Grundkurs deutsche Militärgeschichte Bd. 2: Das Zeitalter der Weltkriege

von: Karl-Volker Neugebauer (Hrsg.)

De Gruyter Oldenbourg, 2007

ISBN: 9783486580990 , 463 Seiten

Format: PDF, OL

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Preis: 17,80 EUR

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Grundkurs deutsche Militärgeschichte Bd. 2: Das Zeitalter der Weltkriege


 

Das Zeitalter der Weltkriege 1914 bis 1945 – der »Dreißigjährige Krieg« des 20. Jahrhunderts? (S. IX)

Im Sommer 1914 blickte Europa auf eine fünfundvierzigjährige Friedenszeit zurück. Kriege mit europäischer Beteiligung hatten in dieser Zeit lediglich als regional begrenzte Konflikte in den europäischen Randlagen wie auf dem Balkan, in Asien oder in den Kolonien statgefunden. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts war diese Friedensepoche jedoch durch zunehmende innen- und sozialpolitische Probleme der europäischen Staaten sowie den wachsenden Gegensatz der europäischen Machtblöcke und dem ersten »Kalten Krieg« des Jahrhunderts geprägt.

Das Deutsche Reich, die Führungsmacht des Dreibundes mit Österreich-Ungarn und Italien, strebte nach Weltgeltung und forderte ebenfalls einen »Platz an der Sonne«. Die etablierten Weltmächte, Frankreich, Russland und Großbritannien waren jedoch nicht bereit, auf eigene Machtansprüche zu verzichten oder womöglich eine deutsche Vorherrschaft über Europa hinzunehmen. Die wechselseitig wahrgenommene Bedrohung der eigenen Macht führte zu einem beschleunigten Rüstungswettlauf zur See, zu Lande und in Ansätzen auch in der Luft . In einer Epoche, in der Krieg noch als ein allgemein anerkanntes Mittel der Politik verstanden wurde, sahen viele Europäer in einem kurzen Waffengang die einzige Lösung der angestauten innen- und außenpolitischen Konflikte.

Die Ermordung des österreich-ungarischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Gattin in Sarajevo am 28. Juni 1914 war daher lediglich Anlass, nicht Ursache für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges – gleichsam der Funke ins Pulverfass. Dass mein Großvater Franz-Peter Schneider, geboren 1894 in Mainz, diese Zusammenhänge durchschaute, ist unwahrscheinlich.

Für ihn war es jedoch selbstverständlich, dass er, wenn auch mit einem klammen Gefühl im Magen, als einfacher Kanonier der Leibbatterie des 1. Großherzoglichen Hessischen Feldartillerie- Regimentes Nr. 25 im August 1914 in den Krieg zog. Denn ebenso wie die meisten seiner europäischen Zeitgenossen empfand er diesen Krieg als berechtigte Verteidigung. In den folgenden Jahren kämpfte und litt Franz-Peter Schneider mehrfach schwer verwundet unter anderem in der Marneschlacht 1914, vor Verdun und an der Somme 1916, vor Arras 1917 und während der Michael-Offensive 1918.

Zwischenzeitlich zum Unteroffizier befördert, kehrte er nach Kriegsende 1918 hochdekoriert nach Mainz zurück. Der Krieg hatte ihn nicht nur körperlich, sondern auch seelisch gezeichnet und ihn während seines weiteren Lebensweges nie mehr losgelassen. Obwohl er – wie die meisten Deutschen – die Niederlage und den Versailler Friedensvertrag als Demütigung empfunden hatte, stand er im September 1939 dem zweiten großen Waffengang seines Lebens eher skeptisch gegenüber.

Er wurde 1939, diesmal mit 46 Jahren, erneut eingezogen und als Wachtmeister und Zugführer einer Transportkompanie des Artillerieregiments 72 im Grenzgebiet zu Frankreich eingesetzt. Ohne an größeren Kampfeinsätzen teilgenommen zu haben, wurde Franz-Peter Schneider, mittlerweile zum Oberwachtmeister befördert, im April 1940 aus Altersgründen aus dem aktiven Dienst entlassen. Als älterer Soldat erschien er weniger für die Kriegführung geeignet, wohl aber als Landwirt.

1944 holte ihn der Krieg als Führer des örtlichen Volkssturms aber wieder ein. Er legte jedoch mit seinen Männern die Waffen nieder, bevor er in Kampfhandlungen verwickelt wurde. Seine Kriegserfahrungen hatten ihn gelehrt, dass bei personeller Unterlegenheit und mangelhafter Bewaffnung ein Kampf gegen Panzerkräne sinnlos war. Am Kriegsende 1945 blickte Franz-Peter Schneider keineswegs wie sein Vater im Alter von fünfzig Jahren vor ihm auf eine langjährige Friedensepoche mit großen wirtschaftlichen, technischen und kulturellen Fortschritten zurück.