Die Blüten-Trilogie: - Rosenzauber / Lilienträume / Fliedernächte (3in1-Bundle) - Drei Romane in einem Band

von: Nora Roberts

Blanvalet, 2017

ISBN: 9783641219833

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 19,99 EUR

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Die Blüten-Trilogie: - Rosenzauber / Lilienträume / Fliedernächte (3in1-Bundle) - Drei Romane in einem Band


 

1

Obwohl sie inzwischen seit mehr als zwei Jahrhunderten standen, hatten die schlichten steinernen Mauern nichts von ihrer Kraft und ihrer Stärke verloren. Einst aus den Hügeln und Tälern der Umgebung gebrochen, wurden sie aufgerichtet als Zeichen menschlichen Verlangens, Dinge zu erschaffen, die Zeugnis ablegen von seiner Existenz und über seine Lebenszeit hinausreichen. Dieser Wunsch, Spuren in der Welt zu hinterlassen, ist dem Menschen angeboren.

Generationen drückten dem Stein ihren Stempel auf, verbanden ihn, dem Geschmack der Zeit und den wechselnden Bedürfnissen entsprechend, mit anderen Materialien wie Ziegeln, Holz und Glas. Die Mauern wurden erweitert, verwandelt und verstärkt. Aber trotz aller Veränderungen wirkte das Haus an der Kreuzung wie ein Fels in der Brandung und schien das Geschehen ringsum unerschütterlich zu bewachen.

Erst sah es, wie immer neue Gebäude in seiner Nachbarschaft entstanden und wie aus der kleinen Ansiedlung langsam eine Stadt wurde, in deren Zentrum es nun lag. Bald begann man die unbefestigten Straßen zu asphaltieren, und nach und nach verschwanden Pferde und Kutschen, um Automobilen Platz zu machen. Auch immer neue Moden zogen an dem alten Haus vorüber – nur es selbst behauptete unangefochten seinen angestammten Platz, ein Sinnbild der Beständigkeit im Wandel der Zeiten.

Es erlebte Kriege, hörte das Echo des Kanonendonners, die Schreie der Verwundeten, die Gebete der Verängstigten. Bekam Blut und Tränen, Glück und Zorn, Geburten und Todesfälle mit. In guten Zeiten blühte es auf, doch es überlebte auch die schlechten, und obwohl es mehrfach den Besitzer wechselte und sein Verwendungszweck sich änderte, überdauerten die steinernen Mauern alle Wechselfälle des Lebens.

Allerdings hinterließ die Zeit ihre Spuren. Das Holz der eleganten Veranden im Erd- wie im Obergeschoss wurde morsch, Glasscheiben zerbrachen, der Putz bröckelte, und Ziegelsteine barsten. Und manch einer, der mit seinem Auto am Rand des Marktplatzes bei Rot an der Ampel halten musste und beobachtete, wie Tauben durch leere Fensterhöhlen flatterten, hatte sich in den vergangenen Jahren schon manches Mal gefragt, wie dieses alte, heruntergekommene Haus früher wohl ausgesehen haben mochte.

Beckett wusste es genau.

Nachdenklich stand er, die Daumen in die Taschen seiner Jeans eingehakt, auf dem Marktplatz und schaute hinüber. Es wehte nicht das kleinste Lüftchen, und eine drückende Hitze lastete wie schon den ganzen Sommer über auf dem Städtchen. Auch die blaue Plastikfolie, die die gesamte Fassade vom Dach bis zur Straße verdeckte, bewegte sich nicht die Spur, hing einfach schlaff herunter. Sie war im Winter angebracht worden, um das Haus gegen weitere Schäden durch Kälte und Frost zu schützen – jetzt bewahrte sie das Haus und alle, die darin eifrig arbeiteten, vor neugierigen Blicken.

