Die drei ???, und die Schattenmänner (drei Fragezeichen)

von: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer

Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, 2011

ISBN: 9783440131640 , 144 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 5,99 EUR

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Die drei ???, und die Schattenmänner (drei Fragezeichen)


 

Die Beichte der Spinne (S. 85-86)

Von der Unterhaltung, die nun folgte, verstand Justus nahezu nichts. Es wurde so schnell gesprochen, dass ihm seine bescheidenen Kenntnisse der Landessprache nicht mehr helfen konnten. Mit zwei Ausnahmen: Immer wieder fiel das Wort ›tradimento‹, und aus seinem Lateinunterricht an der Highschool in Rocky Beach wusste Justus nur allzu gut, dass das ›Verrat‹ bedeuten musste. Jedes Mal, wenn es fiel, schüttelte die Spinne heftig den Kopf.

Und nicht nur das: Sie wurde laut und böse, sie schrie den Mann in ihrem Rücken regelrecht an. Justus in seinem Versteck bewunderte sie dafür. Mehrfach wiederholte der Dicke kurze, knappe Sätze, mit steigender Lautstärke. Jedes Mal antwortete die Spinne in ebenso steigender Lautstärke mit: »No.« Manchmal sagte sie auch: »Non lo so.« Aus dem Lexikon für den Alltagsgebrauch wusste Justus, dass das: »Ich weiß es nicht«, hieß. Alberto Bergamelli beteiligte sich kaum an der ziemlich einseitigen Unterhaltung. Gegen Ende wurde der Tonfall des Dicken immer drohender. Aber zugleich glaubte Justus auch, seine wachsende Hilflosigkeit zu spüren.

Und dann war der Spuk plötzlich vorbei. Der Mann in der Tür bellte etwas, was wie ein Urteil klang. Alberto steckte der Spinne wieder den Kebel in den Mund, das Licht ging aus, und die Tür wurde zugeschlagen. Justus ballte seine nass geschwitzten Hände zur Faust: Wenn Alberto nur nicht wieder von außen abschließen würde! Aber er tat es doch. Fast höhnisch klang es, als der Schlüssel herumgedreht wurde. Vorsichtshalber wartete Justus eine halbe Minute, ehe er sein enges Gefängnis verließ. »Bleib ruhig«, sagte er in die Dunkelheit hinein, in der Hoffnung, dass die Spinne wenigstens das verstand.

Er schlich zur Tür. Bevor er das Licht aufflammen ließ, lauschte er konzentriert, mit geschlossenen Augen, ins Haus. Alles war still, bis auf die leisen, aber heftigen Atemzüge der Spinne. Kurz darauf hatte er sie losgeschnitten. »Grazie.« Sie massierte ihre Handgelenke. »Mille grazie.« Um ihren Dank zu unterstreichen, umschlang sie Justus und drückte ihm zwei lange Küsse auf beide Wangen. Und dann fügte sie lächelnd noch einen Satz hinzu, den er sich vorläufig mit:

»Du bist ein Held«, übersetzte. Er fühlte, wie er rot wurde. »Schon gut«, sagte er großmütig und bemerkte, dass sie ihn nicht verstand. Ihm fiel ein, dass er nicht einmal wusste, wie sie hieß, und kramte wieder in der Mischung aus Latein und Alltags-Italienisch, die in seinem Kopf herumgeisterte. »Nomine?«, fragte er und zeigte auf sie. »Franca.« Etwas linkisch wies er auf seine Brust. »Justus.« Wieder ging ein Lächeln über ihr Gesicht.

»Justus«, wiederholte sie, und der Erste Detektiv musste fast grinsen, so sonderbar klang sein Name aus dem Munde der jungen Römerin. Zweimal holte er tief Luft. Es bestand nur eine einzige Chance, und es gab keinen Grund, sie nicht sogleich auszuprobieren. Er reichte der Spinne das Messer und marschierte zu der Wand, die der Tür gegenüberlag. Franca ging beiseite. Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse und fasste sich an eine Schulter, so als spürte sie selbst schon den Schmerz, den Justus jetzt empfinden würde. Der Erste Detektiv biss die Zähne zusammen, schnaufte noch einmal heftig und startete.