Star Trek - Voyager 7: Kinder des Sturms

von: Kirsten Beyer

Cross Cult, 2015

ISBN: 9783864257339 , 360 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 8,99 EUR

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Star Trek - Voyager 7: Kinder des Sturms


 

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STERNZEIT 58450,2


U.S.S. VOYAGER


»Also, das ist einfach nur völlig übertrieben«, sagte Harry Kim niedergeschlagen, als er die Reihe von Kanonen betrachtete, die sich auf dem Kamm erhoben, der ihn und den anderen namenlosen Sklaven, Tom Paris, von Chaoticas Schloss trennte.

»Chaotica war noch nie ein Freund von Subtilität«, erinnerte ihn Tom, außerstande, seine Erschöpfung zu verbergen.

»Ja, aber das ist nicht Chaotica«, argumentierte Harry. »Es ist Cambridge.«

»Du hast nicht genug Zeit mit unserem Counselor verbracht, Harry. Gegen den ist Chaotica harmlos.«

So sehr er es auch wollte, dem konnte Harry nichts entgegensetzen. Obwohl Hugh Cambridge seit beinahe drei Jahren Teil der Besatzung der Voyager war, hatte Harry bislang weder die Zeit noch das Bedürfnis gehabt, den Mann besser kennenzulernen. Selbst während der Zeit, die Harry als die letzten guten Tage an Bord der Voyager im Gedächtnis geblieben war, einer ausgedehnten Forschungsmission zum Yaris-Nebel, war er dem Counselor aus dem Weg gegangen. Die scheinbar endlosen Kämpfe der folgenden eineinhalb Jahre sowie der Verlust so vieler Personen, die ihm wichtig gewesen waren, und sein eigener Beinahe-Tod hätten ihn mehr als einmal zu Cambridge führen sollen. Wenn es so gewesen wäre, musste sich Harry eingestehen, würde er sich jetzt vielleicht nicht so verloren vorkommen. Andererseits hatte er sich immer wieder selbst versichert, dass er mit allem fertigwerden könne, was ihm das Universum zu bieten hatte. Bis zu dem Moment, an dem er herausgefunden hatte, dass er es nicht konnte.

Und so stellt sich Cambridge eine Therapie vor?, dachte Harry verbittert. In stinkende, zerschlissene Fetzen gekleidet, in einer monochromen Wüste, Seite an Seite mit dem Mann, den er mal wie einen Bruder geliebt hatte. Nun machte ihn dessen Anwesenheit nur wütend. Harry entschied, dass er richtig gehandelt hatte, den Counselor nicht aufzusuchen. Je früher Tom und er das Schloss einnahmen, umso besser. Dann konnte er diese mühselige Übung abhaken, sich in die Einsamkeit seines Quartiers zurückziehen und darüber nachdenken, was er mit dem Rest seines Lebens und seiner Kariere anstellen sollte.

Tom schaffte es nicht, sein schmerzverzerrtes Gesicht zu verbergen, und weckte damit Harrys Aufmerksamkeit.

»Was?«, wollte Harry wissen.

»Nichts.«

»Was?«

»Ist nicht dein Problem«, antwortete Tom knapp.

»Sag’s mir einfach«, beharrte Harry ohne Mitgefühl in der Stimme. »Wenn du ein Problem hast, das uns dabei behindert, den Kamm zu überqueren, muss ich das wissen.«

»Mir geht’s gut«, entgegnete Tom.

»Tut es nicht.«

»Sieh mal, Kumpel. Du bist gerade nicht Chef der Sicherheit«, erinnerte ihn Tom. »Du bist Namenloser Sklave Nummer Zwei, und Namenloser Sklave Nummer Eins kommt auch ohne deine Hilfe mit ein paar Sandflohbissen am Hintern zurecht«, ergänzte er aufgebracht.

Und seit wann bist du der Namenlose Sklave Nummer Eins?, wollte Harry fragen, schwieg jedoch. Sie trotteten gefühlt seit Ewigkeiten durch die Wüste, und sich jetzt über Rangfolgen zu streiten, oder Tom zu zwingen, zuzugeben, dass so etwas hier nicht existierte, würde ihr gemeinsames Problem nicht lösen. Trotzdem, typisch Tom.

Er beschränkte sich darauf, das Offensichtliche auszusprechen: »So kommen wir nicht weiter, oder?«

»Nein«, stimmte Tom zu, »aber ich glaube, ich weiß, wie wir weiterkommen.«

Das bezweifelte Harry, zuckte aber dennoch mit den Schultern. »Lass hören.«

Tom schlug sich in den Nacken und kratzte sich gleich darauf an einem weiteren Biss, während er seinen Plan erklärte: »Ich gehe nach Süden. Das Schloss verfügt kurz hinter den Mauern über ein Abflusssystem, und wenn ich es hinein schaffe …«

Harry fielen auf Anhieb mehrere Fehler an diesem Vorschlag auf. Nicht zuletzt der, dass es Stunden dauern würde, zur südlichen Mauer zu kommen, und er dieses sinnlose Unterfangen nicht so lange hinauszögern wollte.

»Selbst wenn wir davon ausgehen, dass du es so weit schaffst, was du nicht tun wirst«, versicherte er Tom, »haben wir diesen Abfluss nicht in Folge drei zerstört?«

»Captain Proton und der gemeine, dreckige, stinkende Roboter?«

»Genau.« Harry nickte und hätte beinahe gelächelt.

