Sand des Verderbens - Karl May´s Gesammelte Werke Band 10

von: Karl May

Karl-May-Verlag, 1956

ISBN: 9783780217103 , 425 Seiten

Format: PDF, ePUB, OL

Kopierschutz: DRM

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Preis: 6,99 EUR

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Sand des Verderbens - Karl May´s Gesammelte Werke Band 10


 

DER SAND DES VERDERBENS (S. 348-349)

1. In den Felsengrotten der Sahara

Die Sonne hatte ihren Tageslauf fast vollendet. Darum lag ich nach der glühenden Hitze etwas entfernt vom Brunnen vollständig im Schatten meines Reitkamels, während sich die anderen Mitglieder der Karawane rund um das brackige, schlecht schmeckende Wasser niedergelassen hatten und den überschwänglichen Reden meines Châdim1 Kamil lauschten. Ich konnte jedes Wort verstehen und hörte mit heimlichem Vergnügen, welche Mühe er sich gab, alle meine unzähligen guten Eigenschaften ins richtige Licht zu setzen. „Nicht wahr, du heißt Abram Ben Sakir und bist ein reicher Mann?“, fragte er den neben ihm sitzenden Handelsherrn aus Mursuk. „Wie viel bezahlst du jedem deiner Begleiter auf dieser Reise für den Tag?“ „Zweihundert Kauris2“, antwortete der Gefragte bereitwillig. „Ist das nicht genug?“

„Für deinen Besitz, ja. Aber mein Sihdi ist viel reicher als du. Er heißt Kara Ben Nemsi und in den Oasen seines Vaterlandes weiden 1.000 Pferde, 5.000 Kamele, 10.000 Ziegen und 20.000 Schafe, mit fetten Schwänzen, die ihm gehören. Er gibt mir täglich einen Abu ’n Nokta4, sodass ich reicher als du sein werde, wenn ich von ihm in mein Duar5 zurückgekehrt bin. Sag, was bist du gegen ihn?“ Der Aufschneider log gewaltig, denn ich zahlte ihm nicht täglich, sondern wöchentlich einen Mariatheresientaler.

Er bekam also nach deutschem Geld täglich ungefähr 50 Pfennig. Der reiche Handelsherr hob die Schultern. „Allah gibt und Allah nimmt, die Menschen können nicht alle gleich wohlhabend sein.“ „Du hast Recht“, nickte Kamil, „und weil mein Herr der Liebling Allahs ist, hat er viel von ihm bekommen. Ahnst du vielleicht, wie berühmt der Name Hadschi Kara Ben Nemsi in allen Ländern und bei allen Völkern der Erde ist? – Er spricht alle viertausendundfünfzig Sprachen der menschlichen Zunge, kennt die Namen aller achtzigtausend Tiere und Pflanzen, heilt alle zehntausend Krankheiten und schießt den Löwen mit einer einzigen Kugel tot.

Seine Mutter war die schönste Frau der Welt. Die Mutter seines Vaters wurde der Inbegriff der Tugenden genannt und die sechsunddreißig Frauen, die er besitzt, sind folgsam, lieblich und nach Ambra duftend wie die Blumen des Paradieses. Er hat die Heere aller Helden besiegt. Vor seiner Stimme zittert sogar der schwarze Panther, und wenn, um uns zu überfallen, die räuberischen Tuareg kämen, in deren Gebiet wir uns leider jetzt befinden, so genügte allein seine kleine Flinte, sie in die Flucht zu treiben.

Blick hin zu ihm! Siehst du, dass er zwei Gewehre hat, ein großes und ein kleines? Mit dem großen schießt er eine ganze Kal‘a1 über den Haufen und mit dem kleinen kann er hunderttausendmal schießen, ohne zu laden, darum wird es eine Bundukîjet el tekrâr2 genannt. Fast wünsche ich, dass diese Halunken kämen, dann solltet ihr sehen...“ „Sei still, um Allahs Willen!“, unterbrach ihn der Schêch el Dschemâli3 rasch. „Wenn du die Mörder herbeiwünschst, so kann es dem Scheïtan4 leicht einfallen, sie wirklich herbeizuführen, und dann wären wir verloren!“ „Verloren? Wenn mein Effendi hier ist und auch ich bei euch bin?“