Konflikt

von: Frank R. Pfetsch

Springer-Verlag, 2005

ISBN: 9783540270782 , 370 Seiten

Format: PDF, OL

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Konflikt


 

Konflikt und Konfliktperzeption in Südasien: Indien im Vergleich (S. 53)

subrata k. mitra und malte pehl

Konflikte um unterschiedliche Interessen oder Werte und der daraus resultierende politische Wettbewerb sowie die gelegentlich ebenfalls darin begründete politische Gewalt, sind weltweit anzutreffende Phänomene. In postkolonialen Kontexten,wie etwa in den Staaten der Region Südasien (Indien,Pakistan, Bangladesch, Sri Lanka, Nepal, Bhutan, Malediven) treten zu den aus westlichen Ländern bekannten Arten von Konflikten in neuerer Zeit insbesondere solche um ethnische oder kulturelle Identität sowie Konflikte um die Legitimität staatlicher Herrschaft hinzu.

In Indien stellt die Gleichzeitigkeit von Demokratie und teilweise gewaltsamem Konfliktaustrag ein zusätzliches Paradoxon dar. So hat die Demokratisierung der indischen Gesellschaft gleichzeitig Ressentiments, Protest und zum Teil einen gewaltsamen Konfliktaustrag seitens marginalisierter Gruppen, die sich auf diese Art Gehör verschaffen, mit sich gebracht.Die Wahrnehmung der Kluft zwischen demokratischer Rhetorik und der materiellen Realität hat diese Tendenzen noch verstärkt.

Anders als bei europäischen Konflikten vergangener Jahrhunderte finden sich jedoch die Protagonisten solcher Konflikte – gleich, ob sie sich gegen andere nicht-staatliche Akteure wenden, oder aber die Autorität des Staates selbst in Frage stellen – in heutiger Zeit Staatswesen gegenüber, deren Anspruch auf territoriale Integrität lange als unumstößlicher Grundsatz des Völkerrechts etabliert galt.

Diese Staaten können teilweise erhebliche Ressourcen mobilisieren und sind bereit, diesen Anspruch nach außen wie nach innen aufrecht zu erhalten. Im Gegensatz zu zahlreichen Befreiungsbewegungen der ausgehenden Kolonialzeit konzentrieren sich heutzutage in Südasien wie in anderen Regionen der Welt solche Konflikte allerdings nicht mehr allein auf den Widerstand gegen eine, wie auch immer geartete, Fremdherrschaft.

Die neueren Konflikte haben zunehmend die Vorherrschaft einer bestimmten ethnischen Gruppe oder Kultur innerhalb eines Staates, die Anfechtung der Legitimität staatlicher Herrschaft sowie den Wunsch nach deren rechtlicher oder territorialer Neugestaltung, entweder innerhalb des bestehenden Systems oder durch Sezession, zum Gegenstand.

Der vorliegende Beitrag befasst sich weniger mit der Frage der Ursachen als vielmehr mit den Verläufen dieser Konflikte insbesondere in den Staaten Südasiens. Er soll als kritische Auseinandersetzung mit ausschließlich strukturalistischen Theorien über Konflikte in postkolonialen Staaten und als deren Ergänzung, sowie als erster Anstoß für weitere Forschungsarbeiten in diesem Bereich dienen. Dabei bildet die Wahl der Mittel des Konfliktaustrags einen Schwerpunkt der Diskussion. Die Region Südasien wird, anders als in zahlreichen kulturalistischen und strukturalistischen Theorien, nicht als Erklärungsvariable, sondern primär als Untersuchungsgegenstand angesehen.

Die Kernfrage hierbei lautet, warum es in der Region trotz scheinbar ähnlicher struktureller Faktoren in manchen Situationen zur gewaltsamen Austragung von Konflikten außerhalb etablierter geregelter Verfahren kommt,in anderen jedoch nicht.Auf der Grundlage eines handlungstheoretischen Modells soll erklärt werden, warum in den Ländern der Region, zum Teil sogar trotz etablierter demokratischer politischer Systeme, gewaltsame politische Auseinandersetzungen weiter bestehen.

Des Weiteren soll erklärt werden, weshalb Menschen politische Gruppen unterstützen, die ausdrücklich das Mittel des gewaltsamen Konfliktaustrags einsetzen und welche Rolle hierbei ihre Wahrnehmung dieser Gruppen, ihrer eigenen Ziele und die öffentliche Wahrnehmung des Staates spielt. Es wird davon ausgegangen, dass die Perzeption der Unterstützer und der Führungseliten sowie die vorhandenen strukturbedingten Handlungsmöglichkeiten für die Entwicklung eines Konflikts und dessen Lösungsmöglichkeiten von entscheidender Bedeutung sind.

Abschließend wird ein Modell vorgestellt, welches den idealtypischen „Lebenszyklus" solcher Bewegungen, mit denen sich viele der Staaten der Region konfrontiert sehen, veranschaulichen soll.