Black Dragons - Wer holt die Küsse aus dem Feuer?

von: Katie MacAlister

LYX, 2017

ISBN: 9783736302778 , 346 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 9,99 EUR

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Black Dragons - Wer holt die Küsse aus dem Feuer?


 

1


»Tut mir leid, dass ich Sie geweckt habe. Ist das zufällig Ihr vibrierender Schmetterling?«

Der Mann, neben dem ich hockte, öffnete blinzelnd die Augen. Das Licht im Flugzeug war heruntergedimmt worden, damit die Passagiere schlafen konnten. Er verzog das Gesicht, als ich einen hellrosa Gegenstand in einer zerknitterten Plastikverpackung hochhielt, und antwortete schlaftrunken: »Wie bitte? Wer sind Sie?«

»Es tut mir wirklich leid, dass ich Sie geweckt habe«, entschuldigte ich mich noch einmal und verlagerte meine Position ein bisschen. Mein Wadenmuskel begann sich über die Tatsache zu beschweren, dass ich in den letzten zwanzig Minuten in der Hocke den Gang der ersten Klasse auf dem Flug von Los Angeles nach München entlanggewatschelt war. »Meiner Freundin – also sie ist eigentlich eher mein Schützling als meine Freundin – scheint auf geheimnisvolle Weise dieses Teil hier in die Finger geraten zu sein, das jemandem auf dieser Seite des Flugzeugs gehören muss, und ich habe mich gefragt, ob Sie vielleicht dieser Jemand sind.«

Seine Augen glitten zu dem Sex-Spielzeug. »Was soll das, bitteschön! Glauben Sie etwa, ich würde so etwas benutzen? Ich bin ein Mann!«

»Oh! Das gehört mir, George«, sagte seine Sitznachbarin leise kichernd. Sie lächelte ihn verlegen an und fügte hastig hinzu: »Ich dachte, wir könnten es im Hotel vielleicht ausprobieren. Zweite Flitterwochen und so.«

Dieser Teil des Satzes war vermutlich an mich gerichtet, und ich ließ das Spielzeug auch sofort mit einer gemurmelten Entschuldigung in ihre Hand fallen. Das Rascheln der Plastikverpackung klang übermäßig laut in der stillen Kabine.

»Allerdings weiß ich nicht, wie es aus meinem Koffer fallen konnte …« Sie blickte zu dem Gepäckfach über ihrem Kopf, als ob sie erwartete, dass ihre Sachen halb heraushängen würden.

Ich lächelte sie flüchtig an und richtete mich auf, wobei ich dankbar meine verkrampften Muskeln streckte. »Mein Schützling hat bestimmt Ihre Tasche mit seiner eigenen verwechselt. Entschuldigen Sie bitte nochmals die Störung.«

Der Mann murmelte seiner Frau leise etwas zu, aber ich wartete ihre Antwort nicht mehr ab – ich musste auf eine alte Dame aufpassen, und wie die letzten Stunden in diesem Flugzeug bewiesen hatten, musste ich sie scharf im Auge behalten.

Ich eilte zu der kleinen Bordküche zwischen der ersten Klasse und der Economy, wo die Flugbegleiter damit beschäftigt waren, Getränke für die wenigen noch wachen Passagiere bereitzustellen. Neben ihnen auf einem Notsitz saß eine kleine, alte Frau mit dichten weißen Locken und einem braunen Gesicht voller Falten. Sie wirkte sehr alt und zerbrechlich, aber es hatte nur eine halbe Stunde gedauert, bis ich gemerkt hatte, wie sehr dieser Eindruck trog. »Da bin ich wieder. Hat Ihnen der Besuch bei den Flugbegleitern gefallen?«

Die alte Dame hielt eine Dose Coke in der Hand und stopfte sich munter Cracker in den Mund. Sie warf mir einen Blick aus ihren hellblauen Augen zu. »Ich habe ihnen erzählt, dass Sie mir das hübsche, glänzende rosa Ding weggenommen haben, aber dass ich Ihnen das nicht weiter nachtrage, weil Sie mich zu meinem Beau bringen.«

