Märchenhafte Nächte in der Toskana

Märchenhafte Nächte in der Toskana

von: India Grey

CORA Verlag, 2010

ISBN: 9783862950126 , 144 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 2,49 EUR

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Märchenhafte Nächte in der Toskana


 

2. KAPITEL

Drei Wochen später.

Sarahs Kopfschmerzen wurden immer schlimmer, Müdigkeit zerrte an ihren Gliedern. Sie schloss die Augen und atmete die warme Nachtluft ein. Fast augenblicklich besserte sich ihre Stimmung.

Toskana.

Dieser wunderbare Duft. Eine unverwechselbare Mischung aus Rosmarin, Zedern und von der Sonne gewärmter Erde erfüllte die Luft. Nichts erinnerte an den Londoner Smog, der in diesem Sommer besonders schlimm war. Seit Wochen wurde England von einer Hitzewelle heimgesucht, die Zeitungen kannten kein anderes Thema mehr. Hier in der Toskana fühlte die Hitze sich anders an. Sarah kam es vor, als erfüllte die Wärme ihren ganzen Körper und zwang sie, sich zu entspannen.

„Du siehst erschöpft aus, mein Liebling.“

Am anderen Ende des Tisches saß ihre Mutter, ein Glas Chianti in der Hand. Rasch unterdrückte Sarah ein Gähnen und setzte ein heiteres Lächeln auf.

„Das liegt an der Reise. Ich bin nicht daran gewöhnt. Aber es ist wunderschön hier.“

Und das stimmte sogar. In den vergangenen Monaten war sie so damit beschäftigt gewesen, sich vor Angelicas Hochzeit zu fürchten, weil die Feier sie unablässig an ihr eigenes Versagen in so vielen Bereichen erinnern würde, dass sie ganz vergessen hatte, wie schön es sein würde, nach Italien zu kommen. Es war die Erfüllung eines Lebenstraums … und stammte aus einer Zeit, als sie sich Träume leisten konnte.

„Es ist gut, dass du hier bist. Du brauchtest dringend ein bisschen Abstand, mein Schatz.“

„Ich weiß, ich weiß …“ Unbehaglich rutschte Sarah auf dem Stuhl hin und her. Der Hosenbund schnitt in der Tat ganz schön ein. Das einzig Gute an einem gebrochenen Herzen war, dass man seinen Appetit und Gewicht verlor, aber sie wartete immer noch darauf, dass diese Phase anfing. Im Augenblick befand sie sich nämlich noch in der „Trost-im-Essen-finden-Phase“. „Ich mache ja eine Diät, aber in letzter Zeit hatte ich an so vielen Fronten zu kämpfen … Rupert, die Geldsorgen, weil ich meinen Job verloren habe …“

„Das habe ich nicht gemeint“, unterbrach ihre Mutter sie sanft. „Ich meinte, du musst geistig mal abschalten. Aber wenn Geld ein Problem ist … Guy und ich helfen dir jederzeit.“

„Nein!“, erwiderte Sarah sofort. „Mir geht es gut. Bestimmt ergibt sich schon bald etwas.“ Ihre Gedanken wanderten zu dem Brief des Verlegers ihres Vaters zurück. Es war der Letzte in einer langen Reihe, seit sie die Rechte am Buch ihres Vaters geerbt hatte. Anfangs hatte sie die Anfragen ernst genommen, doch die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass Francis Tates Roman vor allem mittellose Filmstudenten mit bizarren Vorstellungen anzuziehen schien. Seither verweigerte sie jedes Nutzungsrecht, ohne lange zu fragen.

„Wie geht es Lottie?“, fragte Martha.

