Die Erben der Nacht - Nosferas - Eine mitreißende Vampir-Saga

von: Ulrike Schweikert

cbt Jugendbücher, 2009

ISBN: 9783641023300 , 448 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

Windows PC,Mac OSX für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 9,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Die Erben der Nacht - Nosferas - Eine mitreißende Vampir-Saga


 

PROLOG:
EIN GEHEIMES TREFFEN
 
Die Schwüle drückte schwer wie Unheil auf das Tal herunter, in dem sich der Genfer See mit seinem tiefen Wasser ausbreitete. Noch war das Wasser spiegelglatt. Kein Windhauch verschaffte Kühlung, doch zwischen den Berggipfeln ballten sich bereits die ersten dunklen Wolken zusammen und verhüllten die Sterne. Schwarz und drohend stießen sie immer höher in den Himmel. Das Donnergrollen sprang von einer Felswand zur anderen. Ein erster Blitz zuckte über den Himmel und spiegelte sich gleißend im Wasser. Und dann kam der Wind, der den Spiegel zu schäumenden Wellen aufwühlte und an den Zweigen der Bäume zerrte. Wie das Heulen von Wolfsrudeln fegte er aus den Bergen herab und brauste über das Tal.
Die Burganlage lag wie ein am Ufer vertäutes Schiff in den Wellen des Sees. Ihre Mauern verbanden sich mit dem Felsen, der unter ihr steil ins schwarze Wasser abfiel. Schon im Mittelalter hatte die Burg die Straße zwischen dem Großen Sankt Bernhard und Lausanne bewacht und Zoll von jedem Reisenden verlangt, der den schmalen Durchgang zwischen den steilen Bergen und dem Seeufer passieren wollte. Dann war die Burg als Zeughaus und Waffenlager benutzt worden, und auch als Gefängnis. Heutzutage wohnte hier kein Burgvogt mehr, und es gab so manche, die die massigen Mauern von Chillon gern für den Bau der Eisenbahnlinie verwendet hätten.
Ein Donnerschlag ließ das alte Gemäuer erbeben. Regen rauschte herab.
»Nun, ist Euch der Boden neutral und abgelegen genug?«, durchbrach eine Stimme die Gedanken der Frau, die sich über die Fensterbrüstung gelehnt und auf das aufgewühlte Wasser hinabgesehen hatte. Der Wiener Akzent ließ die Worte länger und weicher klingen, als sie in ihrer Heimat im Norden des Deutschen Reiches ausgesprochen wurden.
»Ich habe nicht auf diesem Theater bestanden!« Sie drehte sich um und nahm sich erst Zeit, die andere Frau zu betrachten, ehe sie sie begrüßte.
»Antonia, es ist lange her.« In ihrer Stimme lag weder Freude noch Ablehnung.
»Baronesse* Antonia, Dame Elina«, korrigierte die Frau im Türrahmen in säuerlichem Ton und kam mit rauschenden Röcken näher. Wie ein Wasserfall ergossen sich Rüschen aus pflaumenfarbenem Satin über einer weit schwingenden Krinoline*. Ihr üppiges Dekolleté wurde von einem Rahmen aus schwarzer Spitze eindrucksvoll zur Geltung gebracht. Das schöne Gesicht mit der makellosen Haut war geschminkt und ihr dunkles Haar so kunstvoll aufgesteckt, als wollte sie heute Nacht noch auf einen Ball in der Wiener Hofburg gehen. Ihre Erscheinung war von berückender Perfektion.
»Baronesse Antonia«, wiederholte Dame Elina mit einem unterdrückten Lächeln und hauchte rechts und links der geschminkten Wangen einen Kuss in die Luft.
»Trägt man diese Ungetüme von Reifröcken in Wien noch immer? Ich dachte, selbst die Kaiserin habe schon vor zehn Jahren die Tornüre* entdeckt. – Wobei ich nicht sagen kann, was von beidem unbequemer ist«, fügte sie hinzu und zog eine Grimasse.
»Aus welcher Epoche Euer Kleid stammt, möchte ich lieber nicht fragen«, gab Baronesse Antonia zurück und schürzte verächtlich die Lippen, als ihr Blick an dem schlichten Kleid aus dunkelblauem Tuch hinabglitt, unter dessen Saum die Spitzen von Reitstiefeln hervorlugten. Das ergraute Haar hatte Dame Elina zu einem einfachen Knoten geschlungen. Sie trug keinen Schmuck und war ungeschminkt. Dennoch oder vielleicht gerade deswegen
• Alle mit * gekennzeichneten Begriffe werden im Anhang näher erläutert.
strahlten ihre Züge eine würdevolle, alterslose Schönheit aus. Auch ihre Haut war ohne jeden Makel und sehr bleich.
»Es ist vielleicht nicht das Eleganteste, aber ungemein praktisch und bequem«, sagte sie absichtlich mit einem Hauch von plattdeutschem Akzent, sodass sich die hübschen Züge der Baronesse noch mehr verzerrten. Die beiden Frauen musterten einander noch immer voller Abneigung, als die Tür geöffnet wurde und einige Männer eintraten, wie sie von Kleidung und Statur her nicht unterschiedlicher hätten sein können:
