John Sinclair 715 - Tanz der Messer

von: Jason Dark

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2015

ISBN: 9783838734453 , 64 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 1,99 EUR

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John Sinclair 715 - Tanz der Messer


 

Tanz der Messer


Ric Torrano wusste, dass sein Opfer ahnungslos war. Er liebte es, Menschen, die gerade an nichts Böses dachten oder sich ihres Lebens erfreuten, blitzschnell durch eine Kugelgarbe zu töten.

Torrano war darin Spezialist, gewisse Kreise kannten und zählten auf ihn. Er befand sich bereits im Haus. Im Dunkeln hatte er sich mühelos seinen Weg gebahnt, denn die Skizze des Hauses hatte er in seinem Kopf gespeichert.

Der Mann saß in seinem Arbeitszimmer. Er würde dort hocken und über Akten brüten. Das tat er jeden Abend. Warum sollte es an diesem anders sein? Es gab also kein Risiko.

Vor der Tür blieb der Killer stehen. Die kurzläufige Maschinenpistole, auf die er einen Schalldämpfer geschraubt hatte, lag leicht und locker in seiner rechten Hand.

Bisher hatte die Mündung zu Boden gezeigt. Nun hob er sie an. Schräg wies sie gegen die Decke.

Die linke Hand hatte er frei.

Er legte sie auf die Türklinke, drückte diese nach unten, merkte, dass sich die Tür öffnete – und trat zu.

Er sprang in den Raum, sah die eingeschaltete Lampe auf dem Schreibtisch und in ihrem Licht das Opfer.

Die Mündung wischte nach unten.

Torrano schoss. Er stand nicht weit von der Tür entfernt. Er schaute zu, wie die Kugeln in den Körper hieben und ihn regelrecht zerfetzten. So etwas wie ein irres Gefühl durchflutete ihn. Es war Balsam für seine Killerseele, wenn er Blut sah, das sich verteilte und …

Hier gab es kein Blut.

Dabei hatten die Kugeln den Mann durchsiebt und durch ihre Wucht den Drehstuhl so geschwenkt, dass ihn der Tote anstarrte.

Kein Toter.

Eine Gestalt, deren Brust und Kopf zwar von Kugeln zerfetzt worden war, deshalb auch Löcher und Wunden bekommen hatte, aus denen aber kein Tropfen Blut quoll.

Dafür Stroh und Holzwolle.

Der Mann war nicht echt gewesen, jemand hatte an seiner Stelle eine Puppe vor den Schreibtisch gesetzt!

*

Sie haben dich gelinkt. Verdammt noch mal, sie haben dich gelinkt! Nur diese Sätze schossen durch Torranos Kopf. Wer dies getan hatte, war ihm egal, er wusste aber, dass seine Gegner noch einen Schritt weiter gegangen waren und er in der Falle steckte.

Jetzt kam es auf jede Sekunde an!

Seine Gegner hatten alles gewusst und ihn auch erwartet, und er wusste, dass sie sich damit nicht zufrieden geben würden. Das Haus stand einsam, ein Garten umgab es, nicht weit entfernt kreuzten sich zwei Kanäle, dahinter begann das flache Land ohne Deckung.

Die Falle war dicht – oder?

Ric Torrano wartete nicht einen Lidschlag länger. Er ließ sich zu Boden fallen, und das genau im richtigen Augenblick, denn draußen vor dem Fenster blitzte es auf.

Sie schossen ohne Warnung, und sie hatten direkt auf die breite Fensterscheibe gehalten, die mit einem lauten Krachen zersprang.

Ric Torrano rollte sich über den Boden, hielt dabei die MPi fest, das hier war kein Spaß, das war Krieg, verfluchter Krieg, in dem es um sein Leben ging.

Kugelgarben siebten durch das Zimmer. Im Garten blitzten die ersten Scheinwerfer auf. Lange Bahnen tasteten durch den Raum, erhellten alles, die Schreibtischlampe war längst zerfetzt worden.

Wie eine Schlange war er über den weichen Teppich zur zweiten Tür gehuscht, durch die das Arbeitszimmer betreten werden konnte.

Dahinter lag ein tolles Schlafzimmer, verteilt auf zwei Etagen, gewissermaßen als Maisonette-Wohnung gebaut.

Natürlich besaß auch dieses Zimmer ein Fenster. Nur lag es nicht im direkten Schein der Strahler.

Torrano durchlief es. Dann hetzte er die Stufen der Holztreppe hoch in den oberen Raum.

Von draußen her hörte er harte Stimmen, die ihre Befehle in die Nacht schrien.

Ric Torrano erreichte den zweiten Raum. Er war kleiner, zudem begann hier die Dachschräge. Große Fotos von nackten Mädchen klebten an den Wänden. Der Hundesohn, dem dieses Haus gehörte, hatte ein heißes Doppelleben geführt, doch das alles spielte jetzt keine Rolle mehr. Ric Torrano musste weg.

Nur nicht dieses Fenster nehmen, durch das ebenfalls die Bahn eines Scheinwerfers drang. Es bot sich wegen seiner dreieckigen und bis zum Boden reichenden Form nahezu an. Das alles hatte der Killer bereits in sein Kalkül mit einbezogen.

Mit der rechten Schulter rammte er die schmale Tür zum Bad auf. Es lag an der anderen Seite des Hauses. Die Einrichtung interessierte ihn nicht, er sah nur das schmale Fenster, hinter dem sich noch die Dunkelheit der Nacht verteilte.

Er riss es auf.

Die Stimmen brüllten noch immer. Jemand schrie nach Tränengas. Okay, sollten sie, das würde ihm nichts mehr tun. Er hängte seine Waffe um, kletterte aus dem Fenster, sah die Dachrinne dicht vor sich, zog sich daran hoch und sah mit Schrecken, wie sie sich durchbog.

Sie würde sein Gewicht nicht mehr halten können.

Zuerst rutschte ihm die MPi von der Schulter, dann fiel er.

Torrano biss die Zähne zusammen, schrie nicht, konzentrierte sich auf den Aufprall, den er überstehen würde, denn der Boden unter ihm war nicht asphaltiert.

Er federte sich ab, warf sich nach vorn, überrollte sich, kam hoch – und sah plötzlich den Mann im Kampfanzug, der sogar einen Helm auf dem Kopf trug.

Beide waren im ersten Augenblick überrascht. Es kam jetzt darauf an, wer von ihnen schneller reagierte.

Jeder aus dem Kommando hatte den Befehl bekommen, rücksichtslos auf Torrano zu schießen. Für einen vielfachen Killer gab es keine Gnade. Aber er war trotzdem schneller.

Seine MPi lag woanders, das Kampfmesser steckte an seinem Körper. Bevor der andere seine Waffe in die Schussposition drehte, war der stählerne Blitz bereits auf dem Weg zu ihm.

Dicht unter dem Hals schlug er in die Brust des Agenten, dessen Schrei erstickte im Blut.

Torrano wusste, dass der Mann tot war und sprang über die Leiche hinweg. Er ließ das Messer in dessen Hals stecken, für ihn war das Gebüsch wichtig, aus dem der andere hervorgekommen war. Es sollte auch ihm als Deckung dienen.

Vor dem Haus fielen wieder Schüsse, diesmal allerdings dumpfer im Klang. Sie schossen die Tränengasgranaten ins Haus. Das sollte ihn nicht weiter kümmern.

Im Zickzack hetzte er quer über das parkähnliche Grundstück. Aber seine Jäger waren Profis, sie rechneten mit jeder Möglichkeit. Woher die langen Scheinwerferbahnen kamen, konnte er nicht sagen, jedenfalls waren sie da und sogar gefährlich nah. Dicht hinter ihm kreuzten sich ihre Bahnen.

Es blieb nicht aus, dass sie ihn erfassten, denn schneller als ein Scheinwerfer war er nicht.

Für einen winzigen Moment stand er im grellen Licht. Das würde den anderen ausreichen, um seine Fluchtrichtung feststellen zu können, und plötzlich waren seine Chancen ganz gewaltig gesunken.

Aber er machte weiter.

Vor ihm ragte das verdammte Gestrüpp hoch. Dahinter war der Uferweg. Dort stand auch sein Wagen, und links davon schimmerte dunkel wie Teer das Wasser eines Kanals.

Würde das seine Rettung sein?

Wie eine Bombe brach Ric Torrano in das trockene Sommergestrüpp auf der Böschung. Es knackte unter ihm zusammen, und er hatte genügend Wucht hinter seinen Sprung gelegt, um sich freie Bahn zu verschaffen.

Waren sie auch am Kanal?

Er kam hoch und zog seine letzte Waffe.

Ein Revolver der Marke Smith & Wesson. Er gab ihm zwar nicht die Sicherheit wie eine Maschinenpistole, aber wehren konnte er sich damit auch.

Es war ein unauffälliger grauer Golf, der in der Dunkelheit nicht zu sehen war.

Vielleicht zwanzig Schritte hatte Torrano noch zu laufen. Hinter ihm war die Hölle los, da tobten die Verfolger heran, da war die Gegend durch das bleiche Licht der Scheinwerfer gespenstisch hell geworden.

Viel Zeit blieb ihm nicht mehr.

Über sich hörte er ein Knacken. Natürlich hatten sie in der Nähe des Autos gelauert. Nur im Gebüsch versteckt. Jetzt sprangen sie mit schussbereiten Waffen hervor, und das genau war ihr Fehler. Sie hätten vorher schießen sollen, so gaben sie Torrano Zeit, einen Bruchteil eher abzudrücken. Wer einem Mann wie ihm den kleinen Finger reichte, für den endete es oft tödlich.

Zwei Kugeln rissen einen der Männer von den Beinen. Er brach schreiend zusammen.

Der andere feuerte.

Die harte Garbe jagte schräg auf Torrano zu, der sich blitzschnell duckte und mit den Knien über den feuchten Grasboden schlitterte, um hinter seinem Wagen Deckung zu finden.

Er schoss dabei nach rechts.

Die Kugeln kreuzten sich.

Er traf und wurde getroffen.

Es waren gleich zwei Schläge, die ihn erwischten. Eine Kugel blieb im Oberschenkel stecken, die andere erwischte ihn wie eine glühende Peitschenschnur am Rücken.

Die Wucht trieb ihn nach vorn. Dass die beiden Hundesöhne nicht mehr schossen, bedeutete kaum noch etwas. Er war verletzt, sein rechter Oberschenkel brannte, als wäre er von Flammenzungen eingeschlossen. Für einen Moment bekam er keine Luft mehr. Es war der Schock. Die Welt wurde zu einem Kreisel, der sich heftig drehte.

Das Ziel aber blieb.

Er musste den Wagen erreichen, einsteigen, starten und dann fliehen. Abhauen, solange noch die Spur einer Chance bestand! Fast auf allen vieren erreichte er den Golf. Die Tür war offen.

Bei Jobs wie seinen musste man immer darauf gefasst sein, plötzlich türmen zu müssen. Wie recht er hatte, erlebte er hier, aber er biss die Zähne zusammen und drückte sich in das Fahrzeug.

Er setzte sich. Das verletzte Bein war für ihn mehr ein Gegenstand, den er nicht gebrauchen konnte. Er kümmerte sich trotzdem nicht darum. In seinem Körper steckte eine...