»Keine Bange, ich finde einen Weg hinein.«

»Nein, du wirst bei dem Versuch sterben«, beharrte Harry.

Tom schwieg lange genug, um Harry zynisch anzugrinsen.

»Besser ich als du.«

»Seit wann?«, entfuhr es Harry überrascht.

»Schon immer, Harry«, antwortete Tom ernster.

Harry war ernsthaft verblüfft.

»Ach, komm schon«, beantwortete Tom seine unausgesprochenen Zweifel. »Du weißt, ich würde für dich sterben. Zugegeben, die Liste ist nicht besonders lang. Und du stehst nicht an oberster Stelle. Aber du kommst gleich nach B’Elanna und Miral.«

»Du musst nicht … ich meine …« Harry fehlten unangenehmerweise die Worte.

»Anscheinend doch«, sprach Tom weiter. »Seit B’Elanna und Miral zurück sind, scheint es, dass du die vielen Jahre vergessen hast, die wir zusammen verbracht haben und die dazu geführt haben, dass ich im Falle eines Falles für dich sterben würde. Und ob du es glaubst oder nicht, das war noch immer der Fall, als ich dir nicht gesagt habe, dass B’Elanna und Miral noch leben. Dabei ging es übrigens genauso sehr darum, dich zu schützen, wie sie.«

Tom hatte das seit dem Beginn ihrer »Sitzung« am vorherigen Morgen schon Dutzende Male gesagt, aber Harry wollte es nicht glauben. Er verstand die Umstände: Eine wahnsinnige klingonische Sekte wollte den Tod von Toms Tochter. Aber Harry hätte es an Toms Stelle nie fertiggebracht, ihn über diesen verzweifelten Plan, Miral zu retten, anzulügen. Er hätte seinen besten Freund niemals glauben lassen können, dass zwei der Personen, die ihm im Universum am wichtigsten waren, tot waren. Für Harry war dieser Verrat ein deutliches Zeichen dafür, dass Tom ihm nicht vertraute. Nach zehn Jahren Freundschaft war das unmöglich zu verkraften. Harry fühlte sich, als treibe er in einem einsamen Meer aus Frustration, für dessen Beschreibung ihm mittlerweile die Kraft fehlte.

»In Ordnung«, schnappte er. »Du würdest für mich sterben.«

»Würde ich.«

»In Ordnung.«

»Das würde ich, Harry.«

»Das sagtest du bereits.«

»Und ich werde es genau jetzt tun«, ergänzte Tom ausdrücklich, während er sich hochstemmte, um nach Süden zu marschieren.

Harry setzte sich auf und sah Tom hinterher, wie dieser davontrottete. Er wusste, er sollte ihm folgen. Selbst ohne Schmerzen würde Tom es alleine nicht schaffen, überhaupt bis auf einen halben Kilometer an diesen Abfluss heranzukommen. Aber Harry wollte niemandem mehr irgendwohin folgen. Er wollte seinen eigenen Pfad finden und irgendwie den Optimismus zurückgewinnen, der ihn früher von seinen Kollegen unterschieden hatte. Damals hatte er sein Leben genossen. Mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass ein Großteil seiner derzeitigen Probleme damit zu tun hatte, dass er sich nicht einmal daran erinnern konnte, wann er das letzte Mal etwas empfunden hatte, das Freude auch nur annähernd glich. Die Stunden, die Tom und er zusammen auf genau diesem Holodeck verbracht hatten, waren immer der Höhepunkt des Tages gewesen. Überraschend fiel ihm noch etwas ein.

»Kannst du mir zumindest noch eine Frage beantworten?«, rief er Tom hinterher.

Tom blieb stehen, drehte sich aber nicht um. »Klar.«

»Warum macht das keinen Spaß mehr?«, fragte Harry schlicht.

Daraufhin drehte sich Tom um, sah Harry an, aber von der Leichtfertigkeit, die immer seine beste Verteidigung gewesen war, war nichts zu sehen.

»Meinst du das ernst?«, fragte Tom mit aufrichtigem Mitgefühl.

Und dann traf Harry die Erkenntnis härter als der Anblick von B’Elannas und Mirals Namen auf dieser gefälschten Opferliste.

»Wir erleben es schon zu lange in echt, oder?«

Ein Hauch des Übermuts kehrte zurück, als Tom sich mit dem Zeigefinger an der Nasenspitze berührte und zur Betonung dagegen tippte. Seufzend ging er zurück und ließ sich neben Harry in den Sand fallen.

»Als wir mit diesem Spiel angefangen haben, waren wir seit ein paar Jahren im Delta-Quadranten gestrandet und hatten schon einiges durchgemacht …«

»Ich war schon zweimal gestorben«, erinnerte ihn Harry.

»Und hattest die reizende Erfahrung gemacht, bei lebendigem Leibe von diesem Virus, oder was es auch war, von Spezies 8472 aufgefressen zu werden«, ergänzte Tom.

»Nicht.« Harry hob eine Hand, um weitere grausige Details der Geschichte abzuwehren.

»Aber wir hatten noch nichts wirklich Wichtiges verloren.«

»Da war die Sache...