Ewige Liebe - Black Dagger 3

von: J. R. Ward

Heyne, 2011

ISBN: 9783641066895 , 288 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 6,99 EUR

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Ewige Liebe - Black Dagger 3


 

1


»Verdammt, V, du machst mich echt fertig.« Butch O’Neal wühlte in seiner Sockenschublade nach schwarzer Seide und fand nur weiße Baumwolle.

Da, endlich … Er zog eine einzelne Socke heraus. Nicht gerade der Jackpot.

»Wenn ich dich fertigmachen wollte, Bulle, dann wären modische Strümpfe deine geringste Sorge.«

Butch blickte aus dem Augenwinkel zu seinem Mitbewohner. Seinem Gleichgesinnten in Sachen Baseball.

Einem seiner besten Freunde – die beide zufälligerweise Vampire waren.

Vishous kam gerade aus der Dusche und hatte sich ein Handtuch um die Hüfte gewickelt, was seine muskulöse Brust und die kraftstrotzenden Arme gut zur Geltung brachte. Er zog sich gerade einen schwarzen Lederhandschuh über die tätowierte linke Hand.

»Musst du immer meine guten schwarzen Socken nehmen? «

V grinste, mitten in seinem Ziegenbärtchen blitzten die Fänge auf. »Die sind so schön weich.«

»Warum bittest du Fritz dann nicht einfach, dir auch welche zu besorgen?«

»Der hat genug damit zu tun, deine Sucht nach Edelklamotten zu befriedigen, Mann.«

Okay, Butch hatte in letzter Zeit seinen inneren Versace entdeckt, von dessen Existenz bisher niemand etwas geahnt hatte. Und wenn schon. Wie schwierig konnte es denn schon sein, ein extra Dutzend Anzugsocken zu beschaffen?

»Ich frage ihn für dich.«

»Was für ein Gentleman.« V strich sich das dunkle Haar zurück. Die Tattoos an der linken Schläfe waren kurz zu sehen und verschwanden dann wieder unter den Strähnen. »Brauchst du heute Abend den Escalade?«

»Ja, bitte.« Butch quetschte seine Füße in Gucci-Treter und ließ die Strümpfe einfach weg.

»Heißt das, du triffst Marissa?«

Butch nickte. »Ich muss endlich Klarheit haben. Entweder oder.

Und er hatte das ungute Gefühl, es würde oder sein.

»Sie ist eine gute Frau.«

Das war sie mit Sicherheit, weswegen sie vermutlich derzeit seine Anrufe nicht beantwortete. Ex-Polizisten mit einer Vorliebe für Scotch waren nicht unbedingt perfektes Beziehungsmaterial für Frauen, seien sie nun Menschen oder Vampirinnen. Und die Tatsache, dass er eigentlich nicht zu den Letzteren gehörte, war auch nicht gerade hilfreich.

»Wie auch immer, Bulle, Rhage und ich genehmigen uns noch ein paar Drinks im One Eye. Du kannst ja hinterher vorbeikommen-«

Es donnerte so laut an der Tür, als ob jemand sie mit einem Rammbock bearbeiten würde. Zwei Köpfe wirbelten herum.

V zog sich das Handtuch hoch. »Verdammte Scheiße, unser Herzensbrecher muss endlich mal lernen, wie man eine Türklingel benutzt.«

»Dann rede du mit ihm. Auf mich hört er ja nicht.«

»Rhage hört auf niemanden.« V joggte zur Tür.

Während das Hämmern langsam nachließ, widmete Butch sich seiner stetig wachsenden Krawattensammlung. Er wählte eine blassblaue von Brioni, schlug den Kragen seines weißen Hemds hoch und knotete sich geschickt die Seide um den Hals. Als er fertig war und ins Wohnzimmer hinüberschlenderte, hörte er Rhage und V, die sich vor der Geräuschkulisse von »R U still down« von 2Pac unterhielten.

