Das Gehirn - Funktionen und Funktionseinbußen. Eine Einführung für pflegende, soziale und pädagogische Berufe.

von: Thomas Hülshoff

Hogrefe AG, 2008

ISBN: 9783456945873 , 582 Seiten

3. Auflage

Format: PDF, OL

Kopierschutz: DRM

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Preis: 26,99 EUR

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Das Gehirn - Funktionen und Funktionseinbußen. Eine Einführung für pflegende, soziale und pädagogische Berufe.


 

Bei der Pflege geht es nach dem International Council of Nurses (ICN) um die «eigenverantwortliche Versorgung und Betreuung ... von Menschen aller Altersgruppen, von Familien oder Lebensgemeinschaften sowie von Gruppen und sozialen Gemeinschaften, ob krank oder gesund, in allen Lebenssituationen ... Pflege schließt die Förderung der Gesundheit, Verhütung von Krankheiten und die Versorgung und Betreuung kranker, behinderter und sterbender Menschen ein ...» Aber auch die Interessenwahrnehmung von Patienten, die Förderung einer sicheren Umgebung, Forschung und Mitgestaltung in der Gesundheitspolitik sowie Management im Gesundheitswesen und der Bildung sind hier zu nennen. Grundsätzlich haben Pflegende die Aufgabe, Gesundheit zu fördern, Krankheit zu verhüten, Gesundheit wieder herzustellen, Leiden zu lindern und last not least das Leben und die Würde des Menschen zu achten. Da sich die Gesundheitsund Krankenpflege mit den Auswirkungen und Folgen von aktuellen oder potentiell gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ihren Behandlungen auf das Alltagsleben einzelner Menschen, Angehörigen und Gruppen befasst (Schweizerischer Berufverband), sind Gesundheitsund KrankenpflegerInnen nicht zuletzt auch für die Pflege und Begleitung von Menschen mit zentralnervösen Störungen zuständig.

In den letzten Jahrzehnten hat die Krankenpflege eine außergewöhnliche Differenzierung ihres Gegenstandsbereiches erfahren. So werden heute unter anderem die Gesundheitsund Krankenpflegerin/Krankenpfleger, die Gesundheitsund KinderkrankenpflegerIn, Altenpfleger/Altenpflegerinnen, Heilerziehungspfleger/innen, Pflegemanager/innen und PflegepädagogInnen unterschieden – jeweils mit unterschiedlichen, differenzierten Ausbildungsgängen, einem dezidierten Curriculum, eigener Fachliteratur und spezifischem beruflichem Handlungsprofil. Darüber hinaus können sich Gesundheitsund KrankenpflegerInnen zu FachkrankenpflegerInnen weiter qualifizieren, beispielsweise im psychiatrischen Bereich, aber auch in der Intensivmedizin, der Schmerztherapie und einigen anderen Gebieten mehr. Für Fachkrankenpfleger/Krankenpflegerinnen im psychiatrischen Bereich sind beispielsweise Themen wie Depression, Psychosen des schizophrenen Formenkreises, emotionale Störungen, aber auch Alterserkrankungen wie Alzheimersche Demenz von besonderer Bedeutung. In der allgemeinen Pflege wird es unter anderem um Epilepsien, Schlaganfallspatienten, motorische Störungen wie Multiple Sklerose, Querschnittslähmung, infantile Zerebralparese sowie zahlreiche geriatrische Krankheitsbilder gehen. Diese werden auch für die Altenpflege von Interesse sein: So sei unter anderem auf die Parkinsonsche Erkrankung, den Schlaganfall, die Alzheimersche Erkrankung und andere hingewiesen. Gesundheits-KinderkrankenpflegerInnen hingegen haben erfahrungsgemäß eher mit infantiler Zerebralparese, Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, kindlicher Epilepsie, Hörund Sehstörungen sowie einigen motorischen Störungen zu tun, die in diesem Buch vorgestellt werden. Ihre Aufgabenbereiche überschneiden sich zum Teil mit denen der HeilerziehungspflegerInnen, die sich im Schnittpunkt pädagogischer und pflegerischer Fördermaßnahmen befinden. Auch sie werden vielfach mit Aufmerksamkeitsgestörten, Sinnesbeeinträchtigten, motorisch gehandicapten oder chronisch kranken Kindern zu tun haben. Heilerziehungspfleger sind allerdings sozialpädagogisch und pflegerisch ausgebildete Fachkräfte, die sich für die Assistenz, Beratung, Begleitung, Pflege und Bildung von Menschen mit einer Behinderung im ambulanten und stationären Bereich einsetzen.

Neben den hier genannten, teilweise spezifischen Ansätzen, die sich in unterschiedlichen Kapiteln manifestieren, geht es in allen Pflegeberufen aber auch um eine Auseinandersetzung mit anthropologischen und ethischen Fragestellungen – beispielsweise um das Menschenbild, die Würde der Person und das Recht auf Inklusion – Fragen, die durch neuere Entwicklungen in den Neurowissenschaften von zunehmender Bedeutung sind: Erinnert sei an Neurotransplantate bei Hörstörungen oder Parkinsonscher Erkrankung, an die Frage von Persönlichkeit bei unterschiedlichen Bewusstseinszuständen (z. B. im Wachkoma), die Problematik der «Willensfreiheit» (z. B. bei Zwangseinweisungen im Rahmen einer mit Suizid einhergehenden Depression) und anderes mehr. Solche Fragestellungen können nur interdisziplinär erörtert werden, will man in einem multiprofessionellen Team und auf den in diesem Buch vorgestellten Ebenen der Problematik und insbesondere den betroffenen Menschen gerecht werden.

