Gemeinschaft in Gesellschaft - Soziologie nach Hegel und Parsons

von: Michael Opielka

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2008

ISBN: 9783531906638 , 532 Seiten

2. Auflage

Format: PDF, OL

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Preis: 62,99 EUR

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Gemeinschaft in Gesellschaft - Soziologie nach Hegel und Parsons


 

5 Gemeinschaft nach Parsons: Dialektik des AGIL-Schema (S. 263-265)

Eine Konvergenzthese stand am Anfang von Talcott Parsons` Handlungs-Systemtheorie. Um die Hobbessche Frage nach der Moglichkeit sozialer Ordnung beantworten zu konnen, rekonstruierte Parsons in seiner ersten groCen Arbeit („The Structure of Social Action", Parsons 1968a) okonomistische und strukturtheoretische Soziologien (Marshall und Pareto, Durkheim und Weber). Er beobachtete ihre Konvergenz im normativistischen Modell einer durch gemeinsame Wertorientierungen garantierten Sozialintegration.

Parsons beschaftigte sich bereits in „Structure" mit Ferdinand Tonnies` Dialektik von „Gemeinschaft und Gesellschaft", doch eine ausgearbeitete Soziologie der Gemeinschaft legte Parsons erst in seiner letzten Schaffensepoche nach der Ausarbeitung des Vierfelder-Schemas (AGIL) vor. Parsons verortete dort die „gesellschaftliche Gemeinschaft" als Kern des Sozialsystems „Gesellschaft" und gemeinschaftliche Handlungs- und Systemformen - die „integrative" Komponente (I) - als konstitutiv fiir alle Handlungssysteme. Obgleich die Parsonssche Soziologie, nachdem sie die soziologische Theoriebildung bis in die 1970er Jahre und insbesondere in den USA dominierte, langere Zeit nicht im Mittelpunkt des sozialwissenschaftlichen Interesses stand, existiert ein indirekter Einfluss auf den neueren Gemeinschafts-Diskurs.

Beispiele dafiir sind die Diskussion von Parsons in Habermas` „Theorie des kommunikativen Handelns" (1981, II, S. 295ff.), die Arbeiten von Jeffrey C. Alexander in den USA und Richard Miinch in Deutschland (v.a. Münch 1984, S. 261ff.) und die Arbeiten des Parsons-Schiiler Robert N. Bellah und seiner Mitarbeiter zur Gemeinschafts-Bildung in den Vereinigten Staaten heute (Bellah u.a. 1987, 1991). Alexander betonte den originaren Beitrag von Parsons, „solidarity" beziehungsweise die „gesellschaftliche Gemeinschaft" („societal community") - Durkheim und Weber systematisch integrierend - als eine eigenstandige, unreduzierbare Sphare der Gesellschaft begriindet zu haben (Alexander 1983, S. 94ff.). Dennoch wird Parsons im Kontext der Diskussion um den „Kommunitarismus" bisher nicht als Referenzperson genannt. Dies konnte sich andern, wenn das letzte, von Parsons kurz vor seinem Tode verfasste Manuskript „The American Societal Community" (Parsons 1979) veroffentlicht wird. ,Parsons hat hier die Zentralitat der gemeinschaftlichen Aspekte gesellschaftlichen Handelns und sozialer Systembildung systematisiert und am Beispiel der US-amerikanischen Gesellschaft illustriert.

5.1 Geschichte und Struktur des AGIL-Schema

Die Auseinandersetzung mit Parsons in diesem Kapitel konzentriert sich auf dessen Soziologie der Gemeinschaft und auf die in den vorhergehenden Kapiteln bereits ansatzweise kritisierten Begriindungsstrategien. Sie muss angesichts des beeindruckenden soziologischen Schaffens von Parsons fragmentarisch bleiben. Gliicklicherweise sind in den letzten Jahren einige Arbeiten erschienen, die Parsons` Werk fiir Interessierte leichter zuganglich machen. Neben dem Text von Stefan Jensen Qensen 1980) ist vor allem die Arbeit von Harald Wenzel (Wenzel 1991) zu erwahnen. Hilfreich sind weiterhin die Arbeiten von Sigrid Brandt zu Parsons` Religionssoziologie (Brandt 1993) und von Bruce Wearne liber die Entwicklung von Parsons` Theorie bis in die 1950er Jahre (Wearne 1989).

Rekonstruktiv angelegt ist das Parsons gewidmete Kapitel in Richard Miinchs „Sociological Theory" (Miinch 1994, S. 3-118, auch Miinch 2002). Differenziert stellt Hans Joas Parsons` Beitrag zur modernen soziologischen Theorie vor (Joas/Knobl 2004, S. 39-142). Eine „intellektuelle Biographic" von Parsons, die insbesondere seine politikbezogenen Interventionen untersucht, verfasste erstmals Uta Gerhardt (Gerhardt 2002). Seit Mitte der 1990er Jahre lasst sich somit eine breitere Renaissance soziologischen Interesses an Parsons beobachten (Barber/Gerhardt 1999, Staubmann/Wenzel 2000, Wenzel 2002, Fox u.a. 2005).