Butch musste lachen. O Mann, sein Leben hatte ihn ja schon an die merkwürdigsten Orte geführt, und die meisten davon waren ziemlich schlimm gewesen. Aber niemals hätte er sich träumen lassen, dass er einmal mit sechs Vampirkriegern zusammenwohnen würde, oder gar, sich an ihrem Kampf um die Erhaltung ihrer schwindenden, verborgenen Spezies zu beteiligen. Doch irgendwie gehörte er zur Bruderschaft der Black Dagger. Und er und Vishous und Rhage gaben wirklich ein irres Trio ab.

Rhage lebte zusammen mit dem Rest der Bruderschaft im großen Haus auf der gegenüberliegenden Seite des Gartens. Doch das Dreiergespann hing meistens im Pförtnerhäuschen ab, wo V und Butch wohnten. Die Höhle, wie ihre Behausung inzwischen nur noch hieß, war ein Palast im Vergleich zu den Bruchbuden, in denen Butch bisher gewohnt hatte. Er und V hatten jeder ein eigenes Schlaf- und Badezimmer, eine kleine Küche und ein Wohnzimmer, das im sympathischen, postmodernen Studentenwohnheim-Gemeinschaftsraum-Stil eingerichtet war – allerdings ein bisschen teurer, als man das gemeinhin auf dem Campus tat: zwei Ledersofas, ein HDTV-Plasmafernseher, ein Tischkicker und diverse Punchingbälle.

Als Butch um die Ecke kam, stand Rhage in all seiner Pracht vor ihm: schwarzer Ledertrenchcoat, der bis auf die Knöchel reichte. Schwarzes Muscleshirt. Mit den Stahlkappenstiefeln war er gut zwei Meter groß. In diesem Aufzug sah der Vampir schlicht und ergreifend umwerfend aus. Selbst in den Augen eines staatlich geprüften Heteros wie Butch.

Dieser Kerl setzte selbst die Gesetze der Physik außer Kraft, so gut sah er aus. Das blonde Haar war hinten kurz geschnitten und vorne etwas länger gelassen. Türkisblaue Augen wie das Meer der Karibik. Und sein Gesicht ließ Brad Pitt aussehen wie einen Kandidaten von Endlich schön.

Aber obwohl Rhage ein Charmeur sein konnte, war er beileibe kein verzärteltes Jüngelchen. Unter der strahlenden Oberfläche brodelte etwas Dunkles, Tödliches, und das sah man auf den allerersten Blick. Er verströmte die Aura eines Mannes, der die Dinge mit seinen Fäusten regelt, auch wenn er unterwegs ein paar Zähne ausspucken muss.

»Was läuft, Hollywood?«, fragte Butch.

Rhage lächelte und entblößte seine perlweißen Beißerchen inklusive der langen Fangzähne. »Zeit für die Jagd, Bulle.«

»Verflucht, du alter Blutsauger, hat es dir gestern Nacht noch nicht gereicht? Diese Rothaarige sah ganz schön heftig aus. Genau wie ihre Schwester.«

»Du kennst mich doch. Ich bin immer hungrig.«

Zu Rhages Glück gab es endlosen Nachschub an Frauen, die mehr als bereit waren, seinen Bedürfnissen nachzukommen. Und der Kerl hatte Bedürfnisse. Trank nicht. Rauchte nicht. Aber er hatte einen Frauenverschleiß, wie Butch es noch nicht erlebt hatte.

Und es war beileibe nicht so, dass Butch sonst nur Chorknaben kannte.

