Maddrax 290 - In den Gärten von Sha'mar

von: Michael Marcus Thurner

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2011

ISBN: 9783838707754 , 64 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 1,99 EUR

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Maddrax 290 - In den Gärten von Sha'mar


 

In den Gärten von Sha’mar (S. 3-4)

Zaraa schlüpfte aus ihrer Schlafhöhle. Sie zitterte, und es war nicht nur die morgendliche Kälte, die sie frösteln ließ. Das Getrommel war während der letzten Tage nicht mehr verstummt. Viele der Jünger waren in eine Art Trance gefallen. Sie bearbeiteten ihre Ritualtrommeln mit einer unnatürlichen Hingabe. Ab und zu bekamen sie Nahrung, wurden von ihr und ihresgleichen gefüttert wie Kleinkinder. Zaraa blickte der aufgehenden Sonne mit einem Schimmer von Hoffnung entgegen.

Wieder war eine Nacht vergangen, wieder war nichts geschehen. Vielleicht war dies alles bloß ein schlechter Traum? Vielleicht würde es niemals geschehen? Sie dachte an die Fremde. An dieses riesige Weibsgeschöpf, dem die Wildheit ins derbe Gesicht geschrieben stand. Eine Gruppe Neuankömmlinge hatte sie gestern herangeschleppt, mit schweren Ketten gefesselt, und unter die Erde getragen. Sie wie ein Tier angebunden. Die Jünger hatten gelacht, hatten sich an dem Leid der Wilden Frau ergötzt. Zaraa zuckte zusammen, als sie die Berührung spürte, und sprang einen Schritt zur Seite. „Ich bin’s“, flüsterte eine wohlbekannte Stimme, „Nainaa.“

Zaraa atmete erleichtert durch. Die Ältere war ihr während der letzten Tage zur guten Freundin geworden. Zu jemandem, an den man sich klammern konnte, wenn die Angst allzu groß wurde. „Wir sollten zu fliehen versuchen!“, brach es aus ihr heraus, und mit ihren Worten kamen die Tränen. „Alles ist besser als diese endlose Warterei! Sollen sie uns doch erwischen, sollen sie uns abschlachten! Aber es hätte ein Ende und wir wären frei …“ „Sie töten nicht“, sagte Nainaa und berührte sie sanft an den Oberarmen.

„Du weißt ganz genau, dass es kein Entkommen gibt. Es hausen so viele Jünger in Sha’mar, die bloß auf eine Gelegenheit warten, die Jagd auf uns zu eröffnen. Sie würden uns wieder einfangen, uns zurückschleppen, sich an uns vergehen, uns foltern. Und nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.“ Nainaa umklammerte sie. „Man würde uns wie die Wilde Frau behandeln und uns in der Dunkelheit an die Ketten binden. Weißt du, wie es in dieser endlosen Schwärze wirklich ist, bedeckt mit Erdreich, mit Würmern und Spinnen und Käfern, die dich als Eindringling betrachten?“ Nainaa schob sie von sich und wischte sich die Tränen aus den Augen. „Sie werden mich niemals erwischen! Lieber stürze ich mich in den Tod, bevor ich mich neuerlich gefangen nehmen lasse!“

„Gott Oguul wird es verhindern. Er wird mit dir reden. Seine Worte werden in deinen Kopf kriechen und dir all deine Kraft nehmen. Die Wächter Sha’mars werde sich um dich kümmern. Du hast erlebt, was mit Ahalya geschehen ist. All das Blut, die Narben, die Wunden … und dennoch lächelte sie.“ „Ich bin stärker als Ahalya!“, widersprach Zaraa trotzig. Nainaa lächelte traurig und zog sie neuerlich an sich. „Ist schon gut, Kind; es wird alles wieder gut. – Komm, wir waschen uns und holen Wasser. Vielleicht lassen sie uns zu der Wilden Frau und den anderen Gefolterten vor und wir können ihre Schmerzen ein wenig mildern.“