Ein wenig ängstlich blickte Sarah zu ihrer Tochter hinüber, die auf Angelicas Knien saß. „Gut“, entgegnete sie. „Ihr ist noch gar nicht aufgefallen, dass Rupert nicht mehr kommt – was mir wiederum verdeutlicht, was für ein schlechter Vater er ist. Ich kann mich nicht einmal mehr daran erinnern, wann er das letzte Mal wirklich Zeit mit ihr verbracht hat.“ Bei Ruperts letzten Besuchen in ihrer kleinen Wohnung hatten sie hastigen unbefriedigenden Sex während seiner Mittagspause gehabt. Der Gedanke an seine unbeholfenen gleichgültigen Berührungen ließ Sarah jetzt erschauern. Dass er keine Zeit hatte, die Abende oder die Wochenenden mit ihr zu verbringen, hatte er auf Probleme bei der Arbeit geschoben. Wie lange, fragte sie sich, hätte er sie eigentlich noch betrogen, wenn sie ihm nicht auf die Schliche gekommen wäre?

„Ohne ihn bist du besser dran“, erwiderte Martha, als wüsste sie genau, was in Sarah vorging.

„Ich weiß.“ Seufzend stand sie auf und räumte die Teller zusammen. „Ich brauche keinen Mann.“

„Das habe ich nicht gesagt. Ich meinte, ohne ihn, nicht ohne Mann im Allgemeinen.“

„Ich bin glücklich allein“, bekräftigte Sarah stur. Das war zumindest nicht ganz gelogen … völlig unglücklich war sie nicht. Allerdings brauchte sie nur an den dunklen gut aussehenden Italiener zurückzudenken, der sie auf Angelicas Party im Rose and Crown geküsst hatte, um zu wissen, dass ihrem Leben etwas fehlte. Eilig sammelte sie das Besteck ein, um ihre Hände beschäftigt zu halten. „Du vermisst nur Guy. Immer wenn er nicht da ist, wirst du sentimental.“

Guy und Hugh würden mit den anderen Gästen morgen eintreffen. Heute war also Mädelabend, wie Angelica es ausdrückte. Martha zuckte die Schultern. „Vielleicht. Ich bin halt eine alte Romantikerin. Ich will nur nicht, dass du deine Chance auf die Liebe verpasst, nur weil du nicht richtig hinschaust.“

Klar, dachte Sarah, wie groß sind wohl meine Chancen, dass das passiert? Sie trug die Teller hinaus. Ihr Liebesleben glich einer lebensfeindlichen Wüste. Wenn sich tatsächlich irgendetwas am Horizont zeigte, dann würde sie es unmöglich übersehen können.

Vor ihr lag das alte Bauernhaus, das Angelica und Hugh gekauft hatten. Eigentlich war es mehr eine Ansammlung aus kleineren Gebäuden mit sanft geschwungenen Dächern. Sarah ging in die Küche, die ehemalige Milchkammer, schaltete das Licht ein und stellte die Teller auf der brandneuen Arbeitsfläche aus Marmor ab. Obwohl Angelica und Hugh sich überhaupt nicht fürs Kochen interessierten, hatten sie keine Kosten gescheut, die Küche überaus luxuriös auszubauen. Ein kleiner Funken Neid flackerte in Sarah auf, während sie sich umschaute und die Einrichtung mit ihrer kleinen Einbauküche in ihrer Wohnung in London verglich.

Missmutig drehte sie den Wasserhahn auf und ließ eiskaltes Wasser über ihre Handgelenke laufen. Hitze, Müdigkeit und ein Glas Chianti hatten sie dünnhäutig gemacht. Deshalb fiel es ihr schwerer als sonst, die düsteren Gedanken zurückzuhalten. Sie drehte den Hahn zu und trat wieder hinaus. Die kühlen Handgelenke auf den Nacken gepresst, gesellte sie sich wieder zu den anderen. Angelica berichtete gerade von den Katastrophen, die sich beim Umbau des Landhauses ereignet hatten.

