Todeskampf - Psychothriller

von: Michael Robotham

Goldmann, 2011

ISBN: 9783641063030 , 480 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 9,99 EUR

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Todeskampf - Psychothriller


 

12 (S. 364-365)

Die Säuglingsintensivstation des Queen Charlotte’s Hospital liegt im dritten Stock über den Kreißsälen und der Entbindungsstation. Bei schwacher Beleuchtung, leisen Schritten und dem Summen der Maschinen stehen dort fünfzehn Brutkästen mit hoher Kuppel. Die Stationsschwester geht zwei Schritte vor mir, Dave zwei Schritte hinter mir. Wir haben uns die Hände mit einem Desinfektionsmittel gewaschen und unsere Handys ausgeschaltet. Ich werfe einen Blick in das erste Bettchen, an dem wir vorbeikommen. Bis auf eine rosafarbene Decke und einen Teddy in der Ecke scheint es leer zu sein.

Dann sehe ich einen Arm, nicht dicker als ein Füller, der unter der Decke hervorragt, sowie winzige Finger, die sich zusammenkrallen und wieder lösen. Die Augen bleiben geschlossen. Schläuche führen in eine winzige Nase und pressen in rascher Folge Luft in noch nicht voll entwickelte Lungen. Die Stationsschwester bleibt stehen und wartet. Vielleicht tun die Leute das hier oft – stehen bleiben, starren und beten. Erst jetzt bemerke ich die durch das Glas verzerrten Gesichter auf der anderen Seite des Brutkastens. Ich blicke mich um. Im Halbdunkel sitzen weitere Eltern, starrend, wartend, flüsternd. Ich frage mich, was sie zueinander sagen.

Blicken sie in die anderen Bettchen und fragen sich, ob jenes Baby kräftiger, kränker oder noch früher geboren ist? Es können unmöglich alle Neugeborenen überleben. Beten ihre Eltern deshalb heimlich: »Rette meins! Rette meins!«? Wir haben das andere Ende der Intensivstation erreicht. Die Stühle neben dem Bettchen sind leer. Eine Krankenschwester sitzt auf einem Hocker vor einem Bildschirm und kontrolliert die Geräte, die das Baby überwachen. Auf einem schlichten weißen Laken liegt ein Mädchen, das nur eine Windel trägt. Sie ist kleiner, als ich sie in Erinnerung habe, aber immer noch doppelt so groß wie einige der anderen Neugeborenen auf der Intensivstation. Kleine Elektroden auf ihrer Brust messen ihren Herzschlag und ihre Atmung.

»Claudia wurde gestern Nacht zu uns gebracht«, erklärt die Stationsschwester. »Sie hat eine schwere Lungenentzündung. Wir geben ihr Antibiotika und ernähren sie intravenös. Das Gerät an ihrem Bein ist ein Blutgasmonitor, der ihre Haut durchleuchtet, um den Sauerstoffgehalt im Blut festzustellen.« »Wird sie durchkommen?« Die Stationsschwester zögert kurz, um ihre Worte mit Bedacht zu wählen, lange genug, um mich in Panik zu versetzen. »Ihr Zustand ist stabil. Die nächsten vierundzwanzig Stunden sind entscheidend.« »Sie haben sie Claudia genannt.« »Das ist der Name, den man uns genannt hat.«

»Wer hat Ihnen das gesagt?« »Die Frau, die mit ihr im Krankenwagen gekommen ist.« »Ich muss das Anmeldeformular sehen.« »Selbstverständlich. Wenn Sie mit ins Büro kommen wollen, drucke ich Ihnen eine Kopie aus.« Dave starrt durch das Glas. Ich kann beinahe sehen, wie er die Lippen bewegt und im Rhythmus mit dem Baby atmet. Claudia hat ihn in seinen Bann gezogen, obwohl sie die Augen im Schlaf fest geschlossen hat. »Was dagegen, wenn ich noch eine Weile bleibe?«, fragt er ebenso sehr mich wie die Stationsschwester. Am Bett jedes anderen Patienten auf der Station sitzt irgendjemand. Nur Claudia ist allein. Das findet er nicht richtig. Ich folge der Stationsschwester zurück über die Station in ihr Büro.