Black Dragons - Gib dem Herzen Zunder

von: Katie MacAlister

LYX, 2017

ISBN: 9783736305106 , 148 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 3,99 EUR

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Black Dragons - Gib dem Herzen Zunder


 

1


Der Erste Drache hörte den Lärm draußen vor dem sonnigen Raum sehr wohl. Das Stimmengemurmel von Männern und Frauen drang von der Terrasse unten herauf. Aber hier, im ersten Stock, in dem kleinen Zimmer mit der fröhlichen gelben Tapete, die mit Schildkröten und Schilf gemustert war, hörte man den Lärm trotz der offenen Fenster, durch die eine sanfte Sommerbrise drang, nur gedämpft.

Er ging an einer Lackkommode und einem kleinen Bücherregal, auf dem sich eine Karussell-Lampe und ein Babyfon befanden, vorbei zu der Wiege, die neben einem der Fenster stand.

»Hörst du sie, Kleines? Die Drachen reden gerne«, sagte der Erste Drache zu dem Baby, das in der Wiege lag und Arme und Beine in einem Rhythmus bewegte, den nur Babys hören können. Er beugte sich vor und lächelte die Jüngste seiner Nachkommen an. »Es war immer schon so. Wir sind sehr leidenschaftliche Geschöpfe, und wir teilen unsere Gefühle einander mit. Ah, du bist ein Mädchen, wie ich sehe. Ich bin dein Vorfahr. Deine Familie nennt mich den Ersten Drachen, denn das bin ich. Alle Drachen, die jemals waren und sein werden, stammen von mir ab. Du bist Teil eines großen Erbes, mein Kind, von dem die meisten Sterblichen nichts wissen.«

Das Baby blinzelte.

Er betrachtete es einen Moment lang. Er hatte die Angewohnheit, neuen Drachen während seines Antrittsbesuches mitzuteilen, welche Züge er in ihnen sah. »Du wirst nicht mit der Anmut deiner Schwester gesegnet sein, aber du wirst die Männer trotzdem bezaubern. Deine einzigartige Fähigkeit, Illusionen zu durchschauen, und deine Furchtlosigkeit werden sie anziehen.«

Das Baby gurgelte ein Spuckebläschen und schwenkte seine kleinen Fäuste. Er fand es amüsant. Er berührte eine Stelle auf seiner Stirn und murmelte: »Meine Segenswünsche, Kind der grünen Drachen.« Dann gab er der Versuchung nach und streichelte die rosigen Fingerchen.

Sofort packte das kleine Geschöpf seinen Finger und gluckste vergnügt.

»Du bist ein kleiner Krieger, was?«, sagte er zu ihm. Seltsamerweise zögerte er noch, dieses jüngste Drachenkind zu verlassen. »Du besitzt den Mut deiner Mutter und die Intelligenz deines Vaters. Du wirst ein furchterregender Feind und ein treuer Verbündeter werden. Und du wirst vieles wahrnehmen.«

Das Baby gab gurgelnde Laute von sich. Es hielt mit seinen Fingerchen immer noch seine Fingerspitze fest und strampelte so heftig mit den kleinen Beinen, dass es die leichte Decke, mit der es zugedeckt gewesen war, weggeschoben hatte. Der erste Drache deckte es nicht wieder zu, dazu war es zu warm. Er verzog das Gesicht, als es einen seiner Finger in den Mund zog und mit dem zahnlosen Kiefer darauf herumzukauen begann.

»Ich muss dich jetzt verlassen, Kleines«, sagte er mit fester Stimme. »Ich besuche alle neugeborenen Drachen, aber ich bleibe nicht bei ihnen, damit sie mir auf den Fingern herumkauen. Ich habe viele wichtige Dinge zu tun. Ich bin der Erste Drache.«

Das Baby lutschte weiter an seinem Finger, anscheinend völlig unbeeindruckt von seiner Erklärung. Tatsächlich hatte er das Gefühl, dass es von seiner ganzen Person unbeeindruckt war.

