AGG im Arbeitsrecht

von: Burkhard Boemke, Franz-Ludwig Danko

Springer-Verlag, 2007

ISBN: 9783540490869 , 285 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: DRM

Windows PC,Mac OSX für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen für: Windows PC,Mac OSX,Linux

Preis: 24,99 EUR

Mehr zum Inhalt

AGG im Arbeitsrecht


 

4. TEIL: FRAGEN DES RECHTSSCHUTZES (S. 125-127)

§ 10 Beweislast (§ 22 AGG)

I. Allgemeines

1. Entstehungsgeschichte


§ 22 AGG sieht für Ansprüche der Beschäftigten nach diesem Gesetz Beweiserleichterungen vor. Soweit der mutmaßlich Betroffene Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grunds vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass keine Benachteiligung im Sinn des AGG vorliegt.

Diese Art der Beweislastverteilung ähnelt den Regelungen in § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB a. F. und § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX a. F. Nach diesen Vorschriften sollte die Beweislastumkehr immer dann eintreten, wenn der Beschäftigte Tatsachen glaubhaft machte, die eine Benachteiligung wegen des geschützten Grunds vermuten ließen. Ein derartiger Wortlaut fand sich auch noch in der ursprünglichen Fassung des Regierungsentwurfs zum AGG und im Entwurf des früheren Antidiskriminierungsgesetzes1. Erst durch die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses2 wurde der Wortlaut in gegenwärtiger Fassung formuliert. Durch die abweichende Formulierung sollte allerdings keine inhaltliche Änderung erfolgen. Vielmehr sollte dadurch nur klargestellt werden, dass der Nachweis der Anhaltspunkte, die eine Benachteiligung vermuten lassen, nicht durch eidesstattliche Versicherung möglich sein soll, wie dies teilweise mit Blick auf § 294 ZPO vertreten wurde3.

In dem Ausschluss der eidesstattlichen Versicherung aus dem Kreis der möglichen Beweismittel liegt kein Verstoß gegen die europäischen Richtlinien. Zwar wird im Wortlaut der Richtlinien auch von „glaubhaft machen" gesprochen4, dies ist aber nicht im rechtstechnischen Sinn gemeint, wie sich aus einem Vergleich mit den Erwägungsgründen ergibt5 .

2. Anwendungsbereich

a) Sämtliche Diskriminierungsformen

§ 22 AGG enthält keine Einschränkung hinsichtlich der Handlungsweise. Daher gilt die Beweislastregelung für sämtliche Diskriminierungsformen des § 3 AGG6. Die Beweiserleichterungen gelten also nicht nur für unmittelbare, sondern auch für mittelbare Diskriminierungen. Teilweise wurde beim Entwurf zum ADG bezweifelt, ob auch (sexuelle) Belästigungen von der Beweislastumkehr erfasst sein sollen. Die Regierungsbegründung zum AGG macht allerdings im Rahmen der Beweislastumkehr auch Ausführungen zu (sexuellen) Belästigungen8, so dass nach dem Willen des Gesetzgebers auch diese Fälle mit erfasst sein sollen.

Die Beweislastregelung gilt nicht für etwaige Umstände, die eine unterschiedliche Behandlung i. S. v. §§ 8 – 10 AGG rechtfertigen. Hier bedarf es der Beweislastumkehr nicht. Hat der Arbeitnehmer eine Benachteiligung nachgewiesen, ist es Sache des Arbeitgebers, Umstände darzulegen, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen9. Es entspricht der Rechtsprechung des EuGH zum Verbot der mittelbaren geschlechtsspezifischen Diskriminierung, dass es Sache des Arbeitgebers ist, darzulegen und gegebenfalls zu beweisen, dass die unterschiedliche Behandlung einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens dient sowie zur Zielerreichung geeignet und erforderlich ist.

b) Beschränkung der Beweiserleichterung

Die gesetzliche Regelung will dem Arbeitnehmer nicht den Nachweis erleichtern, dass er benachteiligt worden ist. Vielmehr bezieht sich die Beweiserleichterung lediglich auf die Kausalität zwischen Arbeitgeberverhalten und Benachteiligung aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe. Dies bedeutet: Der Nachweis einer Benachteiligung ist im Wege des Vollbeweises zu führen. Ist dieser Vollbeweis geführt, greift für den Nachweis, dass hierfür diskriminierende Gründe gemäß § 1 AGG kausal waren, § 22 AGG ein. Kann der Arbeitnehmer entsprechende Indizien vortragen und gegebenfalls beweisen, dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierfür entweder Rechtfertigungsgründe zu benennen12 oder aber nachzuweisen, dass sein Verhalten diskriminierungsfrei war, also nicht in Zusammenhang mit einem nach § 1 AGG unzulässigen Diskriminierungsmerkmal stand.