Kriegerherz

von: Paige Anderson

Sieben Verlag, 2014

ISBN: 9783864434396 , 300 Seiten

Format: PDF, ePUB, OL

Kopierschutz: DRM

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Preis: 6,99 EUR

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Kriegerherz


 

2. Kapitel

 

Jahrhundertelange Übung hatte Andi zur Meisterin der Selbstbeherrschung erhoben.

Mühevoll stopfte sie jedes kleine Loch ihrer äußeren Fassade, um die Oberfläche so glatt wie möglich zu halten. Auf dass alle Emotionen an ihr abperlten, gleich den Wassertropfen auf einem Lotusblatt. Dieser Umstand war für sie, wie für den Rest der Welt, unumgänglich. Das Zittern ihrer Hände, die Veränderungen ihres Herzschlages lösten eine unaufhaltsame Kaskade unschöner Reaktionen in ihrem Kopf aus. Andis Körper war ihr Gefängnis, ihre Haut das Gitter und ihre Disziplin der Wärter. Sie mochte ihr Gefängnis und war wohl die erste Insassin, welche nicht im Traum daran dachte, auszubrechen. Manche Individuen fristeten ihr Dasein zu Recht abgeschottet von der Außenwelt.

Wie konnte es so weit kommen, Liebes? Davids Stimme riss sie aus ihren Grübeleien zurück in das abgedunkelte Zimmer des Gästehauses, in dem sie wohnten.

Er hat mich erschreckt, antwortete sie schlicht und zuckte mit den Schultern. Lügen fiel ihr leicht, bestand doch ihr halbes Leben aus der Vorspiegelung falscher Tatsachen. Der Krieger hatte sie nicht geängstigt. David hatte sie ausreichend informiert. Sein Auftreten hatte alle Erwartungen erfüllt. Raue Erscheinung, fehlende Manieren, ohne Grund feindselig, bewaffnet bis an die Zähne. Eine gewissenhafte Freund-Feind-Kennung funktionierte anders. Wäre er dabei geblieben, wäre es glattgegangen. Aber nein. Es bedurfte keiner Klinge oder Drohung, um ihre Mauer zum Bröckeln zu bringen. Eine aufrichtige Entschuldigung aus dem Mund dieses Mannes, welche so überraschend gekommen war, dass sie nicht damit umgehen konnte, reichte aus. Aus einem Riss wurde ein Loch, aus dem Loch wurde der Schutthaufen ihrer Selbstbeherrschung. Sein Verhalten war so anders, als David ihr berichtet hatte. In seinen erstaunlichen Augen stand Reue. Wer in der Lage war, Reue zu empfinden, war nicht gewissenlos.

Hast du deinen Anfall mit den Konzentrationsübungen, die ich dir gezeigt habe, überwunden?

Sie hatte David nie erzählt, dass sie es albern fand, an Backenhörnchen und Hundewelpen zu denken, um sich abzulenken. Ebenso wenig konnte sie ihre wild gewordenen Gedanken mit einem Lasso aus grünen Auen und murmelnden Gebirgsbächen einfangen.

