Touchdown zum Glück

von: Andrew Grey

Cursed Verlag, 2016

ISBN: 9783958236059 , 142 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 5,49 EUR

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Touchdown zum Glück


 

 

Kapitel 1


 

 

»Ist es nicht ein bisschen früh, um zur Vorlesung zu gehen?«, fragte Peter gähnend und tappte, nur mit einem Handtuch um die schmalen Hüften, durch das Zimmer des Wohnheims.

Peter sah ein wenig aus wie eine Bohnenstange im Rock, aber das sagte Kurt nicht laut. Er hatte Peter erst vor wenigen Tagen kennengelernt, als die Studenten im dritten Jahr ihre Zimmer bezogen hatten. Kurt hatte es geschafft, nach seinem zweiten Jahr in Shippensburg auf das Dickinson College in Carlisle, Pennsylvania, zu wechseln und war gleichzeitig gespannt und verängstigt von seiner neuen Uni. Akademisch gesehen lag Dickinson eindeutig eine Stufe höher und Kurt hoffte, dass er den Sprung schaffte. Allerdings war er bisher noch nie durchgefallen und hatte nicht vor, jetzt damit anzufangen.

»Ich muss mich noch zurechtfinden, also hab ich gedacht, ich sehe mich vor der Vorlesung ein wenig um.« Kurt packte die Bücher und seinen Laptop in seinen neuen Swissgear-Rucksack, ein Geschenk seines Vaters, und machte sich fertig zum Aufbruch.

»Ich vergesse ständig, dass du neu hier bist«, sagte Peter, während er zur Wand gedreht in der Ecke stand und sich anzuziehen begann. Kurt sah weg, um Peter ein wenig Privatsphäre zu gewähren, aber er konnte trotzdem seinen schmalen, weißen Hintern im Spiegel sehen, der hinter der Tür hing. »Geh durch den Hof nach Norden und dann weiter. Wenn du die Straße überquerst, kannst du das Gebäude für Naturwissenschaften nicht verfehlen. Halt einfach nach den glänzenden blauen und lila Dachziegeln Ausschau.« Peter zog eine Jeans an und kramte nach einem Hemd. »Du musst dir keine Sorgen machen.«

Peter hatte erzählt, dass er und sein vorheriger Mitbewohner geplant hatten, auch dieses Jahr ein Zimmer zu teilen, aber Peters Mitbewohner hatte wechseln müssen, da seine Familie sich die Studiengebühren nicht länger leisten konnte.

Kurts Umstände waren genau umgekehrt. Er war im ersten Jahr von der Dickinson angenommen worden, aber seine Eltern hatten es sich nicht leisten können und er hatte beschlossen, dass es die Schulden nicht wert war. Stattdessen war er nach Shippensburg gegangen, hatte hart gearbeitet und sehr gute Noten bekommen. Danach hatte er sich für das dritte Jahr beworben und sie hatten ihn nicht nur genommen, sondern ihm auch finanzielle Unterstützung und außerdem ein Stipendium zugesprochen. Das Stipendium hing zwar von seinem Notendurchschnitt ab, aber er hatte vor, die Anforderungen bei Weitem zu übertreffen. Mit Peter verstand er sich bisher ganz gut. Anfangs war Kurt nervös gewesen und hatte befürchtet, einen homophoben Fundamentalisten als Mitbewohner zu bekommen. Er hatte Glück gehabt. Er hatte bereits einige von Peters Freunden kennengelernt, zwei davon schwul, folglich war sein eigenes Coming-out okay und keine große Sache gewesen.

»Schreib mir, wenn du mit deinen Kursen fertig bist, dann können wir uns zum Mittagessen treffen«, sagte Peter.

»Klingt gut, mach ich«, sagte Kurt, öffnete dann die Tür und verließ das Zimmer. Er eilte die Treppe hinunter, stieß die Haustür auf und trat in den frühherbstlichen Sonnenschein. Lächelnd ging er über das Gelände an Studenten vorbei, die zu Vorlesungen eilten, Freunde trafen oder in den großen Adirondack-Stühlen saßen, die über die Wiese am Gelände verteilt waren.

Zwei Typen in Football-Trikots kamen ihm nebeneinander gehend entgegen. Kurt wich zur Seite des Wegs aus und ging weiter. Sie schienen ihn nicht zu bemerken, während sie näher kamen, und der, der Kurt am nächsten war, stieß ihn mit der Schulter an, als er vorbeiging. Kurts Füße glitten in dem taufeuchten Gras fast unter ihm weg. Er konnte sich wieder fangen, verdrehte sich aber den Knöchel ein wenig.

»Pass auf, wo du hingehst, Kurzer«, rief der Typ ihm zu. Dann drehte er sich zu seinem Freund um und die beiden gingen lachend weiter.

»Alles in Ordnung?«, fragte ein Mädchen und hastete auf ihn zu. »Ich hab alles gesehen und kann als Zeugin aussagen, wenn du willst«, fügte sie ernst hinzu. »Ich heiße Cathy und studiere Jura.«

»Das hab ich mir gedacht. Das mit Jura, nicht der Name. Und alles in Ordnung, danke.« Sein Knöchel tat ein bisschen weh, aber er würde es überleben. Seine Mutter hatte ihm ein Erste-Hilfe-Set mitgegeben, bei dem die Arztpraxen von vier Countys grün vor Neid werden würden. Sie machte um jeden Kratzer großes Theater und diese Tendenz schloss ihr einziges Kind mit ein. »Danke schön.« Er vergewisserte sich, dass er noch alle seine Sachen hatte.

»Wo musst du hin?«, fragte Cathy mit einem breiten Lächeln.

