Staatliche Heimatpolitik und Heimatdiskurse in Bayern 1945–1970 - Identitätsstiftung zwischen Tradition und Modernisierung

Staatliche Heimatpolitik und Heimatdiskurse in Bayern 1945–1970 - Identitätsstiftung zwischen Tradition und Modernisierung

von: Ulla-Britta Vollhardt

Herbert Utz Verlag , 2008

ISBN: 9783831608157 , 551 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: DRM

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Preis: 34,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Staatliche Heimatpolitik und Heimatdiskurse in Bayern 1945–1970 - Identitätsstiftung zwischen Tradition und Modernisierung


 

3. Neuformierung staatlicher Instrumentarien zur Heimat- und Volkstumspflege: Der Bayerische Landesverein für Heimatpflege und seine Landesstelle für Volkskunde (S. 91-92)

Vom Bayerischen Heimatbund zum Bayerischen Landesverein für Heimatpflege e.V.

Die Bedeutung, die der bayerische Staat und die Politik in der unmittelbaren Nachkriegszeit dem Heimatprinzip beimaßen, manifestiert sich sinnfällig in der schnellen Wiederbegründung einer zentralen heimatpflegerischen Organisation, die die Funktion eines Dachverbands der bayerischen Heimatvereinigungen und die Koordination und Anregung einschlägiger Initiativen vor Ort übernehmen sollte.

Bereits wenige Wochen nach dem offiziellen Kriegsende beschäftigte man sich innerhalb der Staatsbehörden mit der Neubelebung des formal bis Kriegsende bestehenden Bayerischen Heimatbunds. 1902 als »Verein für Volkskunst und Volkskunde« durch namhafte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Professoren, Architekten, Künstler und Kunstgewerbler in München gegründet, stellte der Bayerische Heimatbund die älteste gesamtbayerische Heimatorganisation des Landes dar.

Bald zum Dachverband der heimatpflegerischen Vereine in Bayern avanciert, war er, seinem erweiterten Wirkungskreis wie -anspruch gemäß, 1904 in »Bayerischer Verein für Volkskunst und Volkskunde«, 1916, mit seinem Beitritt zu dem 1904 ins Leben gerufenen »Deutschen Bund Heimatschutz«, in »Bayerischer Verein für Heimatschutz« umbenannt worden. Seit 1938 »Bayerischer Heimatbund « genannt und im Rahmen des nationalsozialistischen Führerprinzips umstrukturiert, waren der eng an den Staat gebundenen Einrichtung mit ihrer im selben Jahr gegründeten und seitens des Innenministeriums finanzierten »Bayerischen Landesstelle für Volkskunde« bereits vor 1945 zahlreiche öffentliche Aufgaben in der praktischen Heimat- und Volkstumspflege übertragen worden.

Der Bayerische Heimatbund, dessen Mitgliederzahlen in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre durch die aktive Förderung des Innenministeriums unter Adolf Wagner, Staatsminister und Gauleiter von München-Oberbayern, stetig anstiegen, verzeichnete 1943, dem Jahr des zahlenmäßigen Höhepunkts seiner Wirksamkeit, weit über 7.000 Mitglieder im ganzen Land, die ihrerseits vielfach multiplikatorisch wirkten, unter ihnen zahlreiche bayerische Kommunen, Landkreise, Schulen und andere korporative Mitglieder, lokale und regionale Heimatvereinigungen.

Die mit 1. Januar 1938 in Verbindung mit dem Bayerischen Heimatbund als »halbstaatliche Stelle« durch das Innenministerium errichtete Landesstelle für Volkskunde war aus dem Volkskundeausschuß des Heimatbunds hervorgegangen. Sie galt fortan als die »autorisierte Stelle, die unter wissenschaftlicher Betreuung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften die volkskundliche Arbeit forscherischer wie pflegerischer Art für das ganze Land zusammenfasst «.

Ihr Vorsitzender wurde durch das Innenministerium im Benehmen mit dem Kultusministerium ernannt, ihre Finanzierung erfolgte durch Zuschüsse des Staates, gegenüber dem sie auch rechenschaftspflichtig war. Im Gegensatz zum Heimatbund war die Mitgliedschaft auf wissenschaftlich einschlägig ausgewiesene Persönlichkeiten beschränkt. Ihre organisatorische Zwitterstellung zwischen Verein und staatlicher Einrichtung wurde 1949 in die Worte gefaßt: »Wenn die Landesstelle für Volkskunde auch kein rein staatliches Institut ist, so ist sie im Endeffekt einem solchen doch gleich zu stellen.«