Nur wenige wussten wie Beckett genau, wie es drinnen derzeit aussah und wie es aussehen würde, sobald die Renovierung abgeschlossen war. Schließlich hatte er, gemeinsam mit seinen beiden Brüdern und seiner Mutter, das Ganze geplant und war darüber hinaus der Architekt, dessen Namen die Entwürfe für den Umbau trugen.

Nichts störte die Stille dieses frühen Morgens, und er hörte nur seinen eigenen Atem und das leise Scharren seiner Tennisschuhe auf dem Asphalt, als er seinen Beobachtungsposten verließ und die Straße überquerte, hinüberging zu dem alten Haus, das bald zu neuem Leben erwachen würde. Er freute sich, als er im Licht der Straßenlampen sah, wie gründlich die Ziegel und der Stein gereinigt worden waren.

Natürlich handelte es sich nach wie vor um ein altes Gebäude, und dieser Charakter sollte auch erhalten bleiben, denn genau das machte einen Teil seines Reizes und seiner Schönheit aus. Nur die Verwahrlosung der vergangenen Jahrzehnte war beseitigt worden, sodass es bereits jetzt regelrecht gepflegt wirkte. Zum ersten Mal fiel ihm das soeben auf – jetzt, in der Dämmerung des anbrechenden Morgens.

Er ging zur Rückseite über ausgedörrte, harte Erde, auf der nichts mehr wuchs, und vorbei an Schutthaufen, die sich überall auftürmten. Bald würde es hier ebenfalls anders aussehen, ganz anders. Genauso hübsch und einladend wie die Holzveranden vor den Zimmern in den beiden Obergeschossen, die bereits zum Teil restauriert und gestrichen waren. Originalgetreu anhand alter Fotos. Und was unwiederbringlich verloren war, hatte man sorgsam rekonstruiert. Wenn alles fertig montiert war, sah es bestimmt großartig aus. Ryder, der Älteste der Montgomerys und Bauleiter des Unternehmens, hatte bereits einen Termin dafür festgelegt.

Er wusste es von Owen, dem mittleren der drei Brüder, der ihnen andauernd mit irgendwelchen Listen, Plänen, Zeitvorgaben in den Ohren lag. Nicht ein einziger Nagel konnte in die Wand geschlagen werden, ohne dass er es irgendwo notierte. Oder ohne Beckett umgehend davon in Kenntnis zu setzen, ob es ihn nun interessierte oder nicht.

In diesem Fall jedoch lag ihm eine Menge daran, denn wie sämtliche Montgomerys war er von dem alten Gemäuer völlig besessen. Gleich beim ersten Mal, als er das Foyer des Hauses betrat, das schon früher einmal ein Hotel gewesen war, hatte es ihn gepackt und nicht mehr losgelassen. Eine eigenartige Erfahrung, die ihm noch bei keinem anderen Projekt je begegnet war. Und bestimmt würde ihn auch kein zukünftiges Vorhaben je wieder so in seinen Bann ziehen. Den anderen erging es ebenso.

Beckett betätigte den Lichtschalter, und die schmucklosen Arbeitslampen, die von der Decke baumelten, erhellten die kahlen Räume, den nackten Betonboden, die unverputzten Wände, die herumliegenden Werkzeuge, die Planen und all das andere Material. Es roch nach Holz, Mörtel und Staub und ganz schwach nach gerösteten Zwiebeln, die offenbar Bestandteil eines Lunchpakets gewesen waren, das einer der Handwerker dabeihatte.

Eigentlich war es viel zu dunkel, um etwas zu sehen, zumal in den oberen Stockwerken, wo es kaum Lampen gab. Er wusste, dass es eine Schnapsidee war, mitten in der Nacht auf einer Baustelle aufzutauchen, obwohl er hundemüde war, aber dieser Ort zog ihn nun einmal magisch an.

Ja, es musste irgendeine Art von Magie sein, dachte er, als er durch einen Rundbogen ging, den bald eine schwere alte Holztür füllen würde. Er schaltete seine Taschenlampe ein und tastete sich vor bis zur Halle, wo statt einer Treppe derzeit nur eine Leiter nach oben führte.

