Liebe nicht ausgeschlossen - Dare to Love 9 - Roman

von: Carly Phillips

Heyne, 2017

ISBN: 9783641194642 , 320 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 9,99 EUR

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Liebe nicht ausgeschlossen - Dare to Love 9 - Roman


 

1

Die Sonne schien am Himmel, die Temperaturen überstiegen bereits die dreißig Grad und die Luftfeuchtigkeit war dermaßen hoch, dass man sich kaum vorstellen konnte, dass bald schon ein Orkan über die karibische Insel St. Lucia hinwegfegen würde. Ella Shaw blickte in den blauen Himmel und wusste, dass das Wetter nicht mehr lange so perfekt bleiben würde.

Die berühmte Ruhe vor dem Sturm.

Sie band sich ihr Haar zu einem hohen Pferdeschwanz zusammen und verließ dann das Hotel, denn sie wollte noch bei dem Souvenirshop vorbeischauen, den sie gestern auf ihrem Weg zum Fotoshooting entdeckt hatte. Sie hatte lange, mit blauen Perlen besetzte Ketten im Schaufenster gesehen, aber leider nicht die Zeit gehabt, um in den Laden zu gehen. Ihre Chefin war eine Prinzipienreiterin, die immer genau die richtige Aufnahme in genau dem exakten Licht bekommen wollte, und so hatten sie am gestrigen Tag sehr lange gearbeitet. Als sie endlich mit allem fertig gewesen waren, hatte der Laden bereits geschlossen.

Als Assistentin von Angie Crighton – einer Modedesignerin mit Sitz in Miami – war Ella für die kleinen Details verantwortlich, die zu einem Fotoshooting dazugehörten. Und obwohl Angie, der Fotograf und die Models die Insel bereits an diesem Morgen verlassen hatten, war Ella noch dageblieben, um sicherzugehen, dass der Ort des Shootings ordentlich zurückgelassen worden war. Und ehrlich gesagt, genoss sie diese Auszeit gerade sehr – nach dem hektischen Herumgehetze der Crew, der Rechthaberei von einigen Models und natürlich auch von Angie selbst.

Ella wusste es sehr zu schätzen, dass sie jetzt die Zeit haben würde, um für ihre beste Freundin Avery Dare Souvenirs einzukaufen. Eigentlich war es seltsam, dass die beiden Frauen, die aus zwei so komplett unterschiedlichen Welten kamen, sich überhaupt kennengelernt hatten. Aber das Schicksal wollte es so. Und es war Avery gewesen, die Ella in die schönen Dinge des Lebens eingeführt und schließlich auch dazu gebracht hatte, sich für einen Job bei einer Haute-Couture-Designerin zu entscheiden. Während Avery aus einer reichen Familie stammte, war Ella in einer weniger betuchten aufgewachsen, aber die beiden hatten sich auf Anhieb gut verstanden. Sie hatten sogar mal zusammengewohnt, bis ihre beste Freundin vor Kurzem mit ihrem Rockstar-Freund Grey Kingston zusammengezogen war.

Ja, sie lebten in zwei verschiedenen Welten – auch heute noch, dachte Ella. Aber ihre Freundschaft war dennoch stabil, was sie daran erinnerte, Avery unbedingt noch Bescheid geben zu müssen, dass sie es morgen – wie ursprünglich geplant – vermutlich nicht in die Staaten schaffen würde.

Als Ella von dem Wetterumschwung hörte und dass es einen heftigen Sturm geben sollte, hatte sie zunächst versucht, einen früheren Flug zu bekommen – allerdings ohne Erfolg. Bei dem Gedanken, hier während eines Orkans mutterseelenallein festzusitzen, wurde sie unruhig, und sie wusste, dass Avery diese Nachricht noch weniger gefallen würde. Ihre beste Freundin litt nämlich manchmal unter heftigen Panikattacken, und Ella war überhaupt nicht von dem Gedanken angetan, dass sich ihre Freundin wegen ihr nun Sorgen machen müsste.

Als Ausgleich würde sie Avery ein Extrageschenk kaufen, dachte sie sich, während sie in das Geschäft hineinmarschierte. Sie steuerte geradewegs auf die türkisblaue Perlenkette zu. Der Ladenbesitzer behauptete, es wären Larimar-Perlen. Da man diesen Perlen, die sehr beliebt in der Karibik waren, heilende Kräfte nachsagte, kaufte Ella gleich zwei Dutzend – Armbänder und Ketten –, damit sie den Schmuck mit den Kindern aus dem Krebsbehandlungszentrum, in dem sie und Avery ehrenamtlich arbeiteten, teilen könnte.

Avery war neun und Ella zehn Jahre alt gewesen, als sie sich zum ersten Mal im Miami Hospital begegneten. Beide spendeten Knochenmark, und beide waren dort, weil sie ein Elternteil darum gebeten hatte. Keines der beiden Mädchen begriff damals wirklich, was mit ihnen geschah. Alles, was Ella wusste, war, dass sie damit ihrem Vater einen großen Gefallen tat und sie ihrer Stiefmutter half, die Ella jedoch noch nie besonders gut leiden konnte. Selbst in ihrem jungen Alter verfügte Ella scheinbar über eine ziemlich gute Menschenkenntnis – zumindest eine bessere als ihr Vater. Denn kurz nachdem es Janice wieder besser ging, verließ sie Ellas Vater. Und ab da ging es mit dem Leben von Ella und ihrem Dad steil bergab. Schnell verdrängte sie die unangenehmen Gedanken an ihre Vergangenheit, bevor sie das Ganze noch zu sehr deprimieren könnte. Stattdessen konzentrierte sie sich lieber wieder auf den hübschen Schmuck.

