Erfülltes Leben - Was aber bleibt nach dem Tod?

von: Hermann Wohlgschaft

Echter Verlag, 2011

ISBN: 9783429045487 , 184 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: DRM

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Preis: 12,99 EUR

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Erfülltes Leben - Was aber bleibt nach dem Tod?


 

Kapitel VI Bis wir uns wiedersehen (S. 111-112)

Oft werde ich von Angehörigen gebeten, eine ›Aussegnung‹, eine Abschiedsfeier für Verstorbene zu gestalten. Bei solchen Anlässen spreche ich frei formulierte Gebete, etwa mit folgenden Worten: Gott mache dir den Abschied leicht und sende dir seine Engel, die dich begleiten durch das Tor des Todes. Sie mögen dich führen in das verheißene Land, wo die Sonne nicht mehr untergeht. Der Herr erlöse dich von der Angst, ins Leere zu fallen. Er schenke dir die Freude, ihn zu schauen, der deine Wunden heilt: die Wunden der Angst, des nicht Gelungenen, der nicht erfahrenen Liebe. Er zeige dir die wahre Heimat und lasse dich glücklich sein im Himmel – Gott nahe und all den Menschen nahe, die vor und mit dir gelebt haben. Das gewähre dir der Gott des Lebens, der dem Tod die Macht genommen hat und sich jetzt freut auf dich.

Im Anschluss an solche Gebete kommt es in der Regel zum Gespräch mit den Trauernden. Und manchmal wird die Frage ausgesprochen: Werde ich meine Mutter, meine Partnerin, meinen besonderen Freund in der Ewigkeit wiedersehen? Erstaunlich oft kann ich erleben: Für viele Trauernde ist es selbstverständlich, dass es ein Wiedersehen in der Ewigkeit geben wird – und dass schon jetzt eine Verbindung zu den Verstorbenen besteht. Menschen, die dies glauben oder zumindest hoffen, werden dennoch traurig sein: weil sie die geliebte Person in der gewohnten Weise nicht mehr spüren. Aber sie können mit ihrer Trauer meist besser umgehen als die Agnostiker.

Denn sie ahnen ja: Die Liebe ist stärker als der Tod, und im Himmel wird es keine Trennung mehr geben. Der Glaube an ein Wiedersehen nach dem Tode ist von zeitloser Gültigkeit. Theologen freilich könnten sich fragen: Ist der Himmel eher die ›Gottesschau‹ oder eher der Ort des Zusammenseins mit bestimmten Menschen? Diese Frage aber führt, alternativ gestellt, in die Irre. Denn beide Aspekte sind grundsätzlich aufeinander bezogen.

Die unbedingte Verwiesenheit des Menschen auf Gott muss ja nicht – wie in der scholastischen Theologie des Mittelalters – dazu führen, dass der Himmel fast ausschließlich als ›Gottesschau‹ und nur beiläufig als ›Communio Sanctorum‹, als Liebesgemeinschaft der Menschen untereinander, verstanden wird. Nein, was die Himmelsvorstellungen betrifft, hat es in der Christentumsgeschichte stets beides gegeben: die stärkere Betonung des ›theozentrischen‹ und die stärkere Betonung des ›anthropozentrischen‹ Gesichtspunkts.138 Dieser zweite Aspekt – das Wiedersehen mit unseren Lieben – soll im folgenden Abschnitt, anhand von poetischen Texten, fokussiert werden.