Liebesträume im Chateau

Liebesträume im Chateau

von: Violet Winspear, Julia James

CORA Verlag, 2008

ISBN: 9783863499532 , 384 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 0,99 EUR

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Liebesträume im Chateau


 

1. KAPITEL

Überall klickten Kameras. Seit Jahren hatten die Leute von Barton-le-Cross keine solch prunkvolle Hochzeit mehr gesehen.

Jeder bedauerte es, dass die Brautmutter nicht lange genug gelebt hatte, um Glendas Heirat noch mitzuerleben. Edith Hartwell wäre stolz auf ihre Tochter gewesen, hätte sie sie in dem weißen Brautkleid aus schimmerndem Satin und mit dem feinen Spitzenschleier sehen können.

Als die Braut den Mittelgang des Kirchenschiffes entlangging, forderten die Fotografen sie auf, den Schleier zurückzuschlagen, um Aufnahmen von ihrem Gesicht machen zu können, doch Glenda reagierte nicht darauf. Gefasst schritt sie am Arm von Sir Arthur Brake, einem engen Freund der Mutter, auf den Altar zu. Und auch dort angekommen, hob sie den Schleier nicht.

Für Glenda hatte diese Zeremonie etwas Unwirkliches. Hier in der altehrwürdigen normannischen Kirche zu stehen weckte traurige Erinnerungen an jenen Tag, als die Messe aus ganz anderem Anlass gehalten worden war.

Damals hatte es in Strömen geregnet. Die schweren Tropfen hatten sich mit den Tränen gemischt, die ihr unablässig über die Wangen liefen, als Ediths Sarg in die schwarze Erde niedergelassen wurde. Seit ihrem zehnten Lebensjahr hatte Glenda bei Edith gelebt, und jeder hatte sie für Mutter und Tochter gehalten.

Auch die heute hier Anwesenden glaubten, Zeugen der Hochzeit zwischen Armand d’Aville und Edith Hartwells Tochter zu sein. Nur Sir Arthur und Glenda selbst kannten die Wahrheit: dass nämlich Ediths leibliche Tochter vor zehn Jahren gestorben und auf der Insel Malta begraben worden war.

„Wie soll ich das nur durchstehen?“, hatte Glenda einige Tage vor der Hochzeit Sir Arthur verzweifelt gefragt.

„Natürlich stehst du das durch, Liebes. Du stehst es durch, weil du diese Frau geliebt hast und weil du es ihr versprochen hast. Edith hatte sicherlich ihre Fehler, aber sie war immer gut zu dir. Wenn du dich jetzt weigerst, d’Aville zu heiraten, brichst du das Wort, das du einer Verstorbenen gegeben hast. Denke immer daran, dass sie es war, die dich aus diesem Kinderheim in Llandudno herausgeholt hat. Sie hat dir ein Leben ermöglicht, wie du es sonst niemals gehabt hättest.“

Und so stand Glenda nun hier, an der Seite des großen, düsteren Mannes vor dem Altar. Es schien ihr wie ein Traum, der eher einem Albtraum glich, als sie das Gelübde ablegte. Beim Ringtausch spürte sie Armands durchdringenden Blick auf ihrem Schleier ruhen und war erleichtert, ihr Gesicht hinter der Spitze verbergen zu können.

Er glaubte das Mädchen zu heiraten, das sein Großvater vor über zehn Jahren für ihn ausgewählt hatte. Duval d’Aville, Patriarch alter Schule, hatte auf dem Sterbebett die Hand eines Schulmädchens mit der seines Enkels vereint und das gleiche Versprechen von dem jungen Mann verlangt, das auch Edith ihrer geliebten Glenda abgenommen hatte.

Eines Tages, kurz vor ihrem Tod, hatte Edith schlimmere Schmerzen denn je zuvor gelitten, und dennoch hatte sie sich geweigert, ihre Medikamente zu nehmen, bevor Glenda ihr nicht ihr Wort gegeben hatte.

