Superior - Das dunkle Licht der Gaben

von: Anne-Marie Jungwirth

Drachenmond Verlag, 2017

ISBN: 9783959912198 , 344 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 6,99 EUR

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Superior - Das dunkle Licht der Gaben


 

1


Amelia parkte ihren Maserati auf dem Gehsteig vor dem gorgeous4gorgeous und warf dem Parkboy ihren Schlüssel zu.

»Aber Vorsicht. Das Schätzchen ist neu

»Selbstverständlich«, gab dieser pflichtbewusst zurück.

Catherine blickte sie tadelnd an. Sie war verdammt gut darin, ihr ein schlechtes Gewissen zu machen. In diesem Punkt jedoch nicht. Ihr Cabrio war ein Traum. Der perlmuttfarbene Lack und das rote Leder. Es war genau die Mischung aus eleganter Aggressivität, in die sie sich verliebt hatte. Und das unsichere Auftreten des Parkboys gefiel Amelia gar nicht. »Aber …«

»Nichts aber«, sagte Catherine barsch und zog sie am Arm mit sich.

Es war nicht nötig, die Ladentür selbst zu öffnen. Eine Mitarbeiterin machte das für sie und unmittelbar danach wurden sie von Pascal, dem Inhaber des gorgeous4gorgeous, begrüßt. Catherine kannte ihn gut. Schließlich war sie häufig auf irgendwelchen Chichi-Veranstaltungen, für die sie ein Abendkleid brauchte. Und Pascal war der Mann ihres Vertrauens, wenn es darum ging, sie ins rechte Licht zu rücken.

Nachdem Catherine links und rechts ein Küsschen bekommen hatte, war auch Amelia an der Reihe.

»So, meine Hübschen«, sagte er und klatschte erfreut in die Hände. »Ich habe alles vorbereitet. Kommt mit mir nach hinten

Catherine und Amelia folgten ihm durch das Geschäft. Der Showroom war sehr minimalistisch und Kleiderstangen suchte man dort vergebens. Dafür gab es Schaufensterpuppen mit teils üppigen, teils gewagten Kreationen, Tische mit Stoffmustern und rundherum Videoleinwände, auf denen Models diverse Schnitte präsentierten. Erst im hinteren Teil des Ladens türmten sich die exklusiven Roben.

»Hast du alle Modelle hier, die wir besprochen haben?«, fragte Catherine.

Pascal sah sie mit gespielter Empörung an. »Natürlich, meine Hübsche. Aber glaub mir, du willst gar nicht wissen, was ich dafür alles machen musste

Amelia wollte es definitiv nicht wissen.

»Du bist ein Schatz«, hauchte Catherine ihm zu.

Das war er. Vor allem, weil er mit keinem Wort erwähnte, dass er seinen Laden inklusive Personal seit zwei Stunden sinnloserweise für sie beide geschlossen hatte.

Pascal schnippte zweimal mit den Fingern und eine seiner Assistentinnen eilte herbei. Sie schob einen Kleiderständer, der mit prachtvollen Roben bestückt war, vor sich her. Catherine grinste wie ein Honigkuchenpferd. In der Hinsicht war sie echt süß. »Gott, ich bin so aufgeregt«, entfuhr es ihr.

»Ich auch«, erwiderte Amelia. Und es war nicht einmal komplett gelogen. Sie war tatsächlich neugierig, was für ein Kleid sich ihre Schwester aussuchen würde. Wie zu erwarten war, stachen Amelia haufenweise pudrige Farbtöne ins Auge.

Catherine begutachtete den Berg an Kleidern. »Beginnen wir mit meinen Favoriten und arbeiten uns durch die Auswahl

Amelia ließ sich auf einen der samtigen Sessel sinken. »Klingt nach einem Plan

»Das hellblaue Marchesa.«

»Patricia«, sagte Pascal. Seine Assistentin holte das betreffende Kleid heraus und hängte es Catherine in die Kabine.