Ja. Zum Glück war ihr Name Pherson und nicht Pinocchio. Die Nase hätte David glatt durchbohrt. Es war nicht so, als hätte sie es nicht ausgetestet. Sie hatte gekämpft, probiert die Löcher ihrer Fassade zu stopfen. Sinnlos. Es war, als hätte sie versucht, einen Wasserfall mit bloßen Händen aufzufangen. Ab diesem Zeitpunkt war alles schiefgegangen. Je mehr ihr bewusst wurde, dass sie kurz vor dem Siedepunkt stand, desto schneller drohte die Panik sie zu übermannen. Erinnerungen prasselten auf sie nieder, drückten ihren Körper endgültig zu Boden. Was blieb ihr anderes übrig, als zu kapitulieren? In einem solchen Zustand hätte auch David ihr nicht helfen können. Oder? Früher erreichte sie diesen kritischen Grad in regelmäßigen Abständen. David hatte keine andere Wahl gehabt, außer sie in Ruhe zu lassen und zu warten, bis das Gewitter vorübergezogen war. Von Zeit zu Zeit betäubte er sie. Dafür war sie dankbar. Heute war es nicht wie sonst. Sie war nicht allein. Der Auslöser war gleichzeitig ihre Rettung. Das Symptom wurde zur Kur. Wenn sie die Augen schloss, konnte sie die Brust des Kriegers spüren, wie sie sich warm gegen sie presste. Seine Körpertemperatur war höher als normal. Sie hatte sich auf ihre taumelnden Gedanken ausgebreitet, sie von innen heraus besänftigt. Von seinem herrlichen Duft umnebelt hatten sich seine Bewegungen auf ihre Haut übertragen, waren in den letzten Winkel ihres Kopfes gekrochen und hatten sie eins werden lassen. Er hatte sie nicht im Stich gelassen. Wie konnte ein derartiger Koloss so sanft sein? War er gar nicht vom Drachenclan? Ähnelte er nur einem dieser Barbaren? Er war nicht brutal, rücksichtslos und egoistisch. Gut, sein Auftreten war unflätig, aber sie war auch nicht die Höflichkeit in Person gewesen. Die Erwähnung der Satyrn hatte ihn auf die Palme gebracht. In dem kurzen Augenblick, in dem er sie mit diesem wilden und zugleich warmherzigen Blick festgenagelt hatte, konnte sie tiefer in ihn hineinsehen, als ihm wohl bewusst gewesen war. Sie alle lebten in ihrer eigenen kleinen Hölle. Separees des Grauens, wie sie diese gern nannte. Getrieben von Vorwürfen, Zweifeln und ohne Fluchtweg in Sicht. Sie kannte diesen Ausdruck, sah sie ihn doch jeden Tag im Spiegel. Satyrn. Laut David waren diese ein Vorwand für Gewalt. Da sie noch nie einen gesehen hatte, kam ihr diese Schlussfolgerung logisch vor.

Wenn ihre Welt tatsächlich von irgendwelchen Monstern terrorisiert werden würde, hätte sie davon gehört. Oder? Bist du sicher, dass er vom Drachenclan ist?

David rutschte auf der Bettkante nach vorn und stützte die Ellenbogen auf die Knie.

Er schien nicht aggressiv zu sein, fügte sie angesichts seines tadelnden Blickes hinzu.

Sein Name ist Liam. Er ist der Schlimmste von allen. Sein brutales Wesen versteckt er hinter einer silberzüngigen Engelsmaske.

Engel? Liam hatte so viel mit einem Engel gemein, wie sie mit einem Supermodel. Sein strohblondes Haar, welches knapp seine Ohren bedeckte und die stahlblauen Augen wirkten nicht annähernd unschuldig. Der Drei-Tage-Bart war das Sahnehäubchen auf dem Eisbecher der Zügellosigkeit. Der Teufel im Sexgottpelz. Selbst wenn sie sich ein Interesse am anderen Geschlecht hätte leisten dürfen, befand sich Liam weit außerhalb ihrer Reichweite. Er spielte in einer anderen Liga. Perfekte Krieger fanden keinen Spaß an rothaarigen, sommersprossigen, zu groß geratenen Frauen mit gebärfreudigem Becken. Liam war der Footballspieler und sie die Streberin, die die Trikots wusch. Aber die Gedanken waren frei, also erlaubte sie sich, zu träumen. Vom schönsten Mann, den sie jemals gesehen hatte.

Was wollte er?, fragte David, während er ihr Gesicht musterte.

Hilfe bei einer Übersetzung. Sie vertrieb die unsittlichen Fantastereien. Die Tatsache, dass er ihre Expertise brauchte, machte den Sexgott auf einer anderen Ebene interessant. Die Wissenschaft war ihre Leidenschaft, der sie sich ohne Angst hingeben konnte. Es gab keine Ausflüchte, Unfälle, ungewollte Explosionen oder fadenscheinige Erklärungen.

Um was genau es geht, hat er nicht erwähnt?

Nein, leider nicht. Vielleicht ist es ein sumerischer Text? Das wäre toll. Damit haben alle Probleme, denn sie wissen nicht

Das ist unerheblich. Wir werden gleich...