Das Geheimnis des Millionärs

Das Geheimnis des Millionärs

von: Sara Craven

CORA Verlag, 2008

ISBN: 9783863492748 , 160 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 2,49 EUR

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Das Geheimnis des Millionärs


 

1. KAPITEL

Diese Tageszeit genoss Adrienne am meisten – die ruhigen Stunden am frühen Morgen, wenn sie das Haus ganz für sich allein hatte. Bevor die Maler und Handwerker kamen, um Wildhurst Grange zu seiner alten Pracht zu verhelfen.

Dann wanderte sie mit Bedacht von Raum zu Raum, stieß die Fensterläden auf und zog die Vorhänge beiseite, um die fahle Spätsommersonne hereinzulassen. In Gedanken malte sie sich aus, wie sie und Piers als Ehepaar hier zusammen lebten. Bald schon war es so weit! Sie konnte es kaum erwarten, nicht mehr nur die Innenarchitektin, sondern die Hausherrin zu sein. Und Piers’ Frau.

Allein die Vorstellung raubte ihr den Atem. Noch immer konnte sie ihr Glück kaum fassen. Wie wunderbar sich doch alles in ihrem Leben gefügt hatte.

Vor Jahren hatten sie sich auf Wildhurst Grange kennengelernt. Damals war Piers zu ihrer Rettung geeilt, als sie in Schwierigkeiten steckte. Und jetzt hatte das Haus sie wieder zusammengebracht. Nach dem Tod seines Onkels Angus Stretton hatte Piers das heruntergekommene Anwesen geerbt und nach einem Innenarchitekten für die Restauration gesucht.

Bald wären die Arbeiten fertig, und sie und Piers könnten als Mann und Frau in dem Haus leben. Damit schloss sich der Kreis.

Adrienne bedauerte nur, dass Piers die Verwandlung ihres zukünftigen Heims nicht miterlebte, weil er gerade in Portugal arbeitete.

„Es tut mir ja auch leid, Liebling“, hatte er ihr an ihrem letzten gemeinsamen Abend gesagt. „Aber es geht nicht anders. Abgesehen von den Kosten für die Renovierung wird auch der Unterhalt von The Grange eine Menge kosten. Dafür muss ich das nötige Geld verdienen. Schließlich wollen wir uns doch nicht mit der zweiten Wahl zufriedengeben. Für meine schöne Frau will ich nur das Beste.“

„Wir könnten doch Schritt für Schritt vorgehen und zuerst die Räume renovieren, die wir auch benutzen“, widersprach sie.

Doch Piers wollte nichts davon hören.

Also schrieb Adrienne ihm jede Woche ausführlich über die Fortschritte der Arbeiten, schickte Farb- und Stoffmuster, und er rief regelmäßig an, oder sie bekam E-Mails und Faxe.

Und vermisste ihn fürchterlich.

„Wenn die Firma aufgebaut ist, werde ich dich nie wieder verlassen“, hatte er ihr ins Ohr geflüstert. „Und stell dir nur vor, was für ein großartiges Aushängeschild The Grange für dein Können bedeutet. Du wirst dich vor Aufträgen nicht retten können, sobald wir hier die ersten Gesellschaften geben.“

Adrienne hatte gelacht und sich an ihn geschmiegt, in Gedanken schwor sie sich, dass Wildhurst Grange immer zuallererst ihr Zuhause wäre, ihre ganz private Zuflucht.

Außerdem wusste sie gar nicht, ob sie eine zusätzliche Flut von Aufträgen bewerkstelligen könnte. Schon vor dem Wiedersehen mit Piers lief ihr Geschäft gut. Eigentlich war es ein Zwei-Frau-Unternehmen, bestehend aus ihr als Designerin und Zelda March, einer sagenhaft fingerfertigen und brillanten Schneiderin. Seit Gründung der Firma herrschte bei „A-Z Design“ kein Mangel an Aufträgen.

Dabei gehörte ein eigenes Innenarchitekturbüro nicht zu ihren Zukunftsplänen, als sie ihre Ausbildung begann. Genauso wenig wie die Rückkehr in das stille kleine Städtchen auf dem Land. Doch als ihre Mutter vor drei Jahren plötzlich gestorben war, änderte sich für Adrienne vieles …

Adrienne verließ London und realisierte, dass sie nun ganz allein auf der Welt stand. Allerdings erbte sie Listow Cottage und erhielt eine größere Geldsumme aus der Lebensversicherung ihrer Mutter. Das verschaffte ihr eine gewisse Unabhängigkeit.

Dennoch hatte sie zu dem Zeitpunkt keine Pläne – bis sie auf der Beerdigung Zelda traf. Früher waren sie in dieselbe Klasse gegangen, allerdings ohne sich besonders gut zu kennen, da Zelda als ausgesprochen rebellisches Mädchen galt. Ständig geriet sie in Schwierigkeiten mit der Polizei, wegen unerlaubten Rauchens, öffentlichen Alkoholgenusses und weil sie mit den Dorfjungen herumlungerte. In der Abschlussklasse überraschte sie dann jeden, weil sie den ersten Preis im Handarbeitswettbewerb gewann. Kurz darauf, noch keine siebzehn, ließ sie sich mit dem Automechaniker im Dorf ein und wurde schwanger. Die hastig geschlossene Ehe ging ebenso schnell wieder in die Brüche.

Erstaunt, Zelda bei der Trauerfeier ihrer Mutter zu sehen, lud Adrienne die ehemalige Klassenkameradin ins Cottage ein.