So mitten in der Nacht, ohne den Lärm der Nagelpistolen und Sägen, ohne Radioberieselung und Stimmengewirr, wenn die Schatten Einzug gehalten hatten, spürte er die magische Ausstrahlung dieses Ortes besonders. Und er registrierte instinktiv, dass es nicht wirklich ruhig hier war, nicht vollkommen still, wie man es eigentlich erwartet hätte. Beckett fand das fast ein bisschen unheimlich.

Und gerade das zog ihn unwillkürlich an.

Er stieg die Leiter hinauf und ließ seine Taschenlampe über die Wände der ersten Etage gleiten. Wie immer stimmte Owens Bericht: Ry und seine Leute waren hier mit der Isolierung fertig geworden. Er verzog sein fein geschnittenes Gesicht, das im Dunkeln wie gemeißelt wirkte, zu einem breiten Grinsen, und ein zufriedenes Funkeln trat in seine blauen Augen.

»So langsam wird’s«, sagte er leise vor sich hin, doch in den leeren Räumen schien seine Stimme zu hallen. Dann folgte er dem Strahl der Taschenlampe weiter durch die Dunkelheit, ein groß gewachsener Mann mit den schmalen Hüften und langen Beinen der Montgomery-Männer sowie sanft gewelltem, rötlich braunem Haar, einem Erbe der mütterlichen Familie.

Vorsichtig stieg er gegen alle Vorsätze auch noch ein Stockwerk höher. Wenn er nicht bald den Heimweg antrat, würde er aufstehen müssen, kaum dass er ins Bett gegangen war. Was er sah, vertrieb jedoch seine Gedanken an Schlaf.

»So gefällt es mir«, murmelte er.

Diese Räume hatte er als Domizil der künftigen Hotelchefin geplant und an nichts gespart. Zufrieden betrachtete er nun sein Werk, das sichtlich Gestalt angenommen hatte, seit die Zwischenwände eingezogen worden waren. Alles stimmte, entsprach exakt seinen Plänen. Er sah es jetzt zum ersten Mal.

»Du bist ein verdammtes Genie, Beck«, lobte er sich selbst. »Aber geh jetzt, um Himmels willen, endlich heim.«

Schwindlig und ein wenig benommen kehrte er zurück zur Leiter. Er wusste nicht, ob seine euphorische Freude oder die Müdigkeit schuld waren an diesem merkwürdigen Gefühl.

Kaum zurück im ersten Stock drang ein leises Summen an sein Ohr. Die Stimme einer Frau. Und gleichzeitig mit dem Geräusch wehte ein Geruch zu ihm herüber: der Duft nach Geißblatt, süß und wild und reif.

Obwohl es in seinem Innern zu kribbeln begann, hielt er die Taschenlampe völlig ruhig, während er ihren Lichtstrahl in die noch unfertigen Gästezimmer wandern ließ. Dann war beides weg: das Geräusch ebenso wie der Duft.

Beckett schüttelte den Kopf.

»Ich weiß, dass du hier bist«, rief er laut und deutlich. »Und ich schätze, dass du schon seit einer ganzen Weile in diesem Gemäuer wohnst. Wir richten es wieder her, so schön wie früher, denn das hat es verdient. Und ich kann, verdammt noch mal, nur hoffen, dass es dir gefallen wird – nachträgliche Änderungen sind nicht mehr möglich.«

Einen Moment blieb er noch stehen, hing seinen Gedanken nach und versuchte sich vorzustellen, dass da tatsächlich jemand zwischen den alten Mauern hauste und hören konnte, was er sagte. Aber vielleicht war all das bloß ein Produkt seiner überreizten Fantasie. Oder seiner Müdigkeit.

Zurück im Erdgeschoss merkte er sofort, dass die Arbeitslampen nicht mehr...