Einige Zeit verbrachte sie damit, ein dickes Armband in Türkis für Avery und ein ähnliches Exemplar für sich selbst auszusuchen, bevor sie schließlich bezahlte und darauf wartete, dass der Ladenbesitzer alles für sie einpackte.

Mit der Tasche in der Hand machte sie sich anschließend auf den Weg zurück ins Hotel, lief durch Seitenstraßen und schaute in die Schaufenster der vielseitigen Geschäfte. Sie saugte das alles geradezu in sich auf, bevor sie dann morgen wieder nach Miami zurückkehren würde. Zumindest gab sie die Hoffnung noch nicht ganz auf, dass sie dann tatsächlich zu Hause sein würde. Da sie wusste, dass sie im Moment sowieso nichts an der Situation ändern könnte, schob sie ihre beunruhigenden Gedanken einfach beiseite. Sie würde sich erst dann damit auseinandersetzen, wenn es so weit wäre.

Wegen der schwülen Luft auf der Insel wurde ihr Nacken vor lauter Schweiß ganz feucht, und sie dachte darüber nach, sich vielleicht doch lieber ein Taxi zum Hotel zu nehmen. Deshalb griff sie in ihre Strohtasche und zog ihr Handy heraus, um beim Taxiservice anzurufen, als sie – ohne jegliche Vorwarnung – plötzlich einen kräftigen Ruck an ihrer Tasche spürte.

»Was zum …?« Blitzschnell wirbelte sie herum, aber wer auch immer es auf ihre Tasche abgesehen hatte, war schneller.

Sie konnte gerade noch einen flüchtigen Blick auf einen großen dunkelhaarigen Mann werfen, während dieser noch heftiger an ihrer Tasche riss und ihr dabei fast die Schulter auskugelte. Dann stieß er sie mit seiner freien Hand gegen das Gebäude, vor dem sie sich befanden.

Ihr Kopf knallte gegen die Betonwand, und augenblicklich sah sie Sternchen. Während sie noch krampfhaft versuchte, nicht das Bewusstsein zu verlieren, schnappte sich der Kerl ihre Tasche und ihr Handy, das bei dem Übergriff auf den Boden gefallen war.

Sie öffnete den Mund, um zu schreien, aber es kam kein Ton heraus. Ihre Beine knickten unter ihr weg, und sie fiel zu Boden, ihr Kopf schlug auf dem Bürgersteig auf, bevor alles um sie herum schwarz wurde.

***

Tyler Dares ganzer Tag war komplett verplant. Er hatte einen straffen Zeitplan voller Termine mit bereits existierenden und auch potenziellen neuen Klienten von Double Down Security – der Firma, die er gemeinsam mit seinem Bruder Scott führte. Serena Gibson, seine enge Freundin und persönliche Assistentin, hatte genaue Anweisungen von ihm bekommen, dass ihn niemand an diesem Morgen stören sollte, damit er sich in aller Ruhe auf jedes einzelne Meeting vorbereiten könnte.

Er schnappte sich den Zettel über die Gefahrenabschätzung für seinen ersten Klienten – einen Diplomaten, der Schutz für seine Familie benötigte – und begann damit, die Befunde zu überfliegen, als er plötzlich laute Stimmen hörte.

»Tut mir schrecklich leid, Avery! Aber er hat gesagt, dass er auf gar keinen Fall gestört werden will!«, hörte er Serena nachdrücklich sagen.

»Das geht schon in Ordnung. Ich bin mir sicher, dass er mich empfangen wird!« Die Stimme seiner Schwester ertönte nun durch die geschlossene Bürotür.

»Avery, er hat mir ausdrücklich gesagt, dass ich niemanden hereinlassen soll!« Die Stimme seiner Assistentin schwoll nun etwas an, aber er wusste, dass die sonst leise sprechende Serena in keiner Hinsicht einer entschlossenen Dare-Frau gewachsen wäre.

Und tatsächlich schwang die Tür kurz darauf auf, und Avery stürmte herein, dicht gefolgt von Serena. »Entschuldige bitte, Tyler!«

Er tat Serenas Sorge mit einer Handbewegung ab. »Ist schon in Ordnung.«

»Danke, Serena«, säuselte Avery mit zuckersüßer Stimme. »Ich lade dich dann irgendwann mal auf einen Kaffee ein!«

»Mach einen Martini daraus, und ich bin dabei«, murmelte Tylers Assistentin und kehrte dann wieder an ihren Schreibtisch zurück.

Tyler wusste, dass sie das auch wirklich so meinte. Serena war alleinerziehende Mutter einer jungen Tochter, nachdem ihr Ehemann … gestorben war. Tyler verdrängte diese Gedanken an Jack Gibson ganz schnell in die entferntesten Winkel seines Hirns. Daran zu denken bedeutete nur, im Geiste einfach viel zu viel Schmerz noch einmal aufleben zu lassen. Schmerz, den er doch eigentlich schon längst hinter sich gelassen hatte, als er damals die Armee verließ.

Stattdessen drehte er sich nun zu seiner Schwester um und erhob sich stöhnend. »Hättest du mich denn nicht vorher anrufen können? Heute werde ich von Arbeit geradezu überschwemmt. Und was wäre gewesen, wenn ich gerade in einem Meeting gesessen hätte?«

Avery rollte mit den Augen … und warum hätte sie das auch nicht tun sollen? Wenn sie einmal ihren Willen durchsetzen wollte, dann schaffte sie das in der Regel auch. Sie und Olivia waren typische Dares – stur und dickköpfig. Genauso wie Tyler.

Sie ging zu ihm rüber und nahm sein Gesicht in ihre Hände, blickte ihm direkt in die...