„Ich mochte deine Mutter sehr“, sagte Zelda, nachdem die anderen Trauergäste gegangen waren. Traurig sah sie sich in dem kleinen Salon um. „Erst vor ein paar Monaten habe ich diese Überwürfe und die Vorhänge für sie geschneidert.“

Äußerlich hatte Zelda sich nicht verändert, das kurze schwarze Haar stand ihr noch immer wild in alle Richtungen vom Kopf, aber während der Unterhaltung merkte Adrienne, dass sie viel reifer und ruhiger geworden war.

„Du arbeitest selbstständig?“

„Schön wär’s. Nein, ich bearbeite die Aufträge bei Beasley & Co. in Enderton, nur zahlen die nicht viel. Ich habe zwar versucht, zu Hause zu arbeiten, aber da ich wieder bei meinen Eltern lebe, reicht der Platz dafür einfach nicht. Zumal Smudge auch noch da ist.“

„Smudge?“

„So nenne ich meinen Sohn. Eigentlich heißt er Kevin, wie sein Vater. Aber an den möchte ich lieber nicht erinnert werden.“

„Kann ich mir vorstellen.“ Adrienne biss sich auf die Lippe. „Schade, dass du nicht selbstständig arbeiten kannst. Du bist wirklich gut.“

„Keine Chance“, winkte Zelda sofort ab. „Mein Dad dreht durch, wenn er die Nähmaschine hört. Und dass Smudge ihm ständig vor die Füße läuft, findet er auch nicht so toll. Also halte ich mich lieber bedeckt.“

Die kurze Unterhaltung ging Adrienne im Kopf herum. In den darauffolgenden Tagen stellte sie einen Geschäftsplan auf. In ihrer Heimatstadt gab es eindeutig eine Marktlücke. Beasley & Co. war keine wirkliche Konkurrenz, und im Umkreis von Meilen bot sonst niemand komplette Einrichtungspläne an. Wenn sie die ansässigen Handwerker unter Vertrag bekäme und mit Zelda als Partnerin …

Das passende Gelände bereitete ihr Probleme. Doch dann sah Adrienne sich auf Listow Cottage um. Das Cottage selbst war nicht groß, aber dahinter standen alte Ställe und Nebengebäude, seit Jahren unbenutzt. Sie ließen sich mit wenig Mühe in Arbeitsräume, ein Büro und sogar eine kleine Wohnung umwandeln …

„Meinst du das wirklich ernst?“, fragte Zelda ungläubig, als Adrienne ihr den Plan unterbreitete. „Das hört sich zu schön an, um wahr zu sein.“

„Jedes Wort.“ Adrienne nickte. „Die Wohnung hat zwei Zimmer, also genügend Platz für dich und Smudge.“ „Unsere eigene Wohnung“, flüsterte Zelda ergriffen. „Ein Traum wird wahr.“

Der Traum entpuppte sich jedoch bald als Albtraum. Bei den Renovierungsarbeiten tauchten unvorhergesehene Probleme auf, die Kosten überstiegen schnell das eingeplante Budget. Adrienne nahm eine Hypothek auf das Cottage und einen Privatkredit auf, und Zelda bestand darauf, die kleine Abfindung beizusteuern, die sie von ihrem Exehemann erhalten hatte.

Der Glaube an ihr Projekt beflügelte sie. Und vom ersten Tag an trudelten Aufträge ein, sie mussten sogar Hilfskräfte einstellen, um die Nachfrage befriedigen zu können.

„Vielleicht hätten wir gar nicht so klein anfangen sollen“, scherzte Adrienne, „sondern gleich ein Angebot für The Grange abgeben sollen.“

„The Grange steht nicht zum Verkauf.“ Zelda war in einen Katalog für Stoffmuster vertieft. „Eine Schande, dass ein so hübsches Haus leer steht.“

„Ja.“ Adrienne seufzte. „Als Kind war ich oft dort, wenn mein Vater und Mr. Stretton Schach gespielt haben. Dann habe ich in der Bücherei gesessen und gelesen oder im Park gespielt.“

„Ganz allein?“

„Nein, nicht immer“, sagte Adrienne nach einem kurzen Zögern. „Manchmal war Mr. Strettons Neffe da, Piers. Seine Mutter hatte wohl jemanden geheiratet, den ihre Familie nicht akzeptierte. Einen Brasilianer. Das führte zu einem ziemlichen Streit. Aber schließlich musste Mr. Stretton einsehen, dass Piers das Anwesen irgendwann erben würde, und hat ihn eingeladen. Auch wenn er nichts mit seinem Schwager zu tun haben wollte. Meine Eltern sagten, er verabscheue den Mann zutiefst und nenne ihn ‚von Grund auf verdorben‘.“

Zelda krauste die Nase. „Familien! Glaubst du, Mr. Stretton kommt zurück?“

„Nein, er ist wegen des Klimas nach Spanien übergesiedelt. Dabei gehört The Grange seit Jahren seiner Familie. Und Piers hatte er gerade erst richtig kennengelernt.“

„Vielleicht hält er ihn ja für ‚von Grund auf verdorben‘.“

„Niemals!“ Adrienne holte tief Luft. „Piers ist einer der nettesten Menschen, die ich je getroffen habe. Er hat mich einmal vor einer Lungenentzündung bewahrt. Oder noch Schlimmerem.“

Zelda legte den Katalog ab. „Wie das?“

„Es gab ein Baumhaus im Wald hinter dem Haus. Ich muss ungefähr neun gewesen sein und bin hinaufgeklettert. Jemand hat die Leiter weggenommen, und ich saß dort oben für Stunden fest, frierend und panisch vor Angst. Piers hat mich gefunden. Noch heute traue ich mich auf keine Leiter. Und das ist noch nicht alles“, fuhr sie fort. „Zu meinem achtzehnten Geburtstag hat Mr. Stretton eine Party für mich auf The Grange gegeben und mir eine Kette mit einem wunderschönen alten Granatanhänger geschenkt. Während der Party wurde die Kette...