FBL Klein-Vogelbach Functional Kinetics: Therapeutische Übungen

von: Katrin Eicke-Wieser, Irene Spirgi-Gantert, Barbara Suppé

Springer-Verlag, 2006

ISBN: 9783540298731 , 283 Seiten

5. Auflage

Format: PDF

Kopierschutz: DRM

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Preis: 34,99 EUR

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FBL Klein-Vogelbach Functional Kinetics: Therapeutische Übungen


 

1 Funktionelles Üben (S. 4-5)

1.1 Was bedeutet funktionelles Üben?
Durch systematisches Beobachten von Menschen in Ruhe und Bewegung wird ersichtlich, dass das vielfältig bewegliche System eines Körpers in ständiger Auseinandersetzung mit der Schwerkraft steht. Die im Vergleich zur Körperlänge kleine Standfl äche verlangt vom Körper bei jeder Veränderung einer Gelenkstellung eine Anpassung, eine Reaktion, um im Gleichgewicht zu bleiben. Das bedingt einen ständigen Umgang mit den Gewichten seiner Körperteile. Auf Grund dieser Erkenntnis wurden die therapeutischen Übungen der Funktionellen Bewegungslehre erarbeitet.

Von einer exakt eingestellten Ausgangsstellung ausgehend, wird vom Patienten eine Bewegung in eine genau defi nierte Richtung verlangt. Als Antwort auf die Gewichtsverschiebung dieser Primärbewegung erfolgt spontan eine voraussehbare Gegenbewegung. Mit dieser neuen Anordnung der Gewichte versucht der Körper, im Gleichgewicht zu bleiben. Dieses automatische Reagieren erfolgt zur richtigen Zeit, koordiniert und mit einer ökonomischen, adäquaten Aktivität der Muskulatur. Das ist dem Patienten nicht bewusst, weil er sich auf die Ausführung des Bewegungsauft rags konzentriert.

Zusätzlich zum Bewegungsauftrag muss der Patient Bedingungen einhalten, z. B. gleich bleibende Abstände zwischen zwei Körperpunkten. Diese Aufgabe erfüllt der Körper mit einer gezielten dynamisch stabilisierenden Aktivität der entsprechenden Muskulatur. Eine andere Bedingung kann z. B. das Beibehalten der Unterstützungsfl äche sein. Das begrenzt die Primärbewegung. Durch diese Bedingungen verläuft die Bewegung erst in der vom Therapeuten gewollten Art und Weise.

Das Lernziel einer therapeutischen Übung soll die voraussehbare Reaktion auf einen Bewegungsauft rag und/ oder die dynamisch stabilisierende Muskelaktivität beim Einhalten der Bedingungen sein. Durch diese automatisch einsetzenden unbewussten Aktivitäten werden unökonomische Anstrengungen und Ausweichbewegungen vermieden. Die in diesem Buch vorgestellten therapeutischen Übungen sind Modelle für bestimmte Lernziele.

Die Übungen lösen komplexe Bewegungen aus, bei denen bestimmte Muskelgruppen und Bewegungskomponenten angesprochen werden. Das erfordert viel Koordination und Bewegungsvermögen des ganzen Körpers. Funktionell üben bedeutet auch zu berücksichtigen, welchen Anforderungen einzelne Muskelgruppen im normalen, malen täglichen Gebrauch ausgesetzt sind. Zum Beispiel müssen die Abduktoren des Hüft gelenks am Standbein im Einbeinstand und im Gehen das Gewicht des Beckens, des Brustkorbs, des Kopfs, der Arme und des Spielbeins am Becken verankern. Die Abduktoren des Hüft gelenks arbeiten dabei in der Stützfunktion im geschlossenen System. Das isolierte Üben der Abduktoren mit Abheben des Beins würde den normalen Anforderungen nicht entsprechen.

Durch die vorangegangene sorgfältige Bestandsaufnahme, den funktionellen Status (s. Klein-Vogelbach 2006), gewinnt der Therapeut Verständnis für die funktionellen Probleme des Patienten. Für den Therapeuten ist es wichtig, die Abweichungen von der Norm z. B in Bezug auf Konstitution, Kondition und Statik in der Therapie zu berücksichtigen. Sie beein- fl ussen das Bewegungsverhalten eines Patienten in voraussagbarer Weise. Es ist zum Beispiel sinnlos, von einem Menschen mit langen Oberschenkeln zu verlangen, in die Hocke zu gehen. Er würde zu viel Gewicht nach hinten bringen und umfallen. Abweichungen von einer idealen Statik führen zu Überlastungen einzelner Muskelgruppen und Gelenke. Nicht eingeordnete Gewichte müssen durch zusätzliche Muskelarbeit gehalten werden. In den Gelenken entstehen Abscherkräfte.

Wichtig
Der Therapeut bestimmt auf Grund der gefundenen Defi zite und des Zustands des Patienten, welche Anforderungen er in Form von Belastung der Muskulatur, der Koordinationsfähigkeit und der Beweglichkeit der Gelenke dem Patienten zumuten kann und will. Eine genaue Einordnung der Körperabschnitte in die Körperlängsachse ist aus funktionellen Gründen bei vielen Übungen wichtig. Diese Neutralstellung der Wirbelsäule soll auch unter verschiedenen Belastungen beibehalten werden. Das funktioniert nur, wenn die segmentale Vorstabilisierung durch die lokale Muskulatur gewährleistet ist. Beim genauen Beobachten, ob und wie lange der Patient die Neutralstellung der Wirbelsäule ohne Mühe halten kann, gewinnt der Therapeut wichtige Informationen für die Planung der Therapie