»Nun gut, aber nur noch eine Minute, da du so entschlossen bist«, sagte er und fand sich damit ab, einen nassen Finger zu haben. »Ich will gerne zugeben, dass dies ein angenehmer Besuch war. In der letzten Zeit bin ich …« Stirnrunzelnd schwieg er. In den letzten Jahren hatte ihn ein seltsames Gefühl ergriffen. »Einsam ist zu stark. Einsam impliziert ein Bedürfnis, und ich habe keine Bedürfnisse. Vielleicht ist es ja der Wunsch nach Kontakt. Ich wünsche mir, mehr Kontakt mit … jemandem zu haben. Mit jemandem, der mit mir redet. Jemandem, der sich um mich kümmert. Jemandem, der …«

Aus den Tiefen der Windel des Säuglings drang ein explosiver Laut.

Stirnrunzelnd betrachtete er das kleine Drachenmädchen, das entzückt gurgelte. »Was du gerade getan hast, gibt sicher keinen Anlass zu Stolz, aber ich will es deinem Alter zuschreiben und es nicht weiter beurteilen. Lebewohl, jüngster grüner Drache. Wir werden uns in der Zukunft sicher wieder begegnen, aber wenn nicht, mach …«

Die Tür ging auf, und er trat einen Schritt von der Wiege zurück. Die Neuankömmlinge erschreckten ihn nicht, denn er war der Erste Drache. Ihn erschreckte nie etwas. Aber er war leicht überrascht, als er feststellte, dass er sich auf einmal in Gesellschaft von drei Drachengefährtinnen befand.

»Der Erste Drache«, schrie die erste Gefährtin, als sie ihn sah. Aisling, fiel ihm ein, hieß sie. Sie war auch eine Hüterin, wenn er sich richtig erinnerte, und das war eigentlich immer der Fall. »Hey! Du machst doch nichts mit meinem Baby, oder? Sie ist ja schon ein Drache, und sie ist so süß. Sie schläft bereits die Nacht durch, deshalb wäre ich dir wirklich sehr dankbar, wenn du sie in Ruhe lassen würdest.«

»Aisling«, sagte die Gefährtin namens May und stieß die andere Frau mit dem Ellbogen an. »So kannst du doch nicht mit ihm reden. Er ist ein Gott.«

»Halbgott eigentlich«, sagte die dritte Frau. Sie musterte ihn mit festem Blick, was ihn insgeheim amüsierte. Von all seinen Nachkommen erweckte diese immer Emotionen in ihm. Meistens empörte ihn ihr Verhalten, aber es gab auch Momente wie diesen, wenn ihr Geist hell strahlte und seine Seele berührte.

»Kind des Lichts«, begrüßte er sie.

»Schwiegerpapa«, sagte sie in einem respektlosen Tonfall. Das machte sie absichtlich, um ihn zu irritieren.

Er zog eine Augenbraue hoch. »Bist du immer noch böse auf mich, Ysolde?«

»In Anbetracht der Tatsache, dass du meinen ältesten Sohn dazu überreden wolltest, ein Drache zu werden, obwohl du genau wusstest, dass er als Mensch vollkommen glücklich war, ja, ich bin immer noch böse. Baltic ist außer sich vor Wut.«

»Wann ist er das mal nicht?«, rutschte dem Ersten Drachen heraus.

Aisling kicherte.

Er blickte über die Frauen hinweg zur Eingangshalle. Männer waren nicht in Sicht. »Gibt es einen Sárkány

»Nein, erst in zwei Tagen.« Ysolde wies auf Aisling. »Es gibt eine Party zur Feier von Avas Geburt, und da deshalb die Hälfte der Wyvern da ist, haben sie beschlossen, einen Mini-Sárkány abzuhalten.«

»Eigentlich ist es eher so eine Art Besprechung zur Lage der Nation als ein komplettes Sippentreffen«, sagte Aisling. Sie blickte ihn neugierig an. »Aber ich finde, wichtiger ist die Frage, was der Erste Drache hier macht?«

»Ich würde ja sagen, er mischt sich ein, aber da Ava ja schon ein Drache ist, habe ich keine Ahnung«, antwortete Ysolde. Sie warf ihm einen betonten Blick zu, den er bewusst ignorierte.