„All die Jahre habe ich den alten Mann getäuscht. Ich habe den d’Avilles nie gesagt, dass mein kleines Mädchen vor so langer Zeit auf der Kreuzfahrt verstarb und auf Malta begraben wurde.“ Von Schmerzen gequält, hatte Edith die Worte nur mit Mühe aussprechen können. „Sie hätten mir sonst die jährliche Zuwendung gestrichen. Und wovon hätte ich leben sollen? Ich habe nie gearbeitet. Der alte Geizkragen hat nur gezahlt, weil es sein Wille war, dass sein Enkel meine Tochter heiratet.“

Und heute, hier in dieser Kirche und vor der versammelten Gemeinde, wurde dieses Versprechen erfüllt. Die Orgel spielte ergreifend, als eine innerlich bebende Glenda am Arm von Armand d’Aville zum Heiratsregister ging, um ihre Unterschrift in das große Buch zu setzen. Armands Mutter war Französin gewesen, er selbst jedoch wurde in England geboren. In wenigen Augenblicken, sobald sie ihre Unterschriften geleistet hatten, würden sie Mann und Frau sein, unabänderlich, in guten wie in schlechten Zeiten.

Nun verstand Glenda auch, warum Edith solche Eile gehabt hatte, ihren Namen offiziell in Hartwell umändern zu lassen. Und wie hätte ein kleines verschüchtertes Mädchen aus dem Kinderheim der wunderschönen Frau im Pelzmantel den Wunsch abschlagen können, auf den hübschen Namen Glenda zu hören? Jedes Kind wäre von dieser Frau beeindruckt gewesen. Ihre grünen Augen sprühten vor Leben und Wärme, und sie duftete nach einem schweren, blumigen Parfüm. Sie hatte es getragen, als sie das magere kleine Ding aus dem Waisenhaus in ihrem Rolls-Royce mit nach Hause nahm, und sie trug es noch bei ihrem letzten Atemzug in dem unpersönlich weißen Krankenhauszimmer.

Viele Jahre hatte Ediths angebliche Tochter nun auf den Namen Glenda Hartwell gehört. Dennoch rutschte ihr der Stift fast aus der Hand, als sie ihre Unterschrift unter die schwungvolle des großen kräftigen Mannes im hellgrauen Cut schrieb. Armand d’Aville – ein Name, so Ehrfurcht gebietend und distinguiert wie der Mann selbst. Ein Mann, den sie kaum kannte, der aber jetzt ihr Ehemann war und nicht wusste, dass er soeben eine Betrügerin geheiratet hatte.

„Hebe deinen Schleier“, bat er sie. „Die Leute da draußen werden dein Gesicht sehen wollen.“

Genau in diesem Augenblick sank Glenda ohnmächtig zu Boden. Erst später erfuhr sie, dass Sir Arthur zu ihrer Rettung geeilt war.

„Du musst bedenken“, hatte er dem Bräutigam diplomatisch erklärt, „dass das Mädchen erst vor Kurzem einen schrecklichen Verlust erlitten hat. Glenda und ihre Mutter waren immer zusammen. Edith hat dem Kind ihre ganze Liebe geschenkt. Ich weiß, welche Kraft deine Braut heute aufbringen musste, weil Edith nicht mehr bei ihrer Hochzeit dabei sein kann.“

Als das frisch vermählte Paar auf dem Flughafen ankam, fühlte sich Glenda zumindest körperlich besser. Durch den Champagner, den sie während des Empfangs getrunken hatte, war ihr Kreislauf wieder in Schwung gekommen. Doch als Armand ihr eine Hand auf die Hüfte legte, um ihr beim Einsteigen in den Privatjet zu helfen, verspannte sie sich sofort erneut. Sie würden nach Angervilliers fliegen, zu Armands Château an der Loire.

