grunde in seine Haut schlüpfen, sich in ihn hineinversetzen. Nur so kann man herausfinden, wie es sich anfühlt, einen Penis zu haben und alle damit verbundenen Phantasien, Sehnsüchte, Ängste und Unsicherheiten. So gesehen ist Teil I von Mehr Lust für ihn Ihre persönliche Variante der Body-Switch-Komödie Ein voll verrückter Freitag: eine prima Gelegenheit, mal in die Haut eines Kerls zu schlüpfen und zu begreifen, wie er wirklich »tickt«.

Fantastischer Sex bedeutet mehr, als irgendeine Technik zu beherrschen oder zu wissen, welche Knöpfe man drücken muss. Stattdessen sollte man wissen, warum man welche Knöpfe drücken muss. Angefangen von den neuesten Erkenntnissen über die Hirnchemie des Verlangens über die Physiologie des Kuschelns bis hin zur Erläuterung der drei verschiedenen Erektionstypen, die alle Männer kennen, nehme ich Sie mit diesem Buch mit auf eine geführte Tour in seinen Körper und seinen Kopf und bringe Licht ins Dunkel.

Was Teil II anbelangt, erinnern Sie sich bestimmt noch an meine Warnung, dass dieses Buch nichts für Frauen mit Höhenangst ist. Wie Sie sicherlich ahnen, meine ich damit keine konkrete Höhen- oder Flugangst, sondern eher so etwas wie Erica Jong in ihrem Bestseller Angst vorm Fliegen, nämlich die Angst davor, neue Gipfel der Lust zu erklimmen. Die Angst vor mehr Nähe und erotischer Experimentierlust. Also bereiten Sie sich bitte seelisch darauf vor, die schwankende Brücke zu betreten und richtig zur Sache zu kommen, denn in diesem Abschnitt geht es um Taktiken, Techniken und Tipps.

Eines möchte ich jedoch vorausschicken: Mehr Lust für ihn ist kein Nachschlagewerk zu Sex-Stellungen und auch keine bloße Auflistung von Techniken und Tipps. Ich habe nicht die Absicht, Ihnen einen detailverliebten Ratgeber an die Hand zu geben, sondern möchte Ihnen eher eine klar umrissene, realistische Vorstellung einer lustvollen Sexualität vermitteln, bei der jede erläuterte Technik zum großen Ganzen beiträgt, das mehr ist als nur die Summe seiner Teile. (Und ja, liebe Frauen, keine Sorge: Das Buch enthält auch eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für den perfekten Blow-Job.)

Doch die Kunst der Fellatio ist nur eine Station auf dem Weg zu wirklicher Befriedigung. Eine lustvolle Sexualität ist weitaus mehr als nur Technik und Taktik. Das lustvolle Ausleben und Entwickeln einer eigenen sexuellen Identität sind für unsere körperliche und seelische Gesundheit, aber auch für eine funktionierende Partnerschaft unabdingbar. In einer Welt, in der der beste Sex, den wir jemals hatten, der Sex ist, den wir niemals hatten, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn sexueller Frust mit der Hauptgrund für Scheidungen ist.

Im Grunde ist Mehr Lust für ihn nur die natürliche Weiterentwicklung der feministischen Philosophie von Mehr Lust für sie, mit der ich die Männer ermutigt habe, einmal von dem bloßen Rein-Raus abzusehen und nicht nur mit ihrem Penis, sondern mit ihrer gesamten Persönlichkeit Liebe zu machen.

Während die männlichen Genitalien ganz klar den Mittelpunkt des sexuellen Empfindens des Mannes bilden, können sie sich auch negativ darauf auswirken. Mit dem Penis sind nämlich alle möglichen sexuellen Ängste verbunden, überwiegend was seine Größe, Ausdauer und Leistung betrifft. »Ist er groß genug? Ist er zu groß? Werde ich ihn hochkriegen? Und wird er steif bleiben? Was, wenn ich zu früh komme? Was, wenn es zu lange dauert?« Diese Reihe ließe sich endlos fortsetzen.

Sexualtherapeuten nennen diese übertriebene Form von Selbstbeobachtung beim Sex »Spectatoring«. Männer, die davon betroffen sind, beurteilen und kritisieren ihre Performance, während sie eigentlich noch voll bei der Sache sind. Manche Therapeuten halten das Spectatoring sogar für die Hauptursache von Sexualproblemen bei Männern. Wie schrieb der Anthropologe Lionel Tiger in seinem Buch Auslaufmodell Mann noch so schön: »Intimität wird zu einer Art künstlerischer Performance.«

Damit will ich nicht sagen, dass der Mann eine derart extreme Selbstbeobachtung betreibt, dass er zum Versager wird. Trotzdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass die meisten Männer bis zu einem gewissen Ausmaß davon betroffen sind. So wie auch einer Frau der Orgasmus versagt bleibt, weil sie sich ständig Gedanken darüber macht, wie sie beim Sex aussieht – ob sie feucht genug, eng genug, zu langsam, zu laut oder nicht laut genug ist –, kann auch die Fähigkeit des Mannes, seine Sexualität lustvoll auszuleben, dadurch beeinträchtigt werden, dass er ständig das Gefühl hat, beobachtet zu werden – vor allem dann, wenn der...