Ich lächelte gequält – auch wenn mein Märtyrertum erst von kurzer Dauer war, fühlte ich mich schon ganz vertraut damit – und sagte sanft: »Dieses Sex-Spielzeug hat Ihnen nicht gehört, auch wenn es wirklich ein hübsches Pink war. Es freut mich, dass Sie mir verziehen haben, dass ich es der rechtmäßigen Besitzerin wiedergegeben habe. Dass Sie sich mit einem Freund in Kairo treffen wollten, habe ich allerdings nicht gewusst. Ihr Enkel … äh … wie hieß er doch gleich? Jedenfalls hat er nur gesagt, dass Sie eine Kreuzfahrt machen wollen.«

»Ich bin so lange von ihm getrennt gewesen«, sagte sie und spuckte ein paar Cracker-Krümel durch die Gegend. »Aber Sie werden mich zu ihm bringen. Und Sie werden sicher auch noch mehr glänzende Dinge für mich finden.«

Ich lächelte die Stewardess an, die sich vorhin meiner erbarmt und angeboten hatte, auf die alte Dame aufzupassen, während ich das Teil zurückbrachte. Es war schon die zweite Sache, die ich zurückgeben musste. Als ich meine Schutzbefohlene in L. A. in einem Hotel abholte, hatte ich gesehen, wie Mrs P eine Uhr aus der Reisetasche eines unachtsamen Mannes zog. »Vielen Danke für Ihre Hilfe.«

»Oh, kein Problem, Sophea«, sagte Adrienne, die Stewardess, mit einer Piepsstimme, die perfekt zu ihrem Äußerem passte. »Es war uns eine Freude, Mrs Papadom … Mrs Papadonal …«

»Mrs Papadopoulos«, kam ich ihr zu Hilfe. »Sie zieht es vor, Mrs P genannt zu werden.«

»Ja! Das ist aber auch ein schwieriger Name.« Ein entsetzter Ausdruck huschte über ihr Gesicht, als sie merkte, was sie gesagt hatte. Hastig fügte sie hinzu: »Aber interessant! Sehr interessant! Ich mag solche Namen.«

»Das ist nicht mein Name«, sagte Mrs P und ließ sich von mir hochziehen. »Es war noch nie mein Name. Er hat mir den Namen gegeben. Er fand ihn amüsant.«

»Ja, Mr Papadopoulos hatte sicher einen ganz ausgezeichneten Sinn für Humor«, sagte ich beschwichtigend und warf Adrienne einen vielsagenden Blick zu. Sie hatte mir zur Seite gestanden, seit ich ihr erklärt hatte, dass Mrs P meinen Gang zur Toilette dazu genutzt hatte, dreist die Taschen schlafender Passagiere zu durchwühlen. Ich führte meine Schutzbefohlene zur letzten Sitzreihe und sagte leise: »Möchten Sie jetzt vielleicht einen Film sehen oder wollen Sie ein bisschen ruhen? Ich glaube, ein Schläfchen wäre keine schlechte Idee. Wir haben noch fünf Stunden Flug vor uns, und Sie wollen doch sicher nicht müde sein, wenn wir in Deutschland landen, oder?«

Mrs P wandte mir ihre hellblauen Augen zu. »Ich mag Gold. Sie mögen es doch sicher auch. Ist es nicht hübsch, wenn es in der Sonne glänzt?«

»Äh … wie bitte?«

Sie lächelte mich glückselig an. »Ich kannte Ihren Mann schon, als er ein junger Drache war, der noch lernen musste, sein Feuer zu beherrschen.«

»Drache?« Ich starrte sie an. Hatte ich sie richtig verstanden?