Aisling beugte sich über ihr Kind. Sie zuckte zusammen. »Heilige Katzen, Ava! Du kannst doch unmöglich diesen Geruch verursacht haben!«

»Du würdest es nicht glauben, was Anduin alles so in der Windel produziert hat, bevor ich mit dem Töpfchentraining angefangen habe«, sagte Ysolde. Sie ließ den Ersten Drachen nicht aus den Augen. »Möchtest du uns denn nicht sagen, warum du hier bist?«

Er zog auch die andere Augenbraue hoch. »Redest du mit mir, Ysolde?«

Sie zuckte leicht zusammen, weil er ihren Namen so machtvoll ausgesprochen hatte. Sie räusperte sich, statt jedoch zurückzuweichen, reckte sie das Kinn und forderte ihn mit Blicken heraus.

Er seufzte. »Ich begrüße alle neuen Drachen und heiße sie willkommen. Das habe ich immer schon gemacht, und ich werde es auch weiterhin tun.«

»Das ist sehr nett von dir«, sagte May. Ihre Stimme war sanft und leicht wie der Wind. »Aber du wirkst ärgerlich. Auf Ava kannst du doch nicht böse sein.«

»Kind der Schatten«, begrüßte er May, die Gefährtin des silbernen Wyvern. Er mochte auch sie gerne, da sie einst das Drachenherz aus allen Scherben der Sippen geformt hatte.«Auf den Säugling bin ich nicht böse. Ich erkläre nur nicht gerne, was ich tue.«

»Bist du sicher, dass es keinen anderen Grund gibt?«, fragte Ysolde und legte den Kopf schief. »Ich finde auch, dass du nicht so glücklich wirkst, wie du letztes Mal noch behauptet hast.«

»Letztes Mal?«, fragte Aisling, die gerade dabei war, ihr Baby zu säubern und ihm eine frische Windel anzuziehen. »Was meinst du mit ›letztes Mal‹? Die Sache in Ägypten?«

»Nein.« Ysolde bedachte ihn mit einem langen Blick, aber er erwiderte ihn nicht. »Er war oft bei Anduin. Na ja, zweimal. Und dann habe ich ihn einmal bei Brom erwischt, wie er versucht hat, ihn dazu zu überreden, ein Drache zu werden. Und Baltic sagte, er habe ihn einmal gesehen, als wir Einkaufen waren. Ich glaube …« Ysolde zögerte einen Moment. Ihr Blick wurde weicher. Der erste Drache lächelte leise. Trotz ihres Mangels an Respekt hatte sie von allen seinen Kindern das weichste Herz. »Ich glaube, er langweilt sich und braucht eine Freundin. Oder besser noch, eine Gefährtin.«

Die anderen beiden Gefährtinnen keuchten auf. Der Erste Drache wollte schon die Augen verdrehen, fand aber dann, das sei eines Halbgotts nicht würdig, und behielt deshalb seine übliche gelassene Miene bei. Damit war er immer gut gefahren, wenn er sich mit seinen manchmal schwierigen Kindern auseinandersetzen musste, vor allem mit seinen unbändigen Erstgeborenen, diesen fünf Drachen, die seine Gefährtinnen ihm geschenkt hatten, damit sie die Sippen begründen konnten.

»Eine Gefährtin!«, sagte Aisling. Sie trat mit dem Baby auf dem Arm auf ihn zu. »Natürlich! Immer so allein zu sein, ist bestimmt nicht lustig, und Ysolde sagte, Baltics Mutter war eine deiner...