Finding Mr. Wright - Roman

von: K. A. Linde

Heyne, 2019

ISBN: 9783641239176 , 368 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 9,99 EUR

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Finding Mr. Wright - Roman


 

2

Jensen

»MEINE SCHWESTER, DIESES KLEINE LUDER, ist schon wieder schwanger, und dieses Mal will sie es behalten«, sagte ich zu niemand Bestimmtem, während ich fachmännisch die rote Fliege an meinem Hals band.

»Ja, das ist dann wohl auch der Grund für die heutige Hochzeit, Jensen«, erwiderte mein Bruder Austin. Seine Fliege hing immer noch lose um seinen Hals, und er war schon bei seinem dritten Glas Whiskey. Mit neunundzwanzig Jahren war er bereits auf dem besten Weg, derjenige zu werden, der unseren Familiennamen in Verruf brachte. Wenn er nicht aufpasste, würde er noch genauso enden wie unser Vater, der bis zu seinem Tod ein verrückter Alkoholiker gewesen war.

»Ich kann’s nicht glauben, dass wir das hier heute tun.«

»Sie ist verliebt, Mann«, sagte Austin.

Er hob sein Glas in meine Richtung und ich kämpfte gegen den Drang an, ihn einen sentimentalen Vollidioten zu nennen.

»Er ist doch nur scharf aufs Geld – das ich ihm wohl oder übel anbieten muss, weil er niemals in der Lage sein wird, für unsere kleine Schwester zu sorgen.« Endlich saß die Fliege ordentlich, und ich drehte mich zu Austin um.

»Gönn dir einen Drink. Du bist zu unentspannt, was die Sache angeht.«

Zornig starrte ich ihn an. Ich musste unentspannt an diesen Scheiß herangehen. Mit erst zweiunddreißig Jahren war ich derjenige, der für die Firma verantwortlich war. Mir war das ganze Geld überschrieben worden und somit auch die Verantwortung, für meine vier jüngeren Geschwister zu sorgen. Wenn mich das unentspannt machte, konnte er mich gerne mal am Arsch lecken.

Aber das sagte ich nicht, sondern ging lediglich durch den Raum und schenkte ihm noch mehr Whiskey nach. »Trink noch einen, Austin. Du erinnerst mich so sehr an Dad.«

»Fick dich, Jensen! Kannst du dich nicht einfach für Sutton freuen?«

»Ja, Jensen«, stimmte ihm Morgan zu, die gerade in den Raum kam. Sie trug ein bodenlanges, rotes Kleid und hatte ihr dunkles Haar hochgesteckt. Ihr Lächeln war unwiderstehlich – wie immer.

Morgan war erst fünfundzwanzig Jahre alt und die Normalste in unserer Familie. Wir hatten zwar alle unsere Probleme, aber Morgan bereitete mir am wenigsten Kummer, weshalb sie auch mein Liebling war.

»Fang du jetzt nicht auch noch an«, sagte ich zu ihr.

»Sutton ist ein eigenständiger Mensch. Das ist sie immer schon gewesen. Sie tut das, was sie will – ganz egal was andere davon halten«, sagte Morgan. Sie griff nach Austins Glas und trank einen kräftigen Schluck. »Erinnerst du dich nicht mehr an die Zeit, in der sie beschlossen hatte, sie sei eine Prinzessin mit Superkräften? Mom konnte sie fast ein ganzes Jahr lang nicht davon überzeugen, ihr Tutu, den Umhang und die Krone abzulegen.«

Bei der Erinnerung musste ich lachen. Sutton war schwierig gewesen. Verdammt, sie war immer noch schwierig! Einundzwanzig und schon so gut wie verheiratet.

»Ja, ich erinnere mich. Und ich wäre glücklicher über diese ganze Sache mit Wie-heißt-er-noch-gleich, wenn er nicht so ein komplett unfähiger Volltrottel wäre«, erwiderte ich.

»Er heißt Maverick«, fiel uns Austin ins Wort. »Und an deiner Stelle würde ich lieber mal den Mund halten, Mann. Schließlich heißt du Jensen.« Er zog meinen Namen in die Länge und betonte die zweite Silbe. »Das ist auch ein verdammt seltsamer Name!«

»Das ist überhaupt kein seltsamer Name. Maverick ist ein Name für Vollidioten. Besonders, weil er sich auch noch so nennen lässt und nicht Mav oder Rick oder so.«

Morgan verdrehte ihre großen, braunen Augen, die sie von unserer Mutter geerbt hatte. »Lasst uns jetzt nicht mehr über dieses Thema reden, okay? Wo steckt Landon überhaupt?«

Wie aufs Stichwort schleppte sich in dem Moment mein jüngerer siebenundzwanzigjähriger Bruder in den Raum. Seine Ehefrau Miranda, die das gleiche Kleid trug wie Morgan, folgte ihm. Meine Augen wanderten zu meiner Schwester. Sie erwiderte den Blick und sagte damit eine Million Dinge, ohne dabei auch nur ein einziges Wort auszusprechen.

»Hey, Landon!«, begrüßte Austin unseren Bruder, als ihm klar wurde, dass sonst keiner etwas sagen würde, weil Miranda ebenfalls hier war.

»Hey«, sagte Landon und setzte sich neben Austin.

Er sah müde aus.

Landon war der Einzige von uns, der nicht in der Firma beschäftigt war. Austin und Morgan arbeiteten beide für mich bei Wright Construction, und Sutton würde mit einsteigen, wenn sie erst einmal das Examen in der Tasche hatte – oder zumindest war das der Plan gewesen, bevor sie schwanger geworden war. Jetzt musste ich vermutlich Maverick an ihrer Stelle einstellen, damit sie sich um das Baby kümmern konnte.