Ein kleiner, untersetzter Mann mit mausgrauem Haarkranz watschelte auf die Damen zu und küsste ihnen die Hände. »Baronesse Antonia, Dame Elina, ich hoffe, Ihr hattet eine gute Reise. Ist Euer werter Bruder auch gekommen, Baronesse?« Bei jedem Wort entwich süßlicher Verwesungsgestank aus seinem Mund.
Die Wienerin klappte ihren Fächer auf. »Aber natürlich, Conte* Claudio, er ist der Fürst der Dracas. Ich bin lediglich seine – nun sagen wir, Ratgeberin.«
Conte Claudio verneigte sich so tief, wie es seine Körperfülle zuließ. Sein Gewand schimmerte im Schein der Kerzen rubinrot. Als er sich wieder aufrichtete, fiel sein Blick auf den Mann, der gerade den Saal betrat. Er war groß gewachsen und wirkte athletisch, sein dunkelbraunes Haar war nach der herrschenden Mode gekämmt, seine Kleider elegant geschnitten und aus teuerstem Stoff.
»Ah, wenn man vom Teufel spricht! Da seid Ihr ja, Baron Maximilian.« Er drückte auch noch den beiden grobschlächtigen Brüdern Lucien und Thibaut vom Pariser Clan der Pyras die Hand und begrüßte den stattlichen Lord* Milton aus London.
»Nun, findet unser Treffpunkt die Zustimmung der werten Herren und Damen?«, fragte der Brite und sah in die Runde.
Dame Elina trat zu ihm und ließ es zu, dass er sich mit der Andeutung eines Kusses über ihre Hand beugte. »Abgelegen und neutral, wie wahr, und fast überirdisch schön, wie für uns erbaut«, sagte sie mit einem Anflug von Spott. »Ich habe bereits die Folterkammer besucht, um den Blick über das Wasser zu genießen. Und wenn ich die Ritzereien in der Kerkerwand richtig entziffert habe, dann hat auch Lord Byron zu seinen Lebzeiten diesen Ausblick bewundert.«
Lord Milton nickte. »Oh ja, sein Gedicht Der Gefangene von Chillon ist sehr gelungen.«
»Ich hoffe, er befindet sich wohl?«, erkundigte sich Dame Elina höflich. »Ich hatte ja noch nicht das Vergnügen, aber man hört Gerüchte …«
Der große Brite schmunzelte. »Ja, er ist nun seit mehr als fünfzig Jahren ein geschätztes Mitglied unserer Gemeinschaft.«
Dame Elinas graue Augen blitzten. »Ich habe von seinem Tod gehört. Schwäche und zu viel Aderlass, heißt es.«
Lord Milton zeigte seine kräftigen weißen Zähne. »Ja, man könnte sagen, der Blutverlust hat unserem großen Dichter das Leben geraubt.«
Sie wandten sich den beiden letzten Ankömmlingen zu. Conte Claudio begrüßte bereits den drahtigen, älteren Mann im irischen Kilt. »Donnchadh, ich grüße Euch. Wie stehen die Dinge auf der grünen Insel?«
Die Männer reichten einander die Hände, doch statt seinem Gegenüber in die Augen zu sehen, starrte der dicke Römer auf die Frau, die ein Stück hinter dem irischen Clanführer stehen geblieben war.
Sie war wunderschön, mit reiner weißer Haut. Dichte rötliche Locken wallten über ihre Schultern. Ihr seidiges Gewand umschmeichelte ihre schlanke Gestalt. Sie erwiderte seinen Blick aus dunkelgrünen Augen, schwieg jedoch und reichte ihm auch nicht die Hand.
In ihrem menschlichen Leben konnte sie die Zwanzig nicht überschritten haben. Wann dieses Leben allerdings gewesen war und wann es geendet hatte, das konnten weder Dame Elina noch Conte Claudio sagen. Nun war sie jedenfalls kein Mensch mehr, sondern ein Vampir, wie alle anderen auch, die sich heute Nacht hier auf Schloss Chillon versammelt hatten. Und doch gab es Unterschiede. Bedeutende Unterschiede!
»Sie ist ein Schatten!«, stotterte Conte Claudio und zeigte mit dem Finger auf sie. Auch die anderen Vampire wurden nun auf die Frau aufmerksam und starrten sie unverhohlen an.
»Schickt sie raus«, knurrte Baron Maximilian. »Wir werden solch wichtige Dinge doch nicht vor den Ohren einer Unreinen besprechen. Was denkt Ihr Euch eigentlich, Donnchadh? Habt Ihr nicht gesehen, dass wir alle unsere Diener in der Halle zurückgelassen haben?«
Der Ire drehte sich zu der jungen Frau um. Für einen Moment sahen sie sich stumm an, dann senkte sie die langen, dunklen Wimpern.
»Ich erwarte Euch unten«, sagte sie mit erstaunlich tiefer Stimme, nickte ihm einmal zu und verließ dann geräuschlos den Raum. Die Tür schloss mit einem leisen Klicken.
Dame Elina zog einen Sessel zurück und ließ sich auf das Lederpolster sinken. »Es sind alle da. Wollen wir anfangen?« Sie sah in die Runde. Die anderen folgten ihrem Beispiel und ließen sich um den schweren ovalen Eichentisch nieder. Für eine Weile herrschte Stille. Abschätzende Blicke wanderten durch den Raum, kreuzten sich und streiften über die Anwesenden. Die Anspannung war fast greifbar.
Dame Elina von den Vamalia begann, sie offiziell einander vorzustellen. Sie nickte dem stattlichen blonden Vampir mit den kantigen Zügen an ihrer Seite zu. »Lord...