Die sozialen und pädagogischen Berufe, die mit diesem Buch besonders angesprochen werden, sind die der Sozialarbeit, der Sozialpädagogik, der Heilpädagogik, Sonderpädagogik und Rehabilitationspädagogik. Die Sozialarbeit und Sozialpädagogik werden dabei zunehmend als «Soziale Arbeit» zusammengefasst. Sie stammen zwar – historisch betrachtet – zum einen von der Wohlfahrtspflege und -fürsorge (jetzt «Sozialarbeit»), zum anderen von der Jugendarbeit (jetzt «Sozialpädagogik») ab, doch hat sich sowohl in den Hochschulstudiengängen als auch in den praxisbezogenen Arbeitsfeldern eine zunehmende Annäherung ergeben, so dass diese beiden Berufe de facto kaum noch auseinander zu halten sind. Immerhin befasst sich die Sozialarbeit schwerpunktmäßig mit der Betreuung von einzelnen (Einzelhilfe oder case work), Gruppen (Gruppenarbeit), Familien (Familienhilfe) sowie Förderung von Integration im Wohnumfeld (Gemeinwesenarbeit). Zunehmend kommt Organisations-, Planungsund Vermittlungsarbeit im Sinne des «case management» hinzu.

Neben vielen anderen Gruppen (wie beispielsweise straffälligen Menschen) bieten Sozialarbeiter ihre Hilfe aber auch Jugendlichen in besonderen Problemlagen, älteren Menschen, behinderten und chronisch kranken Menschen, Suchtkranken und anderen an. Dies gilt in besonderer Weise für ein relativ neues, sich speziell etablierendes Berufsbild, der «klinischen Sozialarbeit». Sie ist ein Teilgebiet der Sozialen Arbeit, fällt unter die Sozialarbeitswissenschaften und ist als Fachsozialarbeit spezialisiert auf die direkte Arbeit mit Klienten und Klientinnen in deren spezifischen Lebenslagen, insbesondere auf die Bearbeitung von schwierigen sozialen, bio-sozialen und psycho-sozialen Störungen und Problemen sowie sozialarbeiterische Behandlung bei psychischen, somatischen, akuten und chronischen Erkrankungen mit bedeutsamen sozialen Implikationen sowie der Gesundheitsarbeit mit intensiver Einbeziehung des sozialen Kontextes. Damit ist sie weit umfassender als die Krankenhaussozialarbeit, die sie aber mit einschließt. Die Ausbildung zum klinischen Sozialarbeiter erfolgt zunehmend auch durch Masterstudiengänge an Fachhochschulen. Sozialarbeit im Rehabilitationsbereich und insbesondere Klinische Sozialarbeit kümmert sich auch um Menschen mit zentralnervösen Funktionseinbußen. Sie ist zunehmend an der Förderung, Erziehung oder Rehabilitation solcher Menschen beteiligt. Insofern sind für sie Themen wie Sehund Hörbehinderung, motorische Schädigungen im Sinne einer Behinderung oder chronischen Erkrankung (Querschnittslähmung, Multiple Sklerose), Alterserkrankungen mit erheblichen psychosozialen Auswirkungen für den Einzelnen und seine Familie (als Beispiel sei hier die Demenz vom Alzheimertyp genannt), aber auch psychiatrische Störungen wie Schizophrenie oder Depression sowie die Suchtkrankheiten relevant – alles Krankheiten mit zum Teil erheblichen sozialen Implikationen. Bei Sozialpädagogen, die sich traditionell (keineswegs aber ausschließlich) eher um Kinder und Jugendliche bemühen, kommen, was den Gegenstand dieses Buches angeht, Teilleistungsstörungen wie Dyskalkulie und LRS, insbesondere aber das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom hinzu. Beides sind Störungen, die sich nicht nur im schulischen Bereich, sondern ganz wesentlich auch im psychosozialen Bereich manifestieren und die Lebensgestaltung sowie soziale Prognose eines Menschen beeinträchtigen können. Auch Heilpädagogen, insofern sie im außerschulischen Bereich arbeiten und an Fachhochschulen ausgebildet werden, haben eine durchaus ähnliche Klientel. Sozialarbeitern, Sozialund Heilpädagogen ist gemeinsam, dass sie sich in besonderer Weise der Entwicklung, Förderung und sozialen Integration behinderter oder gehandicapter Menschen annehmen. Ihre primäre Aufgabe besteht weder in der Pflege noch in der Therapie (wenngleich ihre Aktivitäten durchaus auch therapeutische Aspekte beinhalten können). Hingegen geht es darum, Menschen dabei zu unterstützen, trotz und mit ihren Handicaps ein menschenwürdiges, an den kulturellen Gegebenheiten ihrer Umgebung teilnehmendes Leben zu ermöglichen. Hierbei kommt der Inklusion eine besondere Rolle zu: Auch und gerade behinderte Menschen sollen nicht nur ins Sozialwesen integriert werden, sondern ein essentieller, unverzichtbarer und mitgestaltender Teil einer soziokulturellen Gemeinschaft sein.