»Ja. Er hat viel bessere Manieren als Sie. Er hätte mich nie so behandelt, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank.«

Ich war mir nicht sicher, wie ich darauf reagieren sollte. »Ich habe nicht … Entschuldigen Sie, wenn ich unhöflich war, Mrs P, aber mein Ehemann war definitiv kein Drache. Und zur Erinnerung, ich bin Witwe.«

Sie sagte nichts, schürzte nur die Lippen. Dann warf sie mir einen leicht enttäuschten Blick zu.

»Mein Mann ist vor drei Jahren gestorben. Und ja, er hatte wirklich gute Manieren, aber er ist nicht mehr da. Als ich ihn kennenlernte, war er das erste Mal in den Vereinigten Staaten. Er hatte den größten Teil seines Lebens in Asien verbracht, wo er ein Familienunternehmen leitete. Kommen Sie, setzen Sie sich wieder auf Ihren Platz. Hallo, Claudia, da sind wir wieder.«

Meine Worte galten einer Frau, die auf der anderen Seite des Gangs saß. Es war eine angenehme Frau in den Vierzigern, die ihre Familie in Deutschland besuchen wollte. Ich hatte mich zu Beginn der Reise mit ihr unterhalten und ihr kurz meine Notlage geschildert, dass Mrs P eine alte Dame war, die sich in meiner Obhut befand. Als wir jetzt bei unserer Reihe stehen blieben, hielt sie ein Buch in der Hand.

»Ah, Sie haben den Besitzer des rosa Sexspielzeugs gefunden?«, fragte sie mit einem kaum hörbaren deutschen Akzent. Fragend blickte sie mich an, während ich Mrs P auf ihren Platz half.

»Ja, Gott sei Dank. Es gehörte einer Dame auf der anderen Seite.« Erst als ich Mrs P den Sicherheitsgurt angelegt hatte, entspannte ich mich ein wenig.

»Ich werde mir einen Film anschauen«, lenkte Mrs P gnädigerweise ein. Ich steckte ihre Kopfhörer ein und blätterte durch die Filmauswahl, bis sie sich für einen entschied. »Diesen da«, sagte sie. »Nein, den Film mit dem Tänzer. Habe ich Ihnen schon erzählt, dass ich früher vor dem Präsidenten Hoochie-Coo getanzt habe?«

»Ja, das haben Sie erwähnt, als ich Sie in Ihrem Hotel abgeholt habe.«

»Ich war damals eine berühmte Hoochie-Coo-Tänzerin, wissen Sie? Ich habe viele Schmuckstücke für mein Tanzen bekommen, viele hübsche Dinge, die ich niemandem gezeigt habe. Die Männer konnten ihren Blick nicht von mir lassen, wenn ich tanzte, und anschließend gaben sie mir Dinge.« Sie kicherte leise. »Das ist lange her, sehr lange, aber ich erinnere mich noch gut daran. Ich erinnere mich zwar nicht mehr an alle Männer, aber an alle glänzenden Dinge, die sie mir geschenkt haben. Nur an ein paar Männer kann ich mich noch erinnern – das waren diejenigen, die mir die hübschesten und besten Sachen geschenkt haben. Den Namen des Präsidenten werde ich Ihnen nicht sagen, weil ich schon immer sehr diskret war, aber einmal sollte ich so tun, als sei er ein Walross – er hatte einen mächtigen Schnäuzer – und ich ein kleines, eingeborenes Mädchen, also zogen wir uns nackt aus, während er …«

»Sie waren sicher eine wundervolle Tänzerin«, unterbrach ich sie, um das Bild aus dem Kopf zu bekommen, das plötzlich vor meinem geistigen Auge aufstieg, »aber wie ich bereits in L. A. erwähnte, wenn Sie die … äh … Gefährtin dieses speziellen Präsidenten gewesen sein wollen, dann müssen Sie tatsächlich schon uralt sein.«

Sie schwelgte immer noch in ihren Erinnerungen und tätschelte mir mit ihrer gichtigen Hand das Knie. »Das Äußere kann täuschen. Denken...