Gleich nach dem Start ging Glenda in den Waschraum. Nach der Feier waren Reiskörner geworfen worden, und einige davon waren in den Kragen ihrer Seidenbluse gerutscht. Sie starrte ihr Spiegelbild an. Ob Armand aufgefallen war, dass ihre unnatürliche Blässe die goldenen Punkte in ihren bernsteinfarbenen Augen wie Feuer aufglühen ließen?

Sie fröstelte trotz der Wärme in dem luxuriös ausgestatteten Jet. Noch vor einer Stunde hatte sie, in Spitze und Satin gekleidet, die Hochzeitszeremonie verfolgt. Als der Priester fragte, ob jemand einen Einwand gegen diese Eheschließung vorbringen wollte, war ihr das Blut in den Adern gefroren. Nur eiserne Selbstbeherrschung hatte sie aufrecht gehalten.

Glenda wusste, warum sie in Ohnmacht gefallen war – aus Angst und wegen ihrer Schuldgefühle. Außerdem ließ sie etwas in Armands Art auf der Hut sein. Er wirkte auf sie wie ein Mann, der skrupellos auf Täuschung reagieren würde. Und sie hatte ihn mit dieser Heirat hintergangen und betrogen. Um ihre Dankbarkeit für Edith Hartwell zu beweisen, war sie mit diesem Mann vor den Altar getreten. Sie wagte sich nicht auszumalen, was er tun würde, sollte er ihr Geheimnis je herausfinden.

Der Ring an ihrer Hand erinnerte sie an den schrecklichen Augenblick, als Armand ihn ihr an den Finger gesteckt hatte. Sein Blick hatte auf ihrem Schleier gelegen, so intensiv und eindringlich, als wolle er sich durch die Spitze brennen. Was mochte er wohl in jenem Augenblick gedacht haben? Lehnte er die Braut ab, die man ihm ausgesucht und aufgezwungen hatte? Glenda ballte die Fäuste, bis sich ihre Fingernägel schmerzhaft in die Handflächen gruben. Umso schlimmer, wenn ihm erst aufging, dass sie gar nicht das Mädchen war, dessen Hand sein Großvater in die seine gelegt hatte.

Nein, dieses Mädchen war sie nicht. Sie war ein Findelkind, das Edith Hartwell aus Dutzenden zehnjähriger Mädchen ausgewählt hatte, weil sie die gleiche feine, helle Haut und das dunkelrote Haar besaß wie Ediths leibliche Tochter. Der einzige Unterschied lag in der Farbe der Augen. Die Augen des verstorbenen Mädchens hatten das gleiche Grün gehabt wie die seiner Mutter.

Regungslos betrachtete Glenda ihr Bild im Spiegel über dem Waschbecken und lauschte auf das ängstliche Schlagen ihres Herzens. Sollte Armand d’Aville ein ausgeprägtes Gedächtnis für solche Details haben, steckte sie in Schwierigkeiten. Es war zehn Jahre her, seit die Ehe arrangiert worden war. Sie konnte nur hoffen, dass er sich nicht an die grünen Augen der ihm bestimmten Braut erinnerte.

Seltsam, in all den Jahren hatte Armand Barton-le-Cross nie wieder besucht. Er hatte sich von der weißen Villa auf dem Hügel ferngehalten, die Glendas Heim geworden war. Sofort nach der Adoption war Edith aus Chelsea weggezogen, hatte alle Brücken zu ihren alten Kreisen abgebrochen und sich mit Leuten angefreundet, die nicht ahnten, dass Glenda nicht die leibliche Tochter war. Der einzige Mensch, dem Edith sich anvertraut hatte, war Sir Arthur Brake.

Der joviale alte Herr hatte Edith wahrscheinlich überhaupt erst auf die Idee gebracht. Vermutlich hatte er die Höhe der Zuwendung gekannt, die die Familie d’Aville Edith zahlte. Ihr verstorbener Mann war mit der Familie verwandt gewesen. Die liebevolle, extravagante Edith hatte Glenda ein wunderbares Leben und eine Ausbildung ermöglicht...