Rhage sah V an. »Zieh dich an, Mann. Oder wolltest du im Handtuch ins One Eye?«

»Geh mir nicht auf den Sack, Bruder.«

»Dann beweg endlich deinen Hintern.«

Auf dem Tisch türmte sich eine Computerlandschaft, bei deren Anblick Bill Gates angefangen hätte zu sabbern. Von seiner Kommandozentrale aus steuerte Vishous das gesamte Sicherheits- und Überwachungssystem des Geländes, einschließlich des Haupthauses, der Trainingsräume im Keller, der Grotte und ihrer Höhle, so wie auch die unterirdischen Tunnel, die die Gebäude miteinander verbanden. Er kontrollierte alles: die automatischen Stahlrollläden vor jedem Fenster; die Schlösser der Stahltüren; die Temperatur in allen Räumen; das Licht; die Überwachungskameras; die Eingangstore.

V hatte den ganzen technischen Zirkus selbst installiert, bevor die Bruderschaft vor drei Wochen hier eingezogen war. Die Gebäude und Tunnel gab es schon seit dem frühen 20. Jahrhundert, aber den Großteil der Zeit waren sie unbenutzt geblieben. Nach den Ereignissen im vergangenen Juli aber war gemeinschaftlich beschlossen worden, die Operationen der Bruderschaft besser zu koordinieren, und sie alle waren hierher gezogen.

Als V in sein Zimmer ging, wickelte Rhage einen Lolli aus und steckte ihn sich in den Mund. Butch konnte spüren, wie der Bursche ihn anstarrte. Und er war kein bisschen überrascht, als der Bruder loslegte.

»Also, Bulle, ich kann nicht fassen, dass du dich für einen Trip ins One Eye dermaßen aufdonnerst. Ich meine, selbst für deine Verhältnisse ist das ganz schön saftig. Die Krawatte, die Manschettenknöpfe – das ist alles neu, oder?«

Butch strich sich die Krawatte auf der Brust glatt und griff nach seiner schwarzen Anzugjacke. Er wollte jetzt nicht über Marissa sprechen. Vorhin mit V war es schon schwer genug gewesen, das Thema zu umgehen. Außerdem, was sollte er schon sagen?

Sie hat mich total aus den Socken gehauen, als ich sie zum ersten Mal sah. Aber seit drei Wochen geht sie mir aus dem Weg, und anstatt den Wink mit dem Zaunpfahl zu verstehen, werde ich sie jetzt anbetteln wie der letzte Loser.

Genau damit wollte er Mr Perfect nicht kommen, selbst wenn er ein guter Kumpel war.

Rhage rollte den Lolli im Mund herum. »Sag mal, warum machst du dir eigentlich solche Mühe mit deinen Klamotten, Mann? Du setzt deinen Charme ja doch nicht ein. Ich meine, ständig lässt du in der Bar Mädels abblitzen. Sparst du dich für die Ehe auf?«

»Exakt, so ist es. Bis ich vor den Altar trete, bleibt er in der Hose.«

»Komm schon, das interessiert mich echt. Ist da eine bestimmte Frau im Spiel?« Als keine Antwort kam, lachte der Vampir leise. »Kenne ich sie?«

Butch verengte die Augen und überlegte, ob der Kelch vielleicht an ihm vorübergehen würde, wenn er einfach seine Klappe hielt. Wahrscheinlich nicht. Wenn Rhage einmal anfing, hörte er nicht mehr auf, bis er seiner Meinung nach fertig war. Bei Gesprächen ebenso wie im Kampf.

Versonnen schüttelte Rhage den Kopf. »Will sie dich nicht?«

»Das werde ich heute Abend herausfinden.«

Butch prüfte seine Finanzen. In sechzehn Jahren bei der Mordkommission hatte er kaum etwas auf die Seite legen können. Aber seit er sich mit der Bruderschaft herumtrieb, hatte er so viel Asche, dass er gar nicht alles ausgeben konnte.

»Du hast Glück, Bulle.«

Butch warf ihm einen Seitenblick zu. »Wie kommst du darauf?«

»Ich habe mich schon immer gefragt, wie es wohl wäre, sich für eine gute Frau zu entscheiden.«

Butch lachte. Der Typ war ein Sexgott, eine erotische Legende seiner...