Grundzüge der Gentechnik - Theorie und Praxis

von: Mechthild Regenass-Klotz

Birkhäuser Basel, 2005

ISBN: 9783764373061 , 171 Seiten

3. Auflage

Format: PDF, OL

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Preis: 20,67 EUR

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Grundzüge der Gentechnik - Theorie und Praxis


 

Praxis (S. 73-74)

IV Gentechnik in Medizin und Forschung

IV.1 Das erste Klonierungsexperiment

1973 nennt man gemeinhin das Geburtsjahr der Gentechnik. Richtig ist, dass in diesem Jahr zum ersten Mal die Rekombination von DNA verschiedener Herkunft und deren Klonierung gelang. Aber die Erkenntnisse der Jahre vorher, nämlich die Entschlüsselung des genetischen Codes, die Entdeckung der Restriktionsenzyme und anderes mehr waren unabdingbare Vorläufer dieses Experimentes. Bereits die von Gregor Mendel aufgestellten Gesetze der Vererbung implizierten, dass allen Organismen ein und derselbe Mechanismus zugrunde liegen muss, denn ebenso wie der genetische Code sind Mendels Gesetze für alle Organismen gültig. Was war das für ein Experiment, das in der alten und neuen Welt für Aufregung sorgte, das die Wissenschaft aus dem Elfenbeinturm in die Schlagzeilen rückte?

Das erste Klonierungsexperiment, das zu einer rekombinanten DNA führte, also die DNA-Moleküle verschiedener Herkunft miteinander vereinigte, wurde 1973 von S. Cohen und H. Boyer mit ihren Mitarbeitern durchgeführt. Wesentliche Vorarbeiten zu diesem Experiment wurden 1972 von P. Berg und seinen Mitarbeitern geschaffen. Wie viele wichtigen Experimente, besticht auch das erste Klonierungsexperiment durch seine Klarheit und Logik. Ausgangs-DNA waren zwei Plasmide unterschiedlicher Herkunft: Das eine war ein E. coli Plasmid, pSC101, und trug die Information, die nötig war, um sich zu replizieren und gegen das Antibiotikum Tetracyclin resistent zu sein.

Das zweite Plasmid, RSF 1010, hingegen stammte ursprünglich aus dem Bakterium Salmonella thyphimurium und war neben den nötigen Replikationssequenzen Träger einer Streptomycin- Resistenz. Jedes dieser Plasmide wies eine Schnittstelle für das Restriktionsenzym EcoRI auf. Das bedeutet, als ringförmiges Molekül wurde jedes dieser Plasmide durch EcoRI aus der Ringform zu einem linearen DNA-Molekül gespalten. Wie im vorderen Teil bereits besprochen, bildet die Schnittstelle von EcoRI «sticky ends», die gegenseitig komplementär sind. Sie lagern sich in einer Hybridisierungsreaktion aneinander, formen Wasserstoffbrücken aus und werden schliesslich durch das Enzym Ligase kovalent zu einem durchgehenden Doppelstrang verbunden.

Aus den zwei Plasmiden war also durch gezieltes Schneiden mit demselben Restriktionsenzym und Ligierung ein rekombinantes Plasmid entstanden. Mit diesem DNA-Konstrukt wurden E. coli-Zellen transformiert. Um definitiv zu beweisen, dass das neue Plasmid in E. coli vermehrt und exprimiert wird, musste nach solchen Bakterien-Klonen gesucht werden, die eine doppelte Antibiotika- Resistenz aufwiesen, nämlich diejenige gegen Tetracyclin und Streptomycin. In einem Selektionsexperiment wurde nach diesen Bakterien gesucht, indem man die Bakterien auf Nährplatten, die beide Antibiotika enthielten, ausplattierte.

Nur die Bakterien mit einem erfolgreich verlaufenen Plasmidtransfer und einem funktionierenden Plasmid konnten dies überleben. Bakterien, die auf den Selektionsplatten noch wuchsen, wurden darauf molekularbiologisch untersucht. In ihnen fand man das rekombinante Plasmid, nun pSC109 genannt, dessen Grösse genau der Addition von den Ausgangsplasmiden entsprach. Nach einer Behandlung mit EcoRI erhielt man, wie zu erwarten war, zwei lineare DNA Moleküle, die in einer Gelelektrophorese genau den Ausgangsmolekülen pSC101 und RSF1010 entsprachen. Das Fazit dieses so einfach klingenden Versuches war, dass es möglich ist, DNA verschiedener Herkunft mit Restriktionsenzymen zu schneiden und die entstehenden Fragmente zu neuen, biologisch funktionierenden DNA-Molekülen zu rekombinieren. Der Schritt der Verknüpfung ist reversibel. Durch die Behandlung mit den entsprechenden Restriktionsenzymen kann die rekombinante DNA wieder in ihre vorherigen Ausgangsteile «zerlegt» werden.