Ihre Schwester war auf der Suche nach einem Kleid für das Maturity Feast. Das Fest zu Ehren ihres einundzwanzigsten Geburtstags. Dem Tag, an dem sie ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft werden würde. Amelia fragte sich, was sie wohl veranstalten würde, wenn sie tatsächlich heiratete

»Darf ich meinen Schönheiten ein Gläschen Champagner anbieten

»Gern!«, rief Amelia augenblicklich.

»Für mich nicht«, sagte Catherine. »Ich muss noch fokussiert sein. Und du solltest auch nicht zu viel trinken

Amelia nahm das Glas, das Patricia ihr entgegenhielt. »Ja, Mama

»Ich wünschte, du würdest das etwas ernster nehmen. Mir zuliebe.« Catherine verdrehte ihre Augen und verschwand in der Kabine.

Amelia wünschte sich, ihre Schwester würde das etwas weniger ernst nehmen. Nicht für Amelia, sondern ihr selbst zuliebe. Sie verstand nicht, wie sie sich so auf diesen Tag freuen konnte. Es war nichts falsch daran, sich auf seinen einundzwanzigsten Geburtstag zu freuen. Die meisten taten das jedoch, weil sie sich dann endlich offiziell betrinken konnten. Amelia würde es nächstes Jahr, wenn es bei ihr so weit war, auf jeden Fall ordentlich krachen lassen. Aber wegen dieser archaischen Zeremonie? Der Gedanke daran, potentielle Heiratskandidaten vorgestellt zu bekommen, rief bei Amelia Fluchtgedanken und Brechreiz hervor. Vorfreude sicher nicht. Aber Amelia betraf das ja auch nicht. Für jemanden mit so minderwertigen Gaben wie sie betrieb die SHS diesen Aufwand nicht. Zum Glück.

Für eine Superia mit Catherines Gaben wurden jedoch keine Kosten und Mühen gescheut, den perfekten Zuchtbullen zu ermitteln.

Die SHS, die Superior Human Society. Manchmal fragte sich Amelia wirklich, was das Human im Namen zu suchen hatte. Sie konnte an all dem nichts Menschliches finden. Und wenn man das Human wegließe, wäre man wieder direkt am Ursprung des Programms. Bei verqueren Ideologien und Rassenhygiene. Natürlich sprach man darüber nicht. Unschicklich.

Ob Amelia Catherines Euphorie nun verstand oder nicht, große Erwartungen führten unweigerlich zu großen Enttäuschungen. Und davor würde sie ihre Schwester zu gern bewahren.

Während Catherine in der Kabine mit Patricias Hilfe in Kleid Nummer eins schlüpfte, nippte Amelia an ihren Champagner. Besser. Viel besser. Der Vorhang zu Catherines Kabine wurde beiseitegeschoben und ihre Schwester trat in den Raum. Genau so hatte Amelia sich das Kleid der Wahl vorgestellt. Catherine sah aus wie eine Disney-Prinzessin – einfach grauenvoll.

»Und?«, fragte Catherine erwartungsvoll.

»Hinreißend«, sagte Pascal und meinte es vermutlich auch so

»Zu viel von allem.« Amelia seufzte und ließ sich tiefer in den weichen Sessel sinken. »Nächstes Kleid

Prompt erntete sie empörte Blicke von allen Seiten.

»Das ist alles, was dir dazu einfällt?«, fragte Catherine.

Natürlich hätte Amelia noch mehr auf Lager. Nur würde nichts davon die Sache besser machen. »Ja, nächstes Kleid

Enttäuscht wandte sich Catherine an Pascal und kündigte an, was sie nun probieren wollte. Sie schlüpfte in eine Reihe weiterer Kleider, die für Amelia alle mehr oder weniger gleich aussahen

»Was stimmt denn damit nun wieder nicht?«, fragte Catherine und blickte auf ihr Kleid hinab. Es hatte eine rosa Korsage und einen...