Landon hatte sein Examen in Stanford absolviert – im Gegensatz zum Rest der Familie, denn die Wrights hatten schon immer die Texas Tech besucht, seit der Gründung der Uni in den 1920ern. Doch statt seinen Abschluss in Wirtschaft sinnvoll zu nutzen, hatte Landon das Golfspielen zu seinem Beruf gemacht. Dabei hatte er auch Miranda kennengelernt. Sie waren erst sechs Monate miteinander ausgegangen, als er bereits um ihre Hand angehalten hatte. Genau wie bei Sutton hätten wir alle schwören können, dass Miranda schwanger war und dass sie es nur auf sein Geld abgesehen hatte. Und als sie neun Monate später kein Baby bekam, waren wir alle ganz schön erstaunt gewesen.

Es war eine Sache, eine Frau wie Miranda wegen eines Babys zu heiraten. Man musste sich schließlich um sein Kind kümmern, das stand an erster Stelle. Ganz egal wer die Mutter war. Doch es war eine vollkommen andere, eine Frau wie Miranda zu heiraten, weil man sie gernhatte – oder liebte!

»Welch nettes Wiedersehen«, sagte Miranda. Sie beäugte jeden einzelnen von uns, als wollte sie herausfinden, wie sie noch mehr Geld aus der Wright-Familie herausquetschen konnte. Genauso gut hätten echte Dollarzeichen in ihren Augen aufleuchten können.

»Miranda …«, sagte Austin. Er stand auf und umarmte sie kurz. »Schön, dich zu sehen.«

»Danke, Austin«, kicherte sie.

Austin, der Friedensstifter. Das war einst Landons Aufgabe gewesen, aber damit war es jetzt vorbei. Er war es nicht mehr, seit Miranda – dieses Miststück – ihre Krallen in ihm versenkt hatte.

Als ein Mann, der bereits eine brutale Scheidung hinter sich hatte, konnte ich einfach nicht begreifen, warum Landon sich nicht längst von ihr getrennt hatte. Fünf Minuten zusammen mit Miranda in einem Raum reichten mir bereits, und Morgan flippte dabei sogar regelrecht aus. Ich hasste es, dass Landon immer so aussah, als hätte man ihm gerade unrecht getan.

Ich hatte das alles schon mal durchgemacht. Ich wusste, wie das war und wollte nicht, dass er das Gleiche erlebte. Oder unter den gleichen Konsequenzen leiden musste.

»Husch, husch, Morgan«, trällerte Miranda. »Sutton wird uns und die anderen Brautjungfern bestimmt brauchen.«

»Ganz bestimmt. Warum gehst du nicht schon mal rüber und sagst ihr, dass ich in einer Minute da bin?«, erwiderte Morgan. Sie sprach so langsam und betont, wie sie das normalerweise mit kleinen Kindern tat.

Miranda warf ihr einen giftigen Blick zu. Oder vielleicht war das auch ihr ganz normaler Gesichtsausdruck, ich war mir da nie so sicher.

Dann griff sie nach Landons Arm. »Ich seh dich bei der Zeremonie, Liebling. Kuss?«

Landon hob seinen Kopf, und sie dockte an seinen Lippen an – wie ein Blutegel.

»Ich liebe dich.«

»Ich dich auch«, erwiderte er wie auf Knopfdruck.

Als sie weg war, atmeten wir alle erleichtert auf.

»Gott segne sie«, sagte Morgan mit affektierter Stimme.

»Leute …«, stöhnte Landon. »Lasst das bitte.«

Morgan begann, die Melodie aus Die böse Hexe des Westens zu summen.

»Du wirst ihr nie eine Chance geben, was, Morgan?«, fragte Landon.

»Nein, wahrscheinlich nicht.«

»Wir sind jetzt schon seit zwei Jahren verheiratet.«

»Ich kann’s nicht glauben, dass ihr im Hotel übernachtet«, unterbrach ich die beiden.

Landon zuckte mit den Schultern, griff nach der Whiskeyflasche und schenkte sich ein Glas ein. »Miranda wollte in der Innenstadt bleiben.«

»Und bevor hier jetzt noch der Dritte Weltkrieg ausbricht, weil wir Miranda erwähnt haben …«, fiel ihm Austin ins Wort. »Ich finde, jemand sollte Sutton holen. Wir werden gleich eine stundenlange Fotosession mit achtzehn ihrer engsten Freundinnen durchstehen müssen. Vorher könnten wir doch noch ein bisschen Zeit miteinander verbringen – nur wir fünf.«

»Ich hab ihr gesagt, dass sie sich auf neun Brautjungfern beschränken muss«, klärte ich ihn auf.

»Und das nennst du eine Beschränkung?«, fragte Morgan verstimmt. »Ich glaube, ich komm nicht mal auf neun Leute, die ich mag.«

»Du warst ja auch nie in einer Studentinnenverbindung«, erinnerte ich sie.

»Ich mag keine Menschen. Ich würde ganz bestimmt nicht für neue Schwestern bezahlen wollen. Sutton übertreibt!«

Austin und Landon lachten, und dieser Klang half mir endlich, mich zu entspannen. Es war schön, alle meine Geschwister wieder unter einem Dach zu haben. Seitdem Sutton an der Uni war und Landon an irgendeinem Strand in Florida lebte, wo er das ganze Jahr über Golf spielen konnte, war es einfach nicht mehr dasselbe. Manche Leute waren der Meinung, die...