»Ich habe eine Biochemie-Vorlesung im Gebäude für Naturwissenschaften. Das ist mein erstes Semester hier, deswegen kenne ich mich noch nicht so gut aus.« Er wischte seine Hose sauber. »Wohin gehst du?«

»Infinitesimalrechnung«, antwortete sie und zeigte auf eins der älteren Gebäude. »Wir sehen uns«, sagte sie lächelnd und eilte davon.

Kurt marschierte deutlich langsamer zum Komplex für Naturwissenschaften hinüber. Er fand ihn problemlos und stieg die Treppen zu dem Raum hoch, der auf seinem Stundenplan stand. Er hatte einen Hörsaal erwartet, aber er fand einen normalen Seminarraum mit langen, U-förmig aufgestellten Tischreihen und Stühlen vor. Er setzte sich und begann, seine Unterlagen für die Vorlesung herauszuholen.

Weitere Studenten kamen und der Raum füllte sich schnell. Natürlich kannte er niemanden, aber er lächelte einem Mädchen zu, das sich neben ihn setzte. Sie lächelte zurück und bereitete sich auf den Unterricht vor. Die Studenten wurden still, als die Tür vorne im Raum aufging und ein Studienassistent ans Pult trat.

»Guten Morgen. Ich bin Professor Brendon Marcus.«

Kurt blickte in die Runde, um zu sehen, ob der Mann einen Witz gemacht hatte, aber die anderen Studenten reagierten nicht.

»Hier findet Einführung in die Biochemie statt, wir werden uns mit der Chemie des Lebens beschäftigen.« Er reichte einen Papierstapel an ein Mädchen in der ersten Reihe weiter. »Der Ablaufplan wird gerade durchgegeben. Darin finden Sie Pflichtlektüre sowie nötige Experimente, Feldforschung und die Anforderungen für die Semesterarbeit.« Der Professor drehte sich zu Kurt, während er sprach, und Kurts Herzschlag setzte aus. Er sah hinreißend aus und hatte unglaublich blaue Augen. Kurt blickte weg und schimpfte innerlich mit sich selbst.

Der Ablaufplan war gerade bei ihm angekommen, als die hintere Tür aufging und jemand hereinkam. Der Typ kam die Reihe entlang und setzte sich neben Kurt, also nahm Kurt eine weitere Kopie des Ablaufplans und gab sie ihm. Es war der Kerl, der ihn vom Gehweg gestoßen hatte.

»Hey, Kurzer«, flüsterte der riesige Typ, als er die gehefteten Seiten entgegennahm.

Kurt sah sich mit übertriebener Geste um.

»Was ist los?«

»Nichts«, sagte Kurt und drehte sich zu dem Footballspieler. »Wollte nur sichergehen, dass das hier nicht Planet der Affen ist.« Dann drehte er sich mit einem kleinen Lächeln nach vorne, während der Professor mit seiner Einleitung fortfuhr und dann mit der Vorlesung begann.

Kurt schrieb mit und versuchte mit aller Macht, den Kerl neben sich zu ignorieren. Sobald die Vorlesung endete, packte Kurt seine Sachen und machte sich lange vor dem plumpen Gorilla ohne Manieren in Richtung Tür auf. Er eilte den Korridor entlang zum Laborraum. Es gab zwei Labortermine für die Vorlesung und der direkt nach der Vorlesung hatte in seinen Stundenplan gepasst. Er nahm sein Übungsbuch und einen Notizblock heraus. Dann holte er seinen Laborkittel aus seinem Rucksack und zog ihn an.

Dr. Marcus kam einige Minuten später herein. »Viele Professoren haben Assistenten, die ihre Labors abhalten. Ich nicht.« Die hintere Tür wurde geöffnet. »Schön, dass Sie zu uns stoßen, Mr. Samuelson«, sagte der Professor. »Fangen wir an.« Kurt wandte sich um und stöhnte innerlich, da der Gorilla an der Station neben seiner stand. »Bildet Zweierteams.« Niemand bewegte sich und Kurt ächzte.

»Sieht aus, als wären wir zusammen, Kurzer«, sagte der Gorilla mit einem Lächeln, das Kurt ihm aus dem Gesicht schlagen wollte.

»Schön«, sagte Kurt und drehte sich weg, um sich auf den Professor zu konzentrieren. Er konnte nichts gegen seinen Partner tun, aber er würde auf jeden Fall sichergehen, dass seine Arbeit richtig und vollständig war.

Das Labor endete nicht nur einmal, sondern gleich dreimal fast in einer Katastrophe. Sie mussten zusammenarbeiten, aber der Gorilla schien sich mehr für seine Umgebung als für die Laborarbeit zu interessieren, und als Kurt ein weiteres Paar Hände brauchte, goss er beinahe die Lösung zu schnell in das Glas. Einzig, dass Kurt den Verschluss im letzten Moment zudrehte, bewahrte sie davor, noch einmal von vorne beginnen zu müssen. Am Ende der Einheit hatte Kurt seine Ergebnisse und genug Notizen für den Bericht gemacht. Er räumte ihre Station auf.

»Du hast nicht mitgeschrieben«, sagte Kurt zu seinem Partner. »Wie willst du den Bericht schreiben?«

»Ich nehme deine Mitschrift, Kurzer.«

»Vergiss es, Affe«, sagte Kurt. Er steckte die letzten Zettel in seinen Rucksack und verließ den Raum. Wenn er Glück hatte, würde der Typ vielleicht die Vorlesung schmeißen. Kurt wäre besser dran, wenn er alles allein erledigte. Die Klingel läutete und Kurt eilte zu seiner nächsten Vorlesung. Sie konnte nur besser werden als die, aus der er gerade kam.

Nach zwei weiteren Vorlesungen schrieb er Peter eine Nachricht und bekam zur Antwort, dass sie sich im Gebäude der Studentenvereinigung treffen konnten....