„… in dieser Hinsicht ist er ein absoluter Fanatiker. Er besteht darauf, dass alles so authentisch wie möglich saniert wird. Unserem Architekten hat er irgend so einen obskuren Wisch unter die Nase gehalten. Anscheinend gibt es in der Toskana ein Gesetz, das uns verbietet, ein Glasdach auf die Küche zu setzen. Nein, wir müssen die alten Ziegel recyceln, damit der Originalcharakter des Hauses erhalten bleibt.“

Fenella verdrehte die Augen. „Der Mann hat ja leicht reden, schließlich lebt er in einem Palazzo aus dem sechzehnten Jahrhundert. Erwartet er etwa von euch, wie arme Schlucker zu leben, nur weil ihr ein Bauernhaus gekauft habt?“

Lächelnd schaute Martha auf, als Sarah sich wieder zu ihnen setzte. „Angelica und Hugh sind mit dem hiesigen Adel aneinandergeraten“, erklärte sie.

„Adel?“, stieß Angelica verächtlich aus. „Schön wär’s! Aber der Mann ist definitiv ein Neureicher. Ein Regisseur. Er heißt Lorenzo Cavalleri und ist mit dieser italienischen Schauspielerin Tia de Luca verheiratet.“

Sofort ging eine sichtbare Veränderung in Fenella vor. Den Namen eines Prominenten in ihrer Hörweite fallen zu lassen, hatte in etwa denselben Effekt, wie einem Hund einen Knochen hinzuwerfen. „Tia de Luca? Gerade habe ich ein Interview mit ihr gelesen. Sie hat ihren Ehemann für Ricardo Marcello verlassen. Und schwanger ist sie auch!“

„Oh, wie aufregend“, ging Angelica darauf ein. „Ricardo Marcello ist hinreißend. Ist das Baby von ihm?“

Man könnte meinen, sie reden über gute Bekannte, dachte Sarah und unterdrückte ein Gähnen. Natürlich wusste auch sie, wer Tia de Luca war – jeder wusste das! –, aber das komplizierte Liebesleben einer Frau, die sie niemals kennenlernen und mit der sie nichts gemein hatte, interessierte sie nicht. Fenella hingegen störte sich an solchen Details nicht.

„Ich bin mir nicht sicher. Sie hat angedeutet, dass das Baby auch von diesem Lorenzo sein könnte.“ Sie senkte die Stimme. „Hast du ihn schon getroffen?“

„Nein“, sagte Angelica. „Hugh allerdings schon. Er meinte, es sei schwierig, mit ihm zurechtzukommen. Typisch italienischer Macho, arrogant und von oben herab. Wir dürfen es uns mit ihm nicht verderben, weil die Kirche, in der wir heiraten wollen, auf seinem Land steht.“

„Mmm …“ Fenellas Stimme klang warm und samtig. „Klingt himmlisch. Ich hätte nichts dagegen, seine verderbte Seite zu sehen …“

Sofort war Sarah hellwach. „Okay, Lottie, Schlafenszeit.“

Als sie ihren Namen hörte, setzte Lottie sich, die es sich auf dem Schoß ihrer Großmutter bequem gemacht hatte, schläfrig auf. „Ich bin gar nicht müde, Mummy“, protestierte sie. „Wirklich nicht …“

„Oh, doch.“ Lottie besaß die Überzeugungskraft eines Politikers. Aber heute Abend kam sie damit nicht durch. Eine Mischung aus Erschöpfung und dem seltsamen Gefühl von Ruhelosigkeit ließ ihren Tonfall schärfer werden. „Bett. Sofort.“

Lottie schaute über Sarahs Schulter in den Himmel. Sorgenfalten zeichneten sich auf ihrer Stirn ab. „Da ist kein Mond“, flüsterte sie. „Gibt es keinen Mond in Italien?“

Augenblicklich verflog Sarahs Ärger. Der Mond war Lotties Halt, ihre Kuscheldecke. „Doch, gibt es“, beruhigte sie das kleine Mädchen. „Nur ist er heute hinter den Wolken verborgen. Schau, man kann auch keine Sterne sehen.“

Die Sorgenfalten...