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Die Einstufung des Pflegegeldes: Kritische Auseinandersetzung mit der novellierten Rechtslage durch das Budgetbegleitgesetz 2011 und Pflegegeldreformgesetz 2012, unter Berücksichtigung der aktuellen höchstgerichtlichen Judikatur


 

Textprobe: Kapitel 2, Die Pflegegeldeinstufung: 2.1, Allgemeines: Die Bestimmungen des § 4 Abs 2 BPGG sowie die Regelungen der Einstufungsverordnung gehen grundsätzlich von einer funktionsbezogenen Einstufung des Pflegebedarfes aus. Neben diesem prinzipiellen Einstufungsverfahren besteht noch die Möglichkeit der 'diagnosebezogenen' Einstufung. Der Unterschied besteht darin, dass es bei der funktionsbezogenen Einstufung auf den zeitlichen durchschnittlichen Pflegeaufwand im Monat ankommt (bei den Stufen 5, 6 und 7 müssen noch zusätzliche Erfordernisse erfüllt werden), während es sich bei der diagnosebezogenen Einstufung um bestimmte Personengruppen handelt, welche besondere medizinische Voraussetzungen bzw. Diagnosen erfüllen. Bei dieser Gruppe handelt es sich um schwer behinderte Menschen, welche zur selbstständigen Lebensführung auf den aktiven Gebrach eines Rollstuhls angewiesen sind bzw hochgradig sehbehindert, blind oder taubblind sind. Diese Gruppe umfasst Personen, welche nicht pflegebedürftig im klassischen Sinn sind, sondern denen eine medizinische eindeutige Diagnose zugeschrieben werden kann und daher bei der Einstufung ohne weitere Prüfung des individuellen Pflegeaufwandes, eine 'Mindesteinstufung' vorgenommen wird. Die Ermittlung des rein zeitlichen Pflegebedarfs im Rahmen der funktionsbezogenen Einstufung wird anhand von Richtwerten, Mindestwerten sowie Fixwerten vorgenommen. Richtwerte bzw. Mindestwerte werden bei einem zeitlichen Betreuungsaufwand (z.B für das An- und Auskleiden oder das Kochen) herangezogen, Fixwerte für den Zeitaufwand für Hilfsverrichtungen (z.B für das Einkaufen). Diese Zeitvorgaben sollen eine einheitliche Beurteilung, welche Stufe des Pflegegeldes gebührt, sicherstellen. Die Grundlage der Entscheidung über die (Erst)-Zuerkennung von Pflegegeld bildet jedenfalls ein ärztliches Sachverständigengutachten, welches noch in Punkt 3 ausführlich dargelegt und diskutiert wird. Der Entscheidung über die Neubemessung des Pflegegeldes kann seit 1.1.2012 auch ein Sachverständigengutachten von Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege zugrunde gelegt werden. 2.2, Funktionsbezogene Einstufung: Die gesetzliche Grundlage hierfür bilden § 4 BPGG sowie die §§ 1 ff EinstV. Laut § 4 Abs 1 BPGG, wie schon oben angeführt, gebührt das Pflegegeld bei Zutreffen der übrigen Anspruchsvoraussetzungen, wenn auf Grund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung oder einer Sinnesbehinderung der ständige Betreuungs- und Hilfsbedarf (Pflegebedarf) voraussichtlich mindestens sechs Monate andauern wird oder würde. Weiters zu berücksichtigen sind die Weisungen des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz entsprechend § 31 Abs 5 Z 23 ASVG idgF, welche für Sozialgerichte jedoch keine Geltung haben. Weiters gibt es noch andere Quellen, aus welchen zu entnehmen ist, was konkret unter den einzelnen Pflegeverrichtungen iSd Einstufungsverordnung zu verstehen ist. Zum einen ist hier die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte zu erwähnen, welche Aufschluss über Abgrenzungsfragen gibt, zum anderen gibt es die Richtlinien über die einheitliche Anwendung des Bundespflegegeldgesetzes (kurz: RPGG 2010). Ergänzungen bzw Konkretisierungen aus der einschlägigen Literatur58 stellen weitere Quellen dar. Die Pensionsversicherungsanstalt hat für ihre sachverständigenden Ärzte eine Gutachterfibel zusammengestellt, welche die Definitionen aus Gesetzgebung und Literatur zusammenfasst und somit einen Arbeitsbehelf darstellen soll. 2.2.1 Betreuungsverrichtungen Bei dem Betreuungsaufwand wird von Richt- bzw. Mindestwerten ausgegangen. Diese sind in der EinstV in § 1 Abs 3 (Richtwerte) und 4 (Mindestwerte) festgelegt. Bei der Feststellung des zeitlichen Betreuungsaufwandes ist von folgenden, auf einen Tag bezogenen, Richtwerten auszugehen: Diese angeführten Richtwerte stellen Durchschnittwerte dar und können, im konkreten Einzelfall, über- als auch unterschritten werden, jedoch nur, wenn der tatsächliche Betreuungsbedarf erheblich, daher um annähernd die Hälfte, vom jeweiligen Richtwert abweicht. Ist bei schwankendem Gesundheitszustand nur eine tageweise Unterstützung bei den Betreuungsverrichtungen erforderlich, so ist der Zeitwert für die Anzahl von Tagen pro Monat zu berücksichtigen, an denen tatsächlich Pflegebedarf gegeben ist. Ist Pflegebedarf für gewisse Verrichtungen jeweils nur für einige Monate im Jahr gegeben, so ist der notwendige Betreuungsbedarf für diese Zeit zu ermitteln und auf das ganze Jahr aufzuteilen. Bei Personen mit einer schweren geistigen oder einer schweren psychischen Behinderung, insbesondere einer demenziellen Erkrankung, ist ab dem vollendeten 15. Lebensjahr zusätzlich ein auf einen Monat bezogener fixer Zeitwert als Erschwerniszuschlag von 